BERLIN. (hpd) Bundesweit ist eine enorme Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten in der Bevölkerung, in Organisationen und Kirchengemeinde festzustellen, auch wenn medial der rechtsradikale Mob die Schlagzeilen beherrscht. Mittlerweile scheint die Politik – spät – begriffen zu haben, dass gegen die ausländerfeindlichen Hassprediger, die immer stärker Hasstaten verüben oder solche zumindest befördern, wirksamer vorgegangen werden muss.
Mit der Errichtung von "Sicherheitszonen" rund um Flüchtlingsheime unternimmt Sachsen jetzt einen richtigen Schritt. Es ist unerträglich, dass Menschen – die gerade mal ihr Leben haben retten können, jetzt von Horden kaputter Typen, oftmals besoffen, grölend belagert und schikaniert, ja bedroht werden. Ein Lichtblick: die Gegendemonstranten, die für die Menschenrechte einstehen.
Was die Bereitschaft zur Hilfe angeht, so ist es merkwürdig still bei den konservativ-orthodoxen Islamverbänden. Empathie für Bürgerkriegsflüchtlinge? Offenbar nicht vorhanden. Wahrscheinlich haben DITIB und milli görüs derzeit anderes zu tun – zum Beispiel den nächsten Wahlkampf in der Türkei – pro Erdogan – für eine weitergehende Islamisierung zu vorzubereiten. Islamisierung ist eben manchen Leuten wichtiger als Hilfe für Flüchtlinge.
Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland, hat es deutlich ausgesprochen: "Während in jeder politischen Gesprächsrunde die muslimischen Verbände und Moscheen Solidarität und Offenheit von anderen einfordern würden, ducken sie sich bei den Flüchtlingen weg und überlassen sie den 'Herkunftsdeutschen'." Seine Vermutung ist, dass die Islamverbände und auch die Moscheegemeinden die Flüchtlinge aus muslimischen Ländern als "Verräter an der Religion ansehen, die die jahrelange Imagearbeit über ein Islam des Friedens und des Wohlwollens gefährden, indem sie mit ihrer Flucht der Öffentlichkeit die tatsächliche humanitäre Katastrophe in diesen Ländern vor Augen führen." Auch bei Protesten gegen den Mob träten sie nicht in Erscheinung und überließen anderen die Gegenwehr.
Es scheint, dass die konservativ-orthodoxen Islamverbände in der deutschen Zivilgesellschaft noch nicht angekommen sind. Von denen, die mit Erdogan und Co. zusammenarbeiten, wird dies aber auch niemand ernsthaft erwarten.
8 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dann täuscht mich mein Eindruck nicht...
Aber vermutlich liegt es daran, dass das Ganze nichts mit Religion zu tun hat. Leider hat aber offenbar auch Religion hin und wieder nichts mit simpler uneigennütziger Mitmenschlichkeit zu tun.
David am Permanenter Link
Da kann ich nicht ganz folgen.
Angenommen, die Vermutung ist richtig und die Verbände fürchten tatsächlich um das Imagebild es Islam (eine Erklärung, die empirisch betrachtet ja gar nicht so abwegig ist), was sie wiederum von einem anderen Handeln abhält, dann hat dieses Verhalten sehr wohl etwas mit der Religion zu tun.
Pressestelle DITIB am Permanenter Link
„Flüchtlinge nicht instrumentalisieren“
Es ist sehr bedauerlich, dass das traurige Schicksal von tausenden Menschen auf diese Weise für völlig überflüssige verbandspolitische Grabenkämpfe instrumentalisiert wird, sagte direkt nach dem Bericht der Koordinator der Landesverbände der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag. Offensichtlich ist dies Ihrer Aufmerksamkeit entgangen oder schien nicht in Ihr Argumentationsmuster zu passen.
Der zitierte Vorsitzende hatte islamische Religionsgemeinschaften und Moscheen am Donnerstag „keinerlei Interesse und Engagement“ in der Flüchtlingshilfe vorgeworfen. Zwar setzten sich viele Menschen ehrenamtlich ein. „In der konkreten Betreuung und ehrenamtlichen Arbeit vor Ort oder bei den Protesten gegen flüchtlingsfeindliche Aufmärsche Rechtsradikaler“ seien die Islamverbände und örtliche Moscheen aber „kollektiv völlig abgetaucht“.
BLÖDSINN!
Viele Moscheegemeinden setzen sich mit hohem Engagement für Flüchtlinge vor Ort ein: mit Sach- und Kleiderspenden, Hilfspaketen, Besuche in Flüchtlingsunterkünften oder Hilfe im Alltag. „Sie tun dies im Selbstverständnis, Teil der deutschen Gesellschaft und damit verantwortlich für die Aufnahme und Unterstützung bedürftiger Menschen zu sein“, so der DITIB-Vertreter. Unzählige Moscheegemeinden haben zudem im Ramadan zur Versorgung und Unterstützung von Flüchtlingen beigetragen.
Dieses Engagement von Ehrenamtlichen zu diffamieren, zeugt „von einer völligen Unkenntnis der tatsächlichen Lage oder von einem sehr schlechten Stil“, sagte Kayman weiter. Zudem gehörten laut den Vereinten Nationen mehrheitlich muslimisch geprägte Länder zu den größten Aufnahmeländern für Flüchtlinge, darunter die Türkei, Pakistan und der Libanon.
DITIB wirbt für einen gemeinsamen Einsatz, um die bestehenden Hilfsangebote zu verbessern und auszuweiten. Dies steht allen Verbandsvertretern besser zu Gesicht. Hierzu gehöre auch Solidarität unter den Akteuren: „Seit Beginn des Jahres 2015 sind nicht nur über 200 Flüchtlingsunterkünfte Ziel von extremistischen Angriffen geworden, sondern auch Dutzende Moscheen – dazu hat man von Herrn Toprak bislang gar nichts Solidarisches gehört.“ (Quelle: KNA, iQ)
ps.: Von Ihnen Herr Otte übrigens auch nicht!
Pressestelle DITIB
Clari Monde am Permanenter Link
Von DITIB habe ich weit und breit nichts wahrnehmen können.
Pressestelle DITIB am Permanenter Link
Und hier die Antwort auf den unsäglichen Vorwurf in voller Länge.
Stellungnahme des Koordinators der Landesverbände, DITIB Bundesverband, Murat Kayman:
„Es ist sehr bedauerlich, dass die Flüchtlingsthematik und damit das traurige Schicksal von tausenden Menschen durch den Bundesvorsitzenden der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Herrn Ali Ertan Toprak, für völlig überflüssige verbandspolitische Grabenkämpfe instrumentalisiert wird.
Viele Moscheegemeinden setzen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit hohem Engagement für Flüchtlinge ein. Sie tun dies im Selbstverständnis, Teil der deutschen Gesellschaft und damit verantwortlich für die Aufnahme und Unterstützung bedürftiger Menschen zu sein. Sie helfen durch Sach- und Kleiderspenden, durch die Bereitstellung von Hilfspaketen, durch den Besuch von Flüchtlingsunterkünften, durch die Hilfe im Alltag und in der Freizeitgestaltung für junge Flüchtlinge.
Unzählige Moscheegemeinden haben im Ramadan über Wochen hinweg durch offene Iftarangebote zu der Versorgung und Unterstützung von Flüchtlingen beigetragen und ihnen – gleich welcher Religion sie angehören, gleich woher sie kommen – ein Gefühl der Gemeinschaft und der nachbarschaftlichen Solidarität vermittelt. Gleichzeitig haben sie durch Iftarabende an öffentlichen Plätzen ihrer Stadtgemeinden dazu beigetragen, dass Flüchtlinge sich nicht nur in Moscheegemeinden willkommen fühlen, sondern dass sie in ihren neuen Heimatstädten als Teil der Stadtgesellschaft Aufnahme und Anerkennung finden.
Dieses vorbildliche Engagement vollkommen ehrenamtlich tätiger Menschen in den Moscheegemeinden als „Wegducken“ zu diffamieren, zeugt von einer völligen Unkenntnis der tatsächlichen Lage oder von einem sehr schlechten Stil.
Vollständig surreal erscheint die Aufforderung an die „muslimische Welt“ nach mehr Solidarität, da Europa diese Herausforderung nicht allein schultern könne. Nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe gehören mehrheitlich muslimisch geprägte Länder zu den größten Aufnahmeländern für Flüchtlinge im Jahr 2014: Die Türkei mit fast 1,6 Mio. Flüchtlingen, Pakistan mit über 1,5 Mio., der Libanon mit fast 1,2 Mio., der Iran mit fast 1 Mio. und Jordanien mit mehr als 650.000 Flüchtlingen. Dem gegenüber fanden 626.000 Menschen Zuflucht in ganz Europa.
Angesichts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dieser Länder erscheinen die Äußerungen des Herrn Toprak von Unkenntnis getragen oder sachfremd motiviert zu sein.
Jedenfalls ist die Flüchtlingsproblematik zu ernst und die Not der auf Hilfe angewiesenen Menschen zu groß, als dass man sie für verbandspolitische Winkelzüge missbrauchen sollte. Es stünde allen Verbandsvertretern besser zu Gesicht, sich gemeinsam dafür einzusetzen, die bestehenden Hilfsangebote zu verbessern und auszuweiten. Hierzu gehört auch eine Solidarität unter den Akteuren selbst. Denn seit Beginn des Jahres 2015 sind nicht nur über 200 Flüchtlingsunterkünfte Ziel von extremistischen Angriffen geworden, sondern auch Dutzende Moscheen – dazu hat man von Herrn Toprak bislang gar nichts Solidarisches gehört.“
Markus Hartmann am Permanenter Link
Ihr Eindruck täuscht nicht.
Und an die Adresse der DITIB: In diesem Zusammenhang von "Blödsinn" zu sprechen offenbart im Angesicht der massiven Probleme eine Geisteshaltung, zu der ich mich besser nicht äußere.
Pressestelle DITIB am Permanenter Link
Vielleicht interessieren Sie sich auch für einen etwas anderen Blick.
Anbei der Link auf einen Lesenswerten Artikel diesbezüglich. Es ist eindeutig besser, miteinander, statt nur übereinander zureden...
Was tun Muslime für Flüchtlinge?
Das Leid der Flüchtlinge beginnt in der Heimat, wächst bei der Flucht und kennt in Deutschland meist kein Ende. Hilfe und Beistand ist gefragt. Doch wer hilft? Esra Lale sprach mit Vertretern der Islamischen Religionsgemeinschaften.
http://www.islamiq.de/2015/08/27/was-tun-muslime-fuer-fluechtlinge/
Markus Hartmann am Permanenter Link
Für ein "miteinander reden" bin ich immer, lehne das aber ab, wenn a priori mit "Blödsinn" "argumentiert" wird, vor allem vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen hier vor Ort.