Die religiös legitimierte Sexindustrie im Iran boomt

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Religiös legitimierte sexuelle Dienstleistungen werden im Rahmen der "Muta"-Ehe, auch "Sighe" genannt, über Onlineplattformen angeboten. Geschlossen wir sie oft nur für eine Stunde. Die Bezahlung erfolgt in der Regel über das Konto des Webseitenbetreibers, wobei das Geld für eine codierte Person hinterlegt wird. Auch Langzeitverträge sind möglich, mit entsprechend höheren Monatsgebühren. So wird Prostitution religiös geadelt und bekommt einen frommen Anstrich hinter einer unheiligen Fassade für ein scheinbar verbotenes Geschäft.

Die Frau sagt: "Ich habe mich selbst dir zur Ehefrau gegeben, für eine bestimmte Dauer und mit einem festgelegten Brautgeld." Der Mann antwortet: "Ich habe es akzeptiert." Und der Mullah segnet es ab. Manchmal läuft das inzwischen sogar nur noch digital.

Im Iran eröffnet die religiös legitimierte Praxis der temporären Ehe Männern den Zugang zu einer informellen Sexökonomie, die sich hinter dem Deckmantel religiöser Legitimität etabliert hat.

Ein legalisierter Markt der Ausbeutung

Die Sighe-Ökonomie hat sich von vereinzeltem Betrug zu einem strukturellen Markt entwickelt, religiös legitimiert, wirtschaftlich profitabel und weitgehend ungestraft.

Zwar werden Sighe-Websites gelegentlich von den Behörden gesperrt, doch ihre Zahl nimmt nicht ab, im Gegenteil: Die Angebote mehren sich. Betrüger nutzen die Grauzonen gezielt aus. In vielen Fällen kommen weder die Männer noch die Frauen, die solche Dienste in Anspruch nehmen oder anbieten wollen, tatsächlich zum Zug: Die Betreiber kassieren das Geld und verschwinden spurlos im digitalen Raum.

Zeitehen werden zunehmend online vermittelt. Die entsprechenden Websites sind oft mit Koranversen verziert und präsentieren sich religiös legitimiert. In Wirklichkeit handelt es sich um ein lukratives Geschäft, vor allem für muslimische Männer. Benachteiligt und häufig instrumentalisiert werden die Frauen. In diesen Online-Netzwerken erhalten zahlende Nutzer Zugang zu Kontaktinformationen wie Telefonnummern und E-Mail-Adressen anderer Nutzer. Die meisten Profile sind gefälscht. Ein System, das Anonymität verspricht.

Die rechtlich geregelte religiöse Praxis erlaubt es den frommen Männern: Auswählen, bezahlen, treffen, so funktioniert die temporäre Ehe. Männer müssen dabei kaum Vorschriften beachten. Nach Ablauf der vereinbarten Dauer endet die Verbindung automatisch, ganz ohne Scheidungsformalitäten.

Die Betroffenen sehen sich schutzlos. Die einen, weil sie nicht bereit sind, sich wegen Beteiligung am Sexhandel selbst zu belasten, die anderen, meist Frauen, weil sie in einem Umfeld agieren, in dem staatlicher Schutz fehlt. Was als schneller Zugang zu religiös gedeckter Sexualität beworben wird, endet nicht selten im Betrug, mit Geldverlust, Täuschung und der Angst davor, Anzeige zu erstatten.

Zwang statt Wahl: Frauen in der ökonomischen Falle

Für viele geschiedene oder alleinstehende Frauen stellt der Einstieg in temporäre Ehen keinen freiwilligen Akt dar, sondern ist oft das Ergebnis existenziellen Drucks. In einem Land, in dem der Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen systematisch erschwert wird, staatliche Unterstützung kaum existiert und gesellschaftliche und geschlechtsspezifische Stigmatisierung allgegenwärtig ist, bleibt vielen Betroffenen kaum eine andere Wahl. Ohne geregeltes Einkommen und ohne soziale Absicherung sind sie gezwungen, irgendeinen Weg zu finden, um die Miete zu zahlen und den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu sichern. Die sogenannte Sighe wird so, trotz religiöser Fassade, zu einer ökonomischen Überlebensstrategie unter Zwang. Was als Zweck-Ehe auf Zeit verharmlost wird, ist für viele nichts anderes als ein institutionalisiertes Ausbeutungssystem, das auf Kosten der Verletzlichsten funktioniert.

Der Heuchelei sind im Gottesstaat keine Grenzen gesetzt. Offiziell schreibt das islamische Recht vor, dass eine Frau nach einer Zeitehe eine viermonatige Wartezeit einhalten muss. Sie darf also theoretisch höchstens drei solcher temporären Ehen im Jahr eingehen. Für Männer hingegen gilt diese Einschränkung nicht: Sie können täglich eine neue Sighe schließen, und manche muslimischen Männer, die Geld haben, tun es wohl auch. Geradezu aus religiöser Überzeugung.

In der Praxis des islamischen Systems wird diese Diskrepanz ignoriert. Männer und Frauen gehen, sofern gewünscht oder gezwungen, täglich neue temporäre Ehen ein. Besonders zynisch wirkt dabei die interne Bezeichnung für aufeinanderfolgende Kurzzeitehen: "Sandwich-Sighe". Der Begriff steht sinnbildlich für eine Art religiös legitimiertes "Fastfood" in Sachen Sexualität. Schnell, anonym, wiederholbar.

Bemerkenswert ist, dass diese Form der temporären Ehe nicht etwa eine religiöse Randerscheinung ist, sondern im islamischen Zivilrecht der totalitär verfassten Diktatur gesetzlich verankert ist. Die Ungleichbehandlung der Geschlechter ist somit nicht nur kulturelle Realität, sondern juristisch kodifiziert, im Zentrum eines Systems, das religiöse Legitimität mit systemischer Diskriminierung verbindet. Die Kinderehe im Gottesstaat ist legal: Nach dem Gesetz der Islamischen Republik liegt das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen bei 13 Jahren, für Jungen bei 15 Jahren. Auch Personen unterhalb dieser Altersgrenzen dürfen mit Zustimmung des Vormunds "im Sinne des Kindeswohls" und mit richterlicher Genehmigung verheiratet werden.

Von der "Armee des Islam" zum Geburtenrückgang

Doch dauerhafte Eheschließungen befinden sich auf dem Rückzug. In den 1980er Jahren verfolgte Ayatollah Ruhollah Khomeini im Iran eine aktiv pronatalistische Politik. Nach der Islamischen Revolution von 1979 und insbesondere während des Iran-Irak-Krieges betrachtete das Regime ein rasches Bevölkerungswachstum als strategischen Vorteil. Khomeini forderte iranische Familien öffentlich dazu auf, viele Kinder zu bekommen, um eine "Armee des Islam" aufzubauen. Die Geburtenrate stieg damals deutlich an.

Um der alternden Bevölkerung und der zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheit zu begegnen, hat die iranische Führung in den vergangenen Jahren erneut Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate ergriffen, meist für Theologiestudenten. Das Ziel ist die gesellschaftliche Konformität zu steigern.

Demografisches Dilemma im Gottesstaat: Heiraten auf dem Rückzug

Es sind nicht allein ökonomische Gründe, die hinter dem demografischen Wandel im Iran stehen. Die politischen Führer der Islamischen Republik weigern sich, anzuerkennen, dass ihre repressiven Gesetze, insbesondere jene, die Frauen systematisch benachteiligen, auch ein emanzipiertes Familienleben verhindern.

Millionen junge Iranerinnen und Iraner im heiratsfähigen Alter befinden sich in einem demografischen "schwarzen Loch", heißt es oft in den iranischen Medien: Viele wollen nicht heiraten, aus Überzeugung oder Protest, andere können es sich schlicht finanziell nicht leisten.

Trotz dieser Realität betonen Vertreter des Regimes immer wieder die Notwendigkeit, die Geburtenrate zu steigern. Diese Forderungen wirken angesichts der tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme zunehmend realitätsfern. Fachleute verweisen darauf, dass gerade die wirtschaftliche Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Inflation und Wohnungsnot zu einem drastischen Rückgang von Eheschließungen und Geburten geführt haben.

Iranische Frauen heiraten heute im Durchschnitt mit 24 Jahren, Männer mit 28. Laut iranischen Demografen ist die Zahl der Eheschließungen zuletzt um etwa sechs Prozent zurückgegangen, ein Trend, der sich trotz staatlicher Appelle weiter fortzusetzen scheint.

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