STEISSLINGEN. (hpd) Seit über 40 Jahren kenne ich Hubertus Mynarek und halte ihn aufgrund seiner imponierenden Biographien über Wojtyla und Ratzinger für den Papst der Papst-Biographien. Wer sich umfassend informieren möchte, ist auf Mynareks Bücher verwiesen; es findet sich nichts Besseres. Das halte ich, selbst Autor von mehreren Büchern über die beiden letzten Päpste, neidlos fest.
Und jetzt die kritische Biographie über den Bergoglio-Papst. Sie war überfällig: Inmitten des gespenstisch anmutenden Jubels einer Journaille, die mal wieder nichts zu sagen weiß, ist Kritik an der PR-Gestalt des argentinischen Jesuiten, der es nicht ohne Grund zum Papst gebracht hat, nicht jedermanns Sache. Doch Mynareks, des ausgewiesenen Papstexperten, Sache ist es. Zum Glück. Hier ist ein glänzend argumentierender theologischer Fachmann am Werk, und die Kommentare unbedarfter Journalisten werden Makulatur.
Mynarek handelt im ersten Teil der Biographie mit interessanten Details die Bilderbuchkarriere des Jorge Mario Bergoglio SJ ab, eines demütig und bescheiden auftretenden "Musterexemplars jesuitischer Erziehung", eines Mannes, der "mehr Macher als Denker" ist und nicht einmal eine theologische Dissertation vorweisen kann. In Teil II stellt Mynarek die Theologie dieses Papstes vor (so es eine solche wirklich gibt), Teil III spricht von Gesten und Taten des Pontifex, nicht zuletzt von dessen Versäumnissen gerade gegenüber dem Anspruch auf franziskanische Armut.
Versäumnisse? Unterlassungen? Was bisher bleibt: Bergoglio ist von Berufs wegen ein "Herr der Sprüche" (237) und der Fensterreden. Was er freilich im Gegensatz zu seinem spröden bis langweiligen Vorgänger Ratzinger beherrscht, ist die uneingeschränkt populistische Ausrichtung dieser Sprüche, handle es sich um das Karnickel-Zitat (277), um die Faustschlag-Passage (272), um die Legitimation eines "würdevollen" Schlagens von Kindern (266) und so fort. Was Franziskus da vor sich hinplappert, verrät wenig Gespür für die Realitäten des journalistischen Geschäfts: Ein Papst sollte wissen, was aus seinem Gerede wird, wenn sich für die Hofmedien nichts Besseres findet. Taten bleiben sowieso in aller Regel aus, auch das ist amtsspezifisch. Als Beispiel nenne ich die Homophobie im Vatikan, konkret die Nicht-Akzeptanz eines schwulen französischen Botschafters, und den von Mynarek zurecht gerückten Homosexualitäts-Spruch (283 f.). Nicht ganz nebenbei: Die Exkommunikation der Mafiosi, die Bergoglio formuliert hat und die auch Mynarek entgangen zu sein scheint, ging praktisch unter. Rammlersprüche sind weitaus medienaffiner.
Doch der "populistische Drang", der Franziskus lenkt (264), leistet aufs Ganze gesehen viel zu wenig. Kein Wunder, dass beispielsweise die Umwelt-Enzyklika, in der Bergoglio nach Kräften bei früher und besser Informierten abschreibt, relativ wenig Resonanz erfahren hat. Was alle Welt weiß, bedarf keiner speziell päpstlichen Information und angeblichen Überhöhung. Eine Ansammlung hehrer Plagiate wirkt in einer Zeit, da Kirche und Christentum ihrem Ende zugehen, nur noch überflüssig.
Was mir weniger an Mynareks Buch gefällt, mag manchen als Petitesse gelten, mir nicht. Ich nenne:
a) Die Namensgebung "Franziskus I." (101) ist sachlich falsch. Solange sich nicht weitere Päpste mit diesem Namen finden, sollte Bergoglio nicht als der Erste bezeichnet werden. Im Buchtitel hat die falsche Benennung zum Glück keinen Platz gefunden.
b) Bei der Beschreibung der Nicht-Taten des Herrn Bergoglio ist von einer italienischen "Kultursteuer" die Rede (201). Es handelt sich jedoch nicht um eine solche, das darf ich doch wohl als Erfinder und Namensgeber dieser “Mandatssteuer” (1972!) festhalten. Sie ist mittlerweile in Italien, Spanien, Ungarn und Liechtenstein eingeführt und hat, mit dem Segen des Vatikans, das bundesdeutsche Kirchensteuer-Modell um Längen geschlagen. Als "Kultursteuer" ist sie bewusst nicht konzipiert und wird auch nur von wenig informierten Autoren so genannt. Eine wünschenswerte weitere Auflage der Papstbiographie Mynareks sollte solche Mängel beheben.
Hubertus Mynarek, Papst Franziskus. Die kritische Biografie (Tectum-Verlag Marburg 2015), 334 S., 19, 95 Euro, ISBN 978–3–8288–3683–2
4 Kommentare
Kommentare
manfred fischer am Permanenter Link
Kritik ja - doch bei allen Ausführungen sollte man stets das Ganze im Auge haben - Religionen und deren VertreterInnen sind nicht nur zu bemängeln.
Schauen wir mal ...
Manfred Fischer
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Ja klar... als Herrschaftsinstrument betrachtet beispielsweise ist sicher nicht so viel an Religion und ihren VertreterInnen zu bemängeln...
Wolfgang am Permanenter Link
Immer nur Sprüche, müssen nur ein wenig "fromm" klingen und schon schnappt die Falle zu. Keine Bange vor dem Papst, denn der ist auch nur sterblich.
Franz Gillinger am Permanenter Link
"Eine Ansammlung hehrer Plagiate wirkt in einer Zeit, da Kirche und Christentum ihrem Ende zugehen, nur noch überflüssig." - Das ist bestenfalls (un)frommes Wunschdenken....