TRIER. (hpd) Gestern hat Amnesty International ein Positionspapier veröffentlicht, das sich für die Legalisierung von Prostitution ausspricht. Die Reaktion war erwartungsgemäß groß – so meldeten sich auch Prominente kritisch zu Wort, unter anderem Meryl Streep und Hillary Clinton. Auch innerhalb der Menschenrechtsorganisation ist diese Position umstritten, viele Stimmen sehen dadurch dessen Glaubwürdigkeit in Gefahr. Doch hätte eine Legalisierung tatsächlich so gravierende Konsequenzen?
Es gibt wohl wenige so hochsensible Themen wie die Diskussion zum Thema Prostitution und die Positionen dazu sind sehr polarisiert. Darüber hinaus ergreift das Schicksal zahlreicher junger Frauen, die weltweit skrupellosen Menschenhändlern zum Opfer fallen, auf einer sehr emotionalen Ebene, sodass ein differenzierter Diskurs umso schwieriger wird. Eines ist vorweg festzuhalten: Prostitution bleibt in seiner gegenwärtig gängigen Praxis häufig untrennbar mit Verletzung von Menschenwürde, Freiheitsberaubung und Ausbeutung verknüpft. Eine Reaktion, die eine konsequente Bekämpfung solchen Unrechts fordert, ist absolut nachvollziehbar. Vielfach wird das Verbot von Prostitution gefordert, doch ist ein Verbot der richtige Weg?
Gesetzlich festgeschriebene Verbote erzielen nicht immer die erwünschte Wirkung, sondern verlagern das Problem lediglich auf eine andere Ebene. So würde ein Verbot von Prostitution keinen Schutz vor Ausbeutung bieten, sondern die Betroffenen selbst weiter in die Illegalität treiben. Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, erwartet vielmehr eine systematische Diskriminierung, denn sie werden, häufig unter Gewaltandrohung, gezwungenermaßen straffällig. Auf diese Weise geraten sie nur noch weiter in eine Abwärtsspirale, die sie weiter ins soziale Abseits drängt, ohne finanzielle und gesundheitliche Sicherheit. Prostitution wird allerdings auch auf freiwilliger und selbstständiger Basis praktiziert, sowohl von Frauen als auch von Männern. Einige Sexarbeiter*innen erkennen darin sogar eine Berufung und verstehen ihren Job als eine professionelle Dienstleistung. Sexuelle Dienstleistungen gehören seit Jahrtausenden in verschiedenen Formen, seien sie geduldet oder nicht, zum Gesellschaftsbild dazu und werden von allen sozialen Schichten in Anspruch genommen. Ein bloßes Verbot wird dieses Phänomen nicht von der Bildfläche verschwinden lassen – unsere Gesellschaft muss damit leben und einen richtigen Umgang damit erlernen. Eine Legalisierung kann Möglichkeiten eröffnen, von denen viele Seiten profitieren:
Sobald Prostitution als Dienstleistungsberuf anerkannt und als solcher behandelt wird, können sich Sexarbeiter*innen in Berufsverbänden oder Gewerkschaften organisieren und somit effektiver ihre Interessen vertreten. Ein wichtiges Ziel wäre etwa die Festsetzung von Tarifverträgen beziehungsweise eines Mindestlohns, welche den Angestellten ein Mindestmaß an Autonomie und finanzieller Sicherheit einräumen würde. Darüber hinaus wären Sexarbeiter*innen sozial- und krankenversichert und hätten den Anspruch auf eine gesetzliche Rente – zumindest in den meisten westlichen Ländern. Durch eine Legalisierung könnte der Staat außerdem berufliche Mindeststandards bestimmen, die sowohl Angestellte und Freiberufler als auch Klienten gesundheitlich wie rechtlich schützen. Weitere Nutznießer wären die öffentlichen Kassen, die dadurch weitere Steuereinnahmen generieren würden.
Doch bei all den Vorteilen und Fortschritten, die eine Legalisierung mit sich bringen würde, dürfen die Gefahren allerdings nicht übersehen werden: Bislang stehen Frauen immer noch im Mittelpunkt sexistischer Werbekampagnen, in welchen sie lediglich auf ihr Äußeres reduziert werden. Es müssten Vorkehrungen getroffen werden, die solche Werbemaßnahmen bekämpfen, um einer sich verschärfenden Kommerzialisierung entgegenzuwirken. Damit einhergehend bedarf es globaler Projekte, die sowohl in den Schulen als auch im Bereich der Erwachsenenbildung über verschiedene Formen von Sexismus aufklären und dafür sensibilisieren. Dies sind jedoch Schritte, über die erst später diskutiert werden kann. Ganz gleich, wie man sich zur Stellungnahme von Amnesty International positioniert, wurde eine wichtige Debatte in Gang gebracht, die seit langem ruhte und kaum öffentliche Aufmerksamkeit genoss.
18 Kommentare
Kommentare
Holger am Permanenter Link
Die Prostitution wird es auch dann geben, wenn sie verboten wird, aber mir schlimmeren Arbeitsbedingungen - ausserdem sind die Frauen in legalen Clubs viel geschützter, als in irgendwelchen Hinterzimmer Bordellen.
angelika richter am Permanenter Link
Prostitution, nein, Sexarbeit als Dienstleistungsberuf wie jeder andere auch??? Machen ältere Schülerinnen und Schüler bald ihr Berufspraktikum auch im Bordell?
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
Eines, das in dieser Debatte nicht stimmig ist:
viele (nicht alle) menschlichen Männer verwechseln Sex mit Sexualität (Reproduktion).
Wer jetzt auf Bonobos verweist: es gibt nicht nur Bonobos!
Martin am Permanenter Link
Angelika, dieses Szenario ist in der Tat nicht wünschenswert. Allerdings kann ich mir schlimmere Berufe vorstellen als Sexarbeit: Z.B. Soldat, Schlachter oder Bankier.
Olaf Sander am Permanenter Link
Mit Verlaub, Frau Richter, aber Ihr Kommentar ist lediglich nur moralinsaures Gezeter ohne Gehalt.
Eine Welt ohne Prostitution ist, genau wie eine Welt ohne Drogen, eine Illusion. Aber genau so wenig, wie das Militär und die Polizei Spielzeugwaffen in Kindergärten verteilt, werden die RotlichtarbeiterInnen Dildos unter Kindern verbreiten. Und nein, noch nicht einmal die schlimmsten Zuhälter kommen an der allgemeinen Moral vorbei - ganz egal wie lukrativ das Geschäft, ob nun legal oder illegal, auch sein mag.
Dass Frauen, und unter ihnen nicht wenige Minderjährige, also die von Ihnen genannten Kinder und Jugendlichen, missbraucht und gequält werden, weil die Prostitution schon seit jeher von der Politik in die dunklen Dreckecken unserer Gesellschaften gedrängt werden, scheint Sie dagegen nicht aufzuregen.
Vielleicht liegt das daran, dass die vielen, aus armen Ländern stammenden und unter falschen Vorwänden hier her gelockten Mädchen, nicht "unsere Kinder" sind.
Mit der Debatte ist alles in Ordnung, Frau Richter. Nur so mancher Kommentar liegt völlig daneben.
Jana Richter am Permanenter Link
"moralinsaures Gezeter"? Ihr Kommentar ist eine empathielose Dreistigkeit, die allgemein der Grund dafür ist, warum es Prostitution von der Nachfrageseite her überhaupt geben kann.
Eine Welt ohne Mord ist eine Illusion. Finden Sie es moralinsauer, Mord unter Strafe zu stellen? Eine Welt ohne Geisterfahrer ist eine Illusion. Wollen Sie jetzt die Autobahn beidseitig für beide Fahrtrichtungen freigeben, damit sich DER freie Bürger nicht so schrecklich vom Staat gegängelt fühlen muss?
In einer freien Gesellschaft, in der die Würde des Menschen angeblich unantastbar ist, muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass jeder Mensch mit sich selbst und anderen - deren freies Einverständnis vorausgesetzt - machen kann, was er will.
Man lebt schließlich nur einmal.
Dieses freie Einverständnis bedeutet jedoch, dass sich diese Person jederzeit ohne Not auch GEGEN jede dieser Handlungen entscheiden kann.
Dieses "ohne Not" ist in der Prostitution aber nur in sehr vereinzelten Fällen gegeben.
Über die möglichen psychischen Nöte will ich hier nicht lange reden, das ist ein weites Feld, und Sie sind ja schon mit der Unterscheidung von Moral und Empathie überfordert.
Doch in den allermeisten Fällen sind sowieso Armut, Erpressung, Gewalt und auch grenzenlose Naivität zusammen mit der hemmungslosen Nachfrage die Motoren, die Menschen - auch Männer - dazu bringen, ihre Geschlechtsteile einer kostenpflichtigen Nutzungsüberlassung zugunsten Fremder auszuliefern.
Nicht die Frauen und Männer, die auf diese Weise sexuell ausgebeutet werden, sind der Dreck. Sondern diejenigen, die sie ausbeuten, und die allen Ernstes mit Verweis auf die Zahlung eines Entgeltes und ein bisschen Gemurmel von einer angeblich freien Entscheidung die emotionale Zerstörung von Menschen in Kauf nehmen, nur für ein bisschen Selbstbestätigung.
Was ist Humanismus für Sie?
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Prostitution verstößt gegen die Menschenwürde. Zur Prostitution gehört immer Gewalt und Ausbeutung. Es gibt nur eine Lösung dem ganzen ein Ende zu machen.
m am Permanenter Link
„Verbieten, bestrafen.“
Das sind ja immer eine Forderungen, wie sie nur Frauen ausdrücken. Ich habe da diesen Blick drauf: Frauen wollen den Preis für Sexualität so hoch wie möglich halten. Es ist ihre Wahre im Deal der Geschlechter. „Eier sind kostbar, Frauen wollen auch so behandelt werden“.
Prostituierte sind da eine große Bedrohung, sie machen Sex zu einem geringen Preis und folgenlos verfügbar. Es gibt nebenbei auch relativ wohlhabende Prostituierte, die diese Dienstleistung gerne anbieten und auch Spass daran haben (ich selbst habe schon für so eine Frau gearbeitet). Diese Frauen führen ein angenehmes, selbstbestimmtes Leben. Das wird dann gerne ausgeblendet. Ein Hinweis darauf, dass das Schicksal der Sexarbeiter den meisten Frauen herzlich egal ist. Im Gegenteil, vermutlich wünscht man ihnen teilweise alles Schlechte.
Selbstverständlich hat das alles auch dunkle Seiten. Aber darum geht es hier nicht. Ausbeutung und Verschleppung sind bereits Straftatbestände. Da gibt es keinen Handlungsbedarf.
Nebenbei wird in der ganzen Diskussion auch männliche Sexualität übel als unmoralisch diffamiert, dämonisiert, kriminalisiert. DAS ist ein weiteres Problem und hingegen interessiert kaum jemanden.
Auch bin ich gespannt, ob dieser Kommentar es durch die Moderation schafft. Ich sehe hier ja keine Regelverstösse. Schauen wir mal. :)
Bernd Lauert am Permanenter Link
Schokoladenproduktion verstößt gegen die Menschenwürde. Zur Schokoladenproduktion gehört immer Gewalt und Ausbeutung (z.B. auf Kakaoplantagen). Es gibt nur eine Lösung dem ganzen ein Ende zu machen.
Martin am Permanenter Link
Der Autor schreibt, daß die Debatte ruhte, aber diesen Eindruck habe ich nicht.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Es gibt drei Grundbedürfnisse jedes Lebewesens, die bei Unerfüllbarkeit auch nur eines Punktes zum Untergang des Individuums oder sogar der Art führen: 1. Nahrungsaufnahme, 2. Schutz vor Feinden, 3.
1. ist am unkritischsten, dafür hat jeder Verständnis - auch, wenn das Nahrungsangebot z.B. in Restaurants gestillt wird. Ein sozialer Staat wird seine Bürger auch im Fall der Not hierin versorgen.
2. hat der Rechtsstaat seinen Bürgern fast völlig aus der Hand genommen (bis auf Notwehr), den generellen Schutz hat er in die Hände von Polizei und staatlich gelenktem Militär gelegt.
3. Die Fortpflanzung obliegt weder einer Pflicht, noch einem Verbot. Allerdings wird rechtsstaatlich auf die Erfüllung gewisser Mindeststandards geachtet: 1. das richtige Alter und 2. Freiwilligkeit.
Kulturelle/religiöse Traditionen haben auch primär diese drei Bereiche reglementiert:
1. Es gibt viele Speisegesetze (was, wann, wie) und eine indifferente Positionierung zu Rauschmitteln.
2. Auch hier ist wegen des Dualismus alles möglich: von der Vernichtung Gruppenfremder bis zur Nächstenliebe der Gruppenmitglieder.
3. Dies ist am extremsten reglementiert: Sexualität dient ausschließlich ihrem biologischen Zweck, nämlich der Fortpflanzung, während die emotionale Komponente (die z.B. bei Homosexualität die einzige Komponente ist) nicht befriedigt werden sollte (Sünde).
Jetzt dient aus emotionaler Sicht die Arbeit von Sexarbeiterinnen ausschließlich der Bedürfnisbefriedigung ihres Kunden. Ganz klar, dass dies traditionell/religiös auf totale Ablehnung stoßen muss.
Der Staat müsste sich hier neutraler verhalten, weil er eigentlich nur auf Alter und Freiwilligkeit achten muss.
Doch während weder Restaurants (Bedürfnis 1) oder Polizei/Militär (Bedürfnis 2) verboten sind, wird über "Fremdhilfe" durch Sexarbeiterinnen (Bedürfnis 3) gestritten. Warum eigentlich? Zunächst ist durch ein striktes Verbot die sexuelle Dienstleistung nicht zu verhindern, genauso, wie Rauschmittel (Zigaretten, Alkohol, Haschisch, Kokain, etc.) durch deren Verbot nie zu verhindern wären. Was sich jedoch in Zeiten des Verbot entwickelt, ist eine kaum zu kontrollierende Parallelgesellschaft. Würden z.B. Polizei und Militär verboten, würde dies nicht zu einer friedlicheren Gesellschaft führen, sondern zur Zunahme der Selbstjustiz. Verbote harter Drogen führten zur Drogenkriminalität (Beschaffung, Transport, Verkauf), so, wie die Prohibition in Amerika mafiöse Strukturen gefördert hat. Das strikte Verbot von Sexarbeit fördert die Ausbeutung von Frauen (die, da sowie illegal, dann auch illegal jung sein können). Bezahlung, Qualität, hygienische Standards und Sicherheit können nicht überprüft werden, da die Tätigkeit an sich illegal ist - nach illegal kommt nur noch scheißegal.
Also muss die Frage geklärt werden, ob sich für Frauen etwas Grundsätzliches ändern würde, wenn ihre Arbeit als normale Arbeit (wie Koch oder Polizist) anerkannt wäre. Ich halte fest: Eine über 18 Jahre alte Frau darf sich rechtstaatlich gesehen mit jedem Menschen, der auch über 18 Jahre alt ist (theoretisch ist das Alter sogar 16 Jahre), zu sexuellen Abenteuern treffen. Solange dies für alle beteiligten Parteien auf freiwilliger Basis geschieht. Der Sex zwischen erwachsenen Menschen ist also zunächst weder strafbewehrt noch offenbar schädlich für eine der Parteien - also auch nicht für die Frau.
Eine volljährige Frau darf auch so viele Sexpartner haben, wie sie will. Es gibt hier keine gesetzliche Regelung. Kochen darf auch jeder und man darf sich sogar zum Koch ausbilden lassen und irgendwann völlig wildfremde Menschen als bezahlter Koch verköstigen. Jeder, der gerne Menschen beschützt, darf Polizist werden, um Menschen zu beschützen - gegen Bezahlung. Warum ist es also abzulehnen, wenn eine Frau für etwas, was sie ohne Bezahlung völlig legal darf, Geld bekommt?
Da Sexualität eine der drei Grundbedürfnisse ist, die wir mit allen Lebewesen teilen, führt deren Verbot als Ware nicht dazu, dass die Ware dann nicht mehr nachgefragt und entsprechend angeboten wird, sondern das Verbot öffnet lediglich Türen für Kriminalität: Beschaffung von Frauen aus dem Ausland, Zwangsprostitution, rechtsfreie Räume für Freier und Sexarbeiterinnen etc.
Meiner Meinung nach sollte grundsätzlich alles, was aufgrund menschlicher Grundbedürfnisse sowie nicht zu verhindern, sondern nur zu verbieten ist, legalisiert werden, um dann mit entsprechender Gesetzgebung die jeweiligen Gebiete so abzusichern, dass niemand darin zu Schaden kommt.
Extremes Beispiel: Wäre Mord ein Grundbedürfnis (sehr diffus aus Bedürfnis 2 [Schutz] abzuleiten) und würde dieser legalisiert, dann würde allerdings ein entsprechendes Gesetz die Ausübung verhindern, weil hierbei eine Person (das Mordopfer) zu Schaden käme.
Und jetzt Hand aufs Herz: Wer hätte ernsthaft damit Probleme, wenn eine Frau, die für sich Sexarbeit als adäquaten Job erkannt hat (Spaß muss eine Arbeit nicht unbedingt machen oder ist z.B. Lagerarbeit emotional erfüllend?) unter guten Arbeitsbedingungen damit ihren Lebensunterhalt verdient? Ich hätte damit keine Probleme, auch wenn ich diese Dienstleistung nicht in Anspruch nehmen würde. Aber das kann kein Maßstab sein.
Würde dies nicht die gesamte Situation entspannen und langfristig Frauen aus dieser Schmuddelecke holen, in die sie Tradition/Religion und Gesetzgeber geschoben haben? Es gibt viele Arbeitsplätze, die körperlichen Einsatz voraussetzen: Bauarbeiter, Sportler, fast alle handwerklichen Arbeiten. Warum nicht auch im Bereich des Unterleibs?
Mir schwebt eine Gesellschaft vor, in der Frauen alle Chancen auf freie Berufswahl haben und eben nicht zur Prostitution gezwungen werden können. Oder in der sie umschulen können, wenn sie warum auch immer diesem Gewerbe eine Zeitlang nachgegangen sind. So könnte sie Vorstandsmitglied in einem DAX-Unternehmen werden, aber auch Sexarbeiterin.
Was wäre an dieser Welt schlimm?
RIccardo am Permanenter Link
Danke für diesen absolut zutreffenden Beitrag!
Jana Richter am Permanenter Link
Körperlicher Einsatz, warum nicht auch im Bereich des Unterleibs?
Wenn das alles ein und dasselbe ist und irgendwie völlig egal, könnten Sie statt Jeans und T-Shirt beim nächsten Restaurantbesuch ja lieber Kniestrümpfe und Mütze anziehen, vielleicht kommen Sie dann leichter auf ein Verständnis, dass es eben nicht egal ist, ob Sie einem Kunden Ihre Fremdsprachenkenntnisse zum Übersetzen, Ihre Muskelkraft zum Hochziehen einer Mauer oder Ihren Mund oder Anus zum Penetrieren durch einen fremden Penis anbieten.
Ihre Auflistung der menschlichen Grundbedürfnisse ist auf die körperlichen Bedürfnisse reduziert, und selbst dabei fehlen noch Atmung, Ausscheidung und Schlaf.
Jeder Mensch hat aber auch soziale Grundbedürfnisse, und dazu zählt zuerst der Respekt! Der Respekt vor den Grenzen des persönlichen und des intimen Bereichs (Nur zur Info: es wären auch menschlicher Kontakt, Nähe, Kommunikation, Abgrenzung, Bestätigung u.v.m. dabei.) Worauf könnte mir die Tatsache, dass Sie diesen Bedürfnissen offensichtlich nicht die geringste Bedeutung beimessen, wohl Hinweis sein?
Warum glauben Sie, dass das Grundbedürfnis nach Sexualität eines Menschen das Grundbedürfnis nach Intimsphäre eines anderen Menschen überwiegt?
Das Grundbedürfnis nach Sexualität kann man auch allein ausleben. Oder ist vielleicht das halbe Land beidseitig armamputiert?
Prostituierte scheinen für sie auch grundsätzlich Frauen zu sein.
Wie kommen Sie darauf?
Haben Sie eine Tochter?
Möchten Sie ihr ein Umfeld zumuten, in der ihresgleichen allgegenwärtig als gebrauchsfertige, willige Ware ausgestellt wird?
Ich finde es erschreckend und bezeichnend, wie eiskalt auf dieser Seite von Männern über Frauen geschrieben wird.
Und ich bin froh, dass die meisten Frauen nicht mehr dem Anbiederungsreflex verfallen, sich pro Prostitution zu positionieren, nur um auf gar keinen Fall als moralinsauer, verbiestert oder neidisch zu gelten. Das funktioniert zum Glück nicht mehr.
Wem die Verteidigung der Würde des Menschen als moralinsauer gilt, müsste eigentlich für die Abschaffung von Artikel 1 unseres Grundgesetzes demonstrieren.
Auf geht's, Jungs!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Liebe Frau Richter,
Sie haben mich entweder missverstanden oder Sie wollten mich missverstehen.
"Der Respekt vor den Grenzen des persönlichen und des intimen Bereichs. Worauf könnte mir die Tatsache, dass Sie diesen Bedürfnissen offensichtlich nicht die geringste Bedeutung beimessen, wohl Hinweis sein?"
Ich weiß ehrlich nicht, woraus Sie den geringsten Hinweis ableiten, ich würden diesen Bedürfnissen keine Bedeutung beimessen.
"Warum glauben Sie, dass das Grundbedürfnis nach Sexualität eines Menschen das Grundbedürfnis nach Intimsphäre eines anderen Menschen überwiegt?"
Wie kommen Sie darauf, dass ich das so sehen würde?
"Das Grundbedürfnis nach Sexualität kann man auch allein ausleben."
Ist das die ideale Welt, von der Sie träumen?
"Prostituierte scheinen für sie auch grundsätzlich Frauen zu sein."
Das Verhältnis ist aufgrund biologischer Faktoren wohl unübersehbar zugunsten (für Sie: zu Ungunsten) der Frauen verschoben. Als Mann kann ich Ihnen glaubhaft versichern, dass es nicht einfach ist, eine Partnerin zu finden. Zu "meiner Zeit" bin ich genau Null mal von Frauen "eindeutig" angesprochen worden. Umgekehrt soll dies schon des Öfteren vorgekommen sein.
"Haben Sie eine Tochter?
Möchten Sie ihr ein Umfeld zumuten, in der ihresgleichen allgegenwärtig als gebrauchsfertige, willige Ware ausgestellt wird?"
Sie haben nicht verstanden, worauf ich hinauswollte.
Leugnen Sie, dass es Interesse von Männern an Sexarbeiterinnen gibt?
Leugnen Sie, dass es Frauen gibt, die diese Dienste freiwillig anbieten?
Wenn Sie beide Fragen verneinen (alles andere ließe lediglich auf Ihre Uninformiertheit schließen), dann sollten wir an einem Strang ziehen und die Bedingungen für Sexarbeit so gestalten, dass sie Menschenwürde und Freiwilligkeit garantieren. Eine verbotene Sexarbeit ist eine illegale Sexarbeit, keine nicht stattfindende. Jegliche Form von Illegalität (so sie auf einem Grundbedürfnis basiert) erzeugt einen Schwarzmarkt, der sich im kriminellen Milieu ansiedelt. Hier wird mit den üblichen Repressionen gearbeitet, abgeschottet in einer Parallelgesellschaft.
Wollen Sie das?
Wenn Sie auch diese Frage verneinen, dann bleibt doch nur die Möglichkeit, dass Bedingungen geschaffen werden, unter denen sichergestellt werden kann, dass keine einzige Frau oder Tochter gegen ihren erklärten Willen zur Sexarbeit gezwungen werden kann.
Es gibt nämlich auch beim Bauarbeiter einen wesentlichen Unterschied: Wenn er freiwillig seine schwere Arbeit verrichtet, dann ist das okay, falls er jedoch als Arbeiter versklavt wird und diese Arbeit eigentlich gar nicht ausführen möchte, dann ist das illegal.
Und möchten Sie allen Frauen der Welt vorschreiben, dass sie mir ihrem Unterleib kein Geld verdienen DÜRFEN? Deshalb: Versklavung nein! Freiwilligkeit ja!
Alles andere wäre die negative Form der Versklavung: Das entschädigungslose Arbeitsverbot! Denken Sie darüber mal nach.
Erich Faller am Permanenter Link
Prostitution und Menschwürde
Gestern morgen (in einem 5 Sterne Hotel außerhalb Europas) bekamen meine Frau und ich unfreiwillig mit, wie eine Dame sich über mangelnde Hygiene in Ihrem Bad beschwerte. Die Putzfrau wurde von ihr ziemlich unflätig beschimpft, weil sie wohl zu doof sei, Dreck zu erkennen und zu beseitigen.
Gestern abend saß diese Frau mit einer anderen Dame am Nebentisch im Hotelrestaurant und sie empörten sich gegenseitig über Prostitution, Verletzung von Menschwürde etc, wie es Kirchen und Moralisten so tun.
Ich mischte mich ein und fragte, was die Prostituierten denn stattdessen machen sollten? Putzfrau im Hotel und sich dann von einer reichen Frau runtermachen lassen? "Yes madam, of course madam, really sorry madam..." Ob das menschenwürdig sei?
Die beiden flippten völlig aus, als sich meine Frau ebenfalls einmischte und berichtete, sie sei Prostituierte gewesen, sie haben nie lesen und schreiben gelernt und ja, manchmal habe ihr die Sex-Arbeit Spaß gemacht und manchmal nicht. Wie wahrscheinlich jede andere Arbeit auch. Aber sie würde sich niemals so runterputzen lassen, wie die arme Putzfrau im Hotel. DAS sei menschenunwürdig.
Naja, eine Diskussion kam nicht mehr zustande, wir sind gegangen, uns war der Appetit vergangen.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Dies Positionspapier von Amnesty International ist wichtig und unterstützenswert; denn Legalisierung der Prostitution ist das einzige Mittel, um gegen Korruption, Unterdrückung und Menschenhandel in diesem Bereich vor
Wolfgang am Permanenter Link
Hier handelt es sich um das älteste Gewerbe der Welt. Und das wird sich nicht wegbeten lassen. Legalisierung wäre auch der richtige Weg. Aber mit Augenmaß!
pavlovic am Permanenter Link
In den 90er Jahren belegte ich am politikwissenschaftlichen Institut in Gießen ein Seminar von Feministinnen zum Thema Prostitution.