Am vergangenen Donnerstag hat der Bundestag das Registermodernisierungsgesetz verabschiedet (BT-Drs. 19/24226). Dessen Kernstück ist das Identifikationsnummerngesetz (IDNrG). Es legt fest, dass die 2007 eingeführte Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) zu einer allgemeinen Identifikationsnummer wird.
Mit Hilfe der Steuer-ID werden nun die Datensätze in den 56 wichtigsten öffentlichen Registern geordnet, um Datenabgleiche zu Personen zu ermöglichen. Damit können wesentliche Informationen über eine Person zu einem Profil zusammengefasst werden, wie zum Beispiel Gesundheitsdaten, Daten aus dem Schuldnerverzeichnis oder zu Hartz-IV-Ansprüchen, Informationen über Vorstrafen und zu Verwandtschaftsverhältnissen.
Damit wird der Mensch gläsern, es gibt kein Halten mehr, dass der Staat jederzeit auf alle verfügbaren persönlichen Daten zugreift und sie miteinander verknüpft. Genau dies wollte das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil von 1983 mit dem dort eingeführten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verhindern. Danach ist eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit, die die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen oder auch nur Teilabbildern der Persönlichkeit erlaubt, unvereinbar mit der Menschenwürde (vgl. BVerfGE 65, 1 [53]). Das Gericht hat deshalb ausdrücklich die Einführung eines einheitlichen Personenkennzeichens (PKZ) verboten, weil das eine solche Zusammenführung ermögliche beziehungsweise "ein entscheidender Schritt" (ebd. [57]) dafür sei.
Weder der für das Gesetz federführende Innenminister noch die Bundesregierung, die das Gesetz initiiert hat, noch die Regierungskoalitionen, die ihm zugestimmt haben, können erklären, warum dann die Identifikationsnummer kein verbotenes PKZ ist. Es bedarf keiner dystopischen Fantasie sich vorzustellen, dass, so wie der Mensch heute bei Geburt die Steuer-ID zugewiesen bekommt, er später die Identifikationsnummer implantiert bekommt und damit dann jederzeit papierlos identifiziert und in allen seinen Lebenstätigkeiten digital erfasst werden kann.
Die Corona-Krise hat uns allen vor Augen geführt, wie groß die Versäumnisse des deutschen Staates beim Aufbau der digitalen Infrastruktur für die Gesellschaft und eigener staatlicher digitaler Strukturen sind. Aber genau jetzt schreitet er nicht dort voran, wo Digitalisierung dringend nötig ist, sondern nutzt unter dem Vorwand der Verwaltungsmodernisierung den Geist der Krise dazu, die Menschen gläsern zu machen. Als Bürgerrechtsorganisation sind wir strikt dagegen; wir fordern umgekehrt den gläsernen, das heißt den transparenten Staat.
Die Humanistische Union hat ihre grundsätzlichen Bedenken gegen das Registermodernisierungsgesetz bereits im Rahmen der Verbändeanhörung des Innenministers ausführlich vorgetragen. Jetzt, da wir feststellen müssen, dass wir – wie viele andere auch – nicht gehört wurden, werden wir uns wehren. Der Bundesvorsitzende der Humanistischen Union Werner Koep-Kerstin: "Wenn dieses Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, werden wir vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das Registermodernisierungsgesetz erheben. Wir gehen davon aus, dass sich das Bundesverfassungsgericht an seine Entscheidung zur Volkszählung von 1983 erinnert."
4 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
„Wir fordern umgekehrt den gläsernen, das heißt den transparenten Staat“, richtig!
Macht muss immer beschränkt und kontrolliert werden, damit sie nicht totalitär wird!
Hans Trutnau am Permanenter Link
"... übergriffig" - passt, Roland, weil die Politik das schon seit jeher war und ist, auch ohne gleich totalitär zu werden.
Unechter Pole am Permanenter Link
In meiner Heimat gibt es eine solche Nummer (Namens PESEL) seit ca. 45 Jahren und letztens wird alles darauf verknüpft. So kann ein Handlanger Kaczyńskis (a.k.a.
Willkommen in Kaczyńskirepublik Deutschland.
M. Landau am Permanenter Link
Danke. Einfach danke.