Humanistischer Verband Deutschlands

Häusliche Gewalt: Der weite Weg

Im Jahr 2019 ist statistisch betrachtet an fast jedem dritten Tag eine Frau durch die Tat ihres Partners oder Ex-Partners gestorben. Die Gewaltschutzambulanz an der Charité hat für die vergangenen Wochen eine deutliche Zunahme schwerer Misshandlungen festgestellt: Liegt der Anteil an Gesichtsverletzungen, Würgemalen, Stichen sonst eher bei 60 Prozent der Fälle, ist er in der Corona-Krise auf 90 Prozent gestiegen.

Zum internationalen Frauentag am 8. März erklärt die Vorstandsvorsitzende des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg (HVD BB), Katrin Raczynski: "Angebote für Frauen, die Opfer von Gewalt sind, gibt es in Berlin zum Glück viele. Woran es mangelt, sind gesicherte und schnelle Wege, um die Opfer in die Hilfesysteme zu holen. Hier besteht Nachholbedarf. Vor allem im Lockdown war es vielen Opfern kaum möglich, den Weg zur Gewaltschutzambulanz zu gehen." Daher braucht es ein digitales Angebot, das jede Frau auf ihr Smartphone laden kann. Eine Anwendung, die sämtliche Kontaktmöglichkeiten für Hilfe bündelt und einen Button für Notrufe bereithält.

Die Berliner Landesregierung geht nach Ansicht des HVD mit ihren geplanten Maßnahmen gegen häusliche Gewalt in die richtige Richtung. "Ich begrüße, dass die Gewaltschutzambulanz endlich finanziell abgesichert wurde. Der Schwerpunkt muss neben dem besseren Zugang zu Schutzräumen für Opfer auf der Sensibilisierung und Schulung von Polizeikräften sowie Beschäftigten in Kitas, Schulen und sozialen Einrichtungen liegen. Auch Ärztinnen und Ärzte müssen verstärkt sensibilisiert werden, um bei Verdacht umgehend den Kontakt zu Frauenhäusern und Beratungsstellen herstellen zu können."

Das geplante Berliner Zentrum für Gewaltprävention ist ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen müssen: Jährlich gibt es in Berlin circa 1.400 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. Partnerschaftsgewalt ist für Frauen und ihre Kinder allzu oft tödlich. Mehr Geld und Ressourcen für Täterarbeit bedeuten deshalb besseren Opferschutz.

Die Corona-Pandemie verstärkt bestehende Machtgefälle und soziale Ungleichheit. Die Zunahme von Gewalt gegen Frauen und Kinder ist erschreckend. Psychischer Stress durch Angst vor dem Verlust der beruflichen Tätigkeit, beengte Wohnverhältnisse, die andauernde Mehrfachbelastung durch Homeoffice und Homeschooling und das Kontaktverbot zu Freunden und Verwandten sind oftmals zusätzlicher Auslöser häuslicher Gewalt. "Der Lockdown wurde für tausende Frauen und ihre Kinder zu einer Falle. Die monatelange Schließung von Beratungsstellen, Schulen und Kitas hat die Brücken zu Schutzangeboten abgebrochen, die Dunkelziffer der tatsächlich stattfindenden Gewalttaten ist immens hoch. Der Weg zu Hilfe und Schutz ist für Frauen und Kinder in der Pandemie damit noch beschwerlicher."

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