Es ist richtig übel, wenn selbst einige Mitglieder demokratischer Parteien rechte Verschwörungsmythen verbreiten. Besonders, wenn es sich dabei um das Personal an der Spitze handelt. Die aktuelle Drogen- und Ernährungspolitik sowie die Offenheit gegenüber dem Gendern sollen laut einiger Persönlichkeiten von konservativ bis ganz rechts außen regelrechte "Umerziehungsmaßnahmen" sein. Und der Bundesregierung bestehend aus SPD, Grünen und FDP soll es angeblich nur um Zwänge und nicht auch um Freiheiten gehen. Einer Faktenprüfung halten diese Annahmen jedoch nicht stand.
Von der ideologischen Drogenprohibition, die die Bürger:innen bevormundet hat, wird nun allmählich Abstand genommen. Zum Beispiel soll jede:r Erwachsene frei entscheiden können, ob er:sie Cannabis konsumieren möchte. Eine durch und durch begrüßenswerte Sache, schließlich ist jenes etwa nicht tödlicher als die Droge Alkohol. Beide können bei übermäßigem Konsum – vor allem in jungen Jahren – zwar fatale Konsequenzen haben. Doch dass die eine Droge bislang verteufelt wurde und die andere nicht, entbehrte jeglicher sachlichen Grundlage.
Unser Landwirtschaftsminister empfiehlt der Bevölkerung im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, im Schnitt etwas weniger Fleisch zu essen. Das schont das Klima und ist obendrein auch noch gut für die Gesundheit. Die von Rechten befürchtete Zwangsveganisierung blieb aus. Aus deren Sicht mit Blick auf die nächsten Wahlen nachvollziehbarerweise ein ärgerlicher Umstand. Doch in Zeiten der Hochkonjunktur von Fake News, Verschwörungsmythen und Querdenken ist es äußerst unklug, entgegen tatsächlicher Begebenheiten rechte Narrative zu reproduzieren.
Auch beim Gendern gilt weiterhin die Faustregel: Wer dies tun möchte, soll es tun. Wer nicht gendern mag, soll es bleiben lassen.
Dass aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse immer mehr Menschen gendern und zum Beispiel auch staatliche Institutionen dazu übergehen, wird im Wert auch nicht dadurch geschmälert, dass aktuell noch eine Mehrheit der Bevölkerung Schwierigkeiten damit hat. Gemäß des Tenors von Markus Söder und seinen Parteikolleg:innen klingt es jedoch fast so, als solle ernsthaft mit einem Zwang gegen begrüßenswerte gesellschaftliche Entwicklungen gearbeitet werden. Zumal die Ansage, dass sich jede:r fragen sollte, ob er:sie eine möglichst diskriminierungsfreie Sprache oder eben das Gegenteil davon nutzen will, keine "Umerziehung" ist, sondern "Aufklärung". Den Bürger:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Entscheidungen möglichst aufgeklärt und selbstbestimmt treffen zu können, ist zeitgemäß und nennt sich sinnvolle Politik. Dagegen zu agitieren, ist hingegen ein Anzeichen von nostalgischer Verklärung der Vergangenheit und des Ignorierens des wissenschaftlichen Fortschritts.
Solch rückständige und kontrafaktische Aussagen, wie jene jüngst von Herrn Söder, die deckungsgleich mit jenen der rechten Verschwörungsideolog:innen sind, sind gefährlich, da sie Teile der Bevölkerung aufwiegeln und die Fake-News-Verbreiter:innen jeglicher Couleur unterstützen. Wenn das der Auftakt für künftige Wahlkämpfe sein sollte, werden wir uns nicht wundern dürfen, weshalb Reichsbürger:innen und Co. ausrasten und Gewalt gegen Menschen ausüben wollen.
19 Kommentare
Kommentare
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ein kurzer Blick in Wikipedia bestätigt, wie infam der Gebrauch dieses Wortes ist.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das ein Politiker, welcher einer Partei angehört die 16 Jahre an der Regierung beteiligt war und in dieser Zeit nichts vernünftiges in Richtung Zukunft geleistet hat, heut, nachdem jetzt andere Parteien am Ruder sind,
Aber im Zeitalter von Fake News glaubt dieser, anders nicht wieder an die Macht zu kommen, das ist traurig und ich bin als Bayer dabei mich dafür zu schämen.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Manipulation über Sprache
Vor längerer Zeit wurde von mir beim Berliner Tagesspiegel ein Leserbrief abgedruckt (siehe auch meine Facebook-Seite!), den ich hier mit geringfügigen Anpassungen wiederholen möchte:
Mit Sorge beobachte ich eine geradezu unheilvolle Sprachmanipulation bei einem nicht geringen Teil unserer Medien. Regelmäßig ist von »rechter Gesinnung«, oft gar von »rechtem Mob« die Rede, wenn es um – absolut verurteilungswürdige! – gewaltsame Ausschreitungen zum Beispiel gegen Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte und die zum Schutz eingesetzte Polizei geht.
Der Begriff »rechts« wird hier gleichgesetzt mit »rechtsextrem«, alternativ ist heute gern auch die Rede von Fake News, Verschwörungsmythen und Querdenken. Ich halte das für eine bösartige Gleichsetzung, die einem relevanten Teil unseres politischen Spektrums seine Existenzberechtigung abspricht. Wenn der politische Begriff »rechts« noch einen Sinn hat, dann doch für die Bezeichnung jener politischen Auffassungen, die rechts von der politischen Mitte angesiedelt sind. Es sind jene politischen Parteien und Gruppierungen wie CSU, weite Teile der CDU, mindestens Teile der (alten) FDP oder etwa des gemäßigten Teils der AfD. Es gibt bestimmt gute bis sehr gute Gründe, deren Auffassungen nicht zu teilen. Sie aber mit dem Attribut »Mob« und »rechtsextrem« gleichzusetzen, höhlt unsere demokratische Kultur aus und hält nur noch Ideen und Einstellungen links von der Mitte für legitim. Das ist eine Anmaßung sondergleichen und entspricht einem Denken, das sich jenem annähert, das wir derzeit zum Beispiel in der Türkei unter Erdogan erleben. Offenbar gibt es bei uns längst die verbreitete Tendenz, nur die eigene politische Meinung für erlaubt zu halten. Nicht geringe Teile unserer Medien stimmen in diesen Chor ein.
Zwischenfrage: Was verstünde man denn unter »linkem Mob«? In Analogie dazu etwa Anhänger der SPD oder der Partei DIE LINKE?
Diese sprachliche Falschmünzerei ist ein weiteres Beispiel, den öffentlichen Diskurs im Sinne eines gezielt eingeengten Begriffs von Demokratie zu manipulieren. Demokratie lebt schließlich von unterschiedlichen Auffassungen. Solange diese sich im Rahmen der Verfassung und der allgemein gültigen Gesetze bewegen, sind sie grundsätzlich erlaubt. Ihre »Bekämpfung« hat mit den Mittel einer fairen Argumentation zu erfolgen, nicht durch eine quasi Kriminalisierung mittels sprachlicher Stigmatisierung.
Das Instrument der »politischen Korrektheit«, mit dem unerwünschte Meinungen unterdrückt oder verächtlich gemacht werden, ist eine Methode, statt des offenen Argumentierens andere Auffassungen zu ignorieren oder zu verhöhnen. Eine andere Praktik besteht darin, die Bedeutung von Begriffen so zu verändern, dass ohne jede weitere Argumentation der so Bezeichnete schon automatisch als geächtet gilt. Das waren die Methoden der Nationalsozialisten und Kommunisten, es war auch die Strategie der 68er-Bewegung, über Begriffe und Sprache (unter)bewusstseinsverändernd zu wirken.
Wir sollten um der politischen Kultur willen solche Praktiken anprangern und verurteilen!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dem kann ich nur beipflichten!
Isle Habsburg am Permanenter Link
Rechte Verschwörungsmythen können und sollten auch als exakt solche benannt und beanstandet werden.
Dass dich diese Beanstandung mehr stört als die fragwürdige Agitation von Söder und Co. spricht Bände.
Uns von einem "Mob" ist im Text gar nicht die Rede.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
An wen bitte wendet sich Dein Kommentar?
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Nun muss ich doch tatsächlich Herrn Huber dankbar sein.
Ohne seinen Artikel hätte ich deinen tollen Kommentar verpasst.
Vielen Dank dafür, Uwe.
David Z am Permanenter Link
Ich teile Ihre Einschätzung. Eine wirklich unglückliche, ja toxische Entwicklung für jede Gesellschaft, weil es die Kommunikation im politischen Meinungskampf nur unnötig erschwert.
Auf die schnelle ein paar Beispiele:
Gewalt - früher ein Begriff, der physische Gewalt beschrieb. Nun können sogar Worte und Gedanken gewaltsam sein. Stichwort Mikroaggression.
Geschlecht - früher ein faktenbasierter Standardbegriff der Biologie, jetzt inkludiert er Gefühle
Nazi - früher eine Bezeichnung für Anhänger der Nationalsozialistischen Ideologie. Jetzt bezeichnet das Wort jeden Nicht-Linken, dessen Meinung man nicht teilt.
rechts - früher Teil des politischen Spektrums. Jetzt Schimpfwort und Synonym für rechtsextrem
Verschwörungstheorie - früher Bezeichnung für unbewiesene, absurde Einschätzungen. heutzutage Begriff für jeden politischen Vorwurf oder Befürchtung, der/die eine gewisse Mutmaßung beinhaltet
Respekt - früher ein Begriff, der eine auf Leistung/Stellung basierende Anerkennung beschrieb. Jetzt etwas gefühltes, was man ohne Grund einfordern kann und mit Höflichkeit vermengt wird.
transphob - früher eine Beschreibung für Menschen, die aufgrund der Andersartigkeit von queeren Menschen willkürlich deren Lebensentwurf ablehnten. Jetzt Begriff für Menschen, die berechtigte Kritik an gewissen sozialen, medialen und juristischen Entwicklungen im Kontext von "Trans" anmelden.
Hass & Hetze - früher Begriffe für starke oder gar feindselige Abneigung und Agitation. Heutzutage auch Begriff für weit aus milderes Verhalten.
usw.
David Z am Permanenter Link
Was genau sind "rechte" Verschwörungstheorien? Und warum glaubt Herr Huber, dass es keine "linken" Verschwörungstheorien gibt?
Warum glaubt Herr Huber, dass die genannte Kritik am Gendern eine "Verschwörungstheorie" ist, wenn wir doch wissen, dass es in nicht wenigen Behörden bereits gewisse verbindliche Vorgaben zum Gendern gibt und einige Unis Punkteabzug für das Nichtverwenden verteilen, ohne dass sich von Rot-Grün politischer Widerstand formt? Wie kann er angesichts dieser Tatsachen allen ernstes behaupten, dass eine natürliche Sprachentwicklung stattfinde und keine Beeinflussung, sprich Umerziehung, von "oben" vorliegt?
Auch die Sache mit dem Fleischkonsum ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Höhere Fleischpreise wurden von Rot-Grün schon mehrfach ins Gespräch gebracht. Durch Steuern oder Auflagen erzwungene höhere Preise sind ein Eingriff in den freien Markt, stellen also eine politische Lenkungsmassnahme dar. Umgangssprachlich: eine Umerziehungsmassnahme.
Davon abgesehen ist nicht jeder politische Vorwurf bzw Kritik gleich eine "Verschwörungstheorie". Wie schnell dieser Wortmissbrauch nach hinten losgeht, haben wir in der Corona gesehen: Der Vorwurf, die Regierung beabsichtige, die Impflicht einzuführen wurde am Anfang als Verschwörungstheorie diffamiert. Am Ende wurde die Einführung ernsthaft diskutiert umd teilweise tatsächlich eingeführt.
Herr Huber, es ist sehr bequem, das Wort "Verschwörungstheorie" pauschal auf den politischen Gegner zu werfen. Einen differenzierten und qualifizierten Eindruck geben Sie damit jedoch nicht ab. Dass die Aussagen Söders ebenfalls pauschal und oberflächlich, ja teilweise widersprüchlich sind (Canabisfreigabe bedeutet mehr Freiheit, nicht weniger) , ist hierbei unerheblich.
Tom Behrlinger am Permanenter Link
Es gibt doch auch viele linke Verschwörungsmythen wie z.B. die, dass der Kapitalismus die Wurzel aller Übel wäre. Wo behauptet Herr Huber denn, dass er diese nicht auch kritisieren würde?
Hier im Text geht es doch aber offensichtlich um die rechten Verschwörungsmythen. Insofern hast du das Thema wohl etwas verfehlt!
Und dass bereits winzige Eingriffe in den Markt "Umerziehung" seien, ist völlig albern. Dann wären die Kerosinsubventionen "Umerziehung zum unnötigen Fliegen" und der Tankrabatt der FDP eine "Umerziehung zum bedenkenlosen Autofahren".
Übrigens hat niemand mit Verstand die Einführung einer Impfpflicht als Verschwörungsmythos abgetan, sondern jede:r mit Verstand hat diese aktiv von Anfang an eingefordert.
David Z am Permanenter Link
Das ist schön, dass sie auf linke Verschwörungsmythen hinweisen. Vielleicht liest Herr Huber ja mit.
Zitat: „Rechten Verschwörungsmythen keine Chance geben“, „ ist richtig übel, wenn selbst einige Mitglieder demokratischer Parteien rechte Verschwörungsmythen verbreiten.
Davon abgesehen geht es im Artikel gar nicht um "Verschwörungstheorien", weil das, was dort beschrieben ist, keine Verschwörungstheorien sind. Es sind politische Vorwürfe. Diese kann man teilen, ablehnen, für blöd oder undurchdacht halten. Sie sind deshalb aber noch lange keine "Verschwörungstheorien".
Auch Ihre Anmerkung zu politischen Markteingriffen ist nicht schlüssig. Nirgendwo hatte ich behauptet, dass jeder Markteingriff einer Umerziehungsmaßnahme gleichkommt.
Und zum letzten Satz: Ob Sie anderen Menschen Verstand einräumen oder nicht, ist unerheblich. Relevant ist der Umstand, dass die Einführung einer Impflicht lange Zeit von politischer Seite verneint wurde und die Befürchtung von einigen Teilen der Bevölkerung, dass dies dennoch geplant sein, als Verschwörungstheorie diffamiert wurde.
foobar am Permanenter Link
> Was genau sind "rechte" Verschwörungstheorien?
Das sind Verschwörungstheorien, die aus dem rechten Teil des politischen Spektrums stammen.
> Und warum glaubt Herr Huber, dass es keine "linken" Verschwörungstheorien gibt?
In dem Text steht nichts dergleichen.
> Warum glaubt Herr Huber, dass die genannte Kritik am Gendern eine "Verschwörungstheorie" ist,
Auch das steht nicht im Text. Die Verschwörungstheorie ist die Erzählung vom vermeintlichen Genderzwang, nicht die Kritik am Gendern. Texte sinnentnehmend lesen hilft!
> wenn wir doch wissen, dass es in nicht wenigen Behörden bereits gewisse verbindliche Vorgaben zum Gendern gibt
Damit klar ist, worum es hier geht: Es geht darum, dass Behörden bzw. deren Leitungen Vorgaben dazu machen, wie *durch Mitarbeiter im Namen der Behörde zu kommunizieren ist*. Weder werden dem gemeinen Bürger irgendwelche Vorschriften gemacht, noch wird in den privaten Sprachgebrauch der Mitarbeiter eingegriffen. Und natürlich steht der Behörde bzw. deren politischer Führung das Recht zu, festzulegen, wie die Behörde als Behörde nach außen auftritt - und die Mitarbeiter der Behörde haben das natürlich zu befolgen. Genauso wie ein durchschnittlicher Beamter nicht einfach für amtliche Schreiben einen Briefkopf nach seinem persönlchen Geschmack verwenden kann, kann er halt auch nicht sprachlich nach seinem persönlichen Geschmack agieren, das ist einfach der Deal, wenn man in der öffentlichen Verwaltung arbeitet - wenn man das nicht möchte, muss man ja nicht.
> und einige Unis Punkteabzug für das Nichtverwenden verteilen, ohne dass sich von Rot-Grün politischer Widerstand formt?
Dann ist das eine unsinnige Grundlage für eine Verschwörungserzählung vom politisch gewollten Gender-Zwang. Wenn das beste, was Du vorzubringen hast, ist, dass Rot-Grün keinen poltischen Widerstand gegen solch eine Praxis organisiert, dann ist es immernoch schwachsinnig, daraus zu folgern, Rot-Grün hätte irgendeine geheime Agenda, einen Gender-Zwang einzuführen. Ein paar freidrehende Professoren sind kein Beleg für eine politische Agenda bestimmter Parteien. Zumal eine solche Praxis so pauschal auch nach existierender Rechtslage ohnehin schon fragwürdig scheint, weshalb die Politik tendentiell ohnehin der falsche Adressat ist.
> Wie kann er angesichts dieser Tatsachen allen ernstes behaupten, dass eine natürliche Sprachentwicklung stattfinde und keine Beeinflussung, sprich Umerziehung, von "oben" vorliegt?
Weil halt keine Belege für das Gegenteil vorliegen. Bzw. da wo sie vorliegen, das reale Ausmaß weit hinter dem Verschwörungsnarrativ zurückbleibt.
> Auch die Sache mit dem Fleischkonsum ist nicht an den Haaren herbeigezogen.
Doch, ist sie.
> Höhere Fleischpreise wurden von Rot-Grün schon mehrfach ins Gespräch gebracht. Durch Steuern oder Auflagen erzwungene höhere Preise sind ein Eingriff in den freien Markt, stellen also eine politische Lenkungsmassnahme dar. Umgangssprachlich: eine Umerziehungsmassnahme.
Einzig ist das halt soweit verkürzt, dass man es eigentlich nur als Unsinn bezeichnen kann.
Also, der wahre Kern ist, dass höhere Fleischpreise vor allem von den Grünen schon häufiger ins Gespräch gebracht wurden.
Aber weder sind höhere Steuern oder Abgaben generell ein Eingriff in den freien Markt, geschweige denn ein ungerechtfertigter solcher, noch ist eine generelle Gleichsetzung von Lenkung und Umerziehung poltiisch redlich.
Man könnte auch sagen, dass der absolute "freie Markt" ohnehin ein Mythos ist. Wenn man jegliche politische Regulierung von Wirtschaft unterlässt, dann kriegt man riesige Probleme mit negativen Externalitäten: Unternehmen kippen ihren Müll und die Landschaft, Flüsse, ins Meer, vergiften das Grundwasser, verkaufen giftige und gefährliche Produkte ... was alles an anderer Stelle für andere Kosten verursacht (Gesundheitsschäden bzw. Reinigungskosten) und am Ende die Funktionsfähigkeit des Marktes untergräbt, weil man am Markt nicht durch gute Produkte gewinnt, sondern nur Externalisierung vcon Kosten. Eine offensichtliche Aufgabe von Politik ist, hier durch Regulierung darauf hinzuwirken, dass diese Externalitäten von den Verursachern internalisiert werden, sodass diese ihre volkswirtschaftlich schädlichen Vorgehensweisen aufhören. Und um nichts anderes geht es bei den Vorstößen von Seiten der Grünen: Die Externalitäten der Fleischproduktion an die Produzenten zu internalisieren.
Dass es hier darum geht, irgendjemanden umzuerziehen, ist also etwa genauso sinnvoll, wie zu behaupten, es ginge darum, jemanden umzuerziehen, keine Produkte von Beiersdorf zu kaufen, wenn vorgeschlagen wird, das Unternehmen wie Beiersdorf nicht die Abfallströme ihrer Fabriken in den nächsten Fluss leiten dürfen sollen.
Und was den freien Markt angeht, ist es im Fall der Landwirtschaft mal sowieso eine vollkommen irrsinnige Annahme, dass der derzeitige Zustand irgendwie ein freier Markt wäre, und nicht vielmehr eine Branche, die gegenüber einem freien Markt massive durch Subventionen verzerrt ist - und dass so manche Forderungen ibs. der Grünen auf eine Abschaffung von derlei Subventionen hinauslaufen, und dabei ein höherer Fleischpreis nicht das Ergebnis eines Eingriffs in den freien Markt wäre, sondern ganz im Gegenteil, das Ergebnis der Abschaffung politisch gewollter Eingriffe, die den Preis bisher künstlich niedrig halten, finanziert auch durch die Steuergelder von Veganern, die sich in einem freien Markt nicht daran beteiligen würden.
> Davon abgesehen ist nicht jeder politische Vorwurf bzw Kritik gleich eine "Verschwörungstheorie".
Korrekt. Aber das, was hier diskutiert wird, halt schon.
> Wie schnell dieser Wortmissbrauch nach hinten losgeht, haben wir in der Corona gesehen: Der Vorwurf, die Regierung beabsichtige, die Impflicht einzuführen wurde am Anfang als Verschwörungstheorie diffamiert. Am Ende wurde die Einführung ernsthaft diskutiert umd teilweise tatsächlich eingeführt.
Lediglich, dass auch das alles soweit verkürzt ist, als dass es unsinnig ist.
Zum einen *war* es halt zu dem Zeitpunkt eine Verschwörungstheorie, weil es halt zu dem Zeitpunkt weder ersichtlich noch plausibel war, dass eine Impfpflicht erwogen wurde. Der Reproduktionswert der ursprünglichen Corona-Variante war so niedrig, dass eine Impfpflicht schlicht schwachsinnig gewesen wäre. Das haben zu dem Zeitpunkt alle relevanten Experten so gesagt, und es gab auch aus der Politik keine anderen Absichtserklärungen, die sich diesem wissenschaftlichen Konsens entgegengestellt hätten. Es gibt also einfach genau überhaupt keinen Anhaltspunkt, dass zu dem Zeitpunkt, als von Verschwörungstheoretikern verbreitet wurde, eine Impfflicht sei geplant, tatsächlich irgendjemand eine Impfflicht plante - und damit handelt es sich bei der Erzählung, die etwas gegenteiliges behauptet um eine Verschwörungserzählung.
Dass angesichts des Infektionsverhaltens der inzwischen aufgetretenen Corona-Mutationen eine Impfpflicht zumindest epidemiologisch durchaus sinnvoll wäre, und dass die Politik aus diesem Grund dann auch die Einführung einer solchen diskutiert hat, ändert nicht, dass die früheren Behauptungen eine Verschwörungserzählung waren.
Außerdem unterschlägst Du halt, dass diese Verschwörungstheorien ja mitnichten beschränkt waren auf "es soll eine Pflicht zur wirksamen Impfung gegen eine gefährliche Krankheit eingeführt werden", die dann zumindest zur späteren tatsächlichen Entwicklung so halb gepasst hätte - sondern die Verschwörungstheorien enthielten halt weitere Komponenten, die darauf hinausliefen, dass diese Impfungen tatsächlich einem ganz anderen Zweck als der wirksamen Immunisierung dienen sollten. Irgendetwas zwischen Ermordung der Bevölkerung mittels 5G und Unfruchtbarmachung aller Frauen. Und das ist halt auch nach heutigem Kenntnisstand nicht erkennbar mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen.
David Z am Permanenter Link
Das ist bischen viel Text, daher beschränke ich mich auf das wesentliche deiner Trugschlüsse.
„In dem Text steht nichts dergleichen.“ - Genau, im Text steht nichts von linken Verschwörungstheorien.
„Auch das steht nicht im Text. Die Verschwörungstheorie ist die Erzählung vom vermeintlichen Genderzwang, nicht die Kritik am Gendern. Texte sinnentnehmend lesen hilft!“ - Du sagst es doch selbst: Es gibt Vorgaben in Behörden und Unis. Beides Positionen mit Macht. Wenn Machtpositionen, insbesondere staatliche, zwingende Vorgaben zum Sprachgebrauch machen, dann entspricht das dem Begriff „Zwang“ und es kann defacto nicht mehr von freier Sprachevolution gesprochen werden, selbst dann nicht, wenn es nicht allumfänglich die gesamte Bevölkerung betrifft. Und wenn politische Parteien diesen Zwang kritiklos hinnehmen, ja sogar fördern, dann kann man hier einen Gestaltungswillen nicht leugnen. Ob man das polemisch „Umerziehung“ nennt oder sonst wie, ist dabei unerheblich. Relevant ist: auf diesen Missstand hinzuweisen, ist ganz offensichtlich keine Verschwörungstheorie. Die braucht es auch gar nicht, die Fakten sind gruselig genug.
„dann ist es immernoch schwachsinnig, daraus zu folgern, Rot-Grün hätte irgendeine geheime Agenda, einen Gender-Zwang einzuführen.“ - Genau. Macht ja auch keiner. Hatte ich oben klar ausgedrückt. Die Rot-Grünen Ambitionen beim Thema Gendern sind allseits bekannt und kein Geheimnis. Es braucht überhaupt keine „geheime Agenda“, um hier entsprechend zu argumentieren. Das Label „Verschwörungstheorie“ kommt von Herrn Huber und nicht von mir.
„Also, der wahre Kern ist, dass höhere Fleischpreise vor allem von den Grünen schon häufiger ins Gespräch gebracht wurden.“ - Quod erat demonstrandum
„Aber weder sind höhere Steuern oder Abgaben generell ein Eingriff in den freien Markt, geschweige denn ein ungerechtfertigter solcher, noch ist eine generelle Gleichsetzung von Lenkung und Umerziehung poltiisch redlich.“ – Politisch unredlich ist es, mir die Worte zu verdrehen. Nirgendwo habe ich behauptet, dass jeder Markteingriff ein lenkender ist oder eine Umerziehungsmaßnahme darstellt. Markteingriffe können zB auch ordnenden Charakter haben. Dass Markteingriffe aber sehr wohl auch Lenkungsmassnahmen sein können, steht völlig ausser Frage. Genau so steht es völlig ausser Frage, dass Lenkungsmassnahmen dahingehend politisch motiviert sein können, um eine Verhaltensänderung bei Produzenten oder Verbrauchern zu bewirken.
„Dass es hier darum geht, irgendjemanden umzuerziehen, ist also etwa genauso sinnvoll, wie zu behaupten, es ginge darum, jemanden umzuerziehen, keine Produkte von Beiersdorf zu kaufen, wenn vorgeschlagen wird, das Unternehmen wie Beiersdorf nicht die Abfallströme ihrer Fabriken in den nächsten Fluss leiten dürfen sollen.“ – Nein. Auch hier liegt eine Steuerung vor, die darauf abzielt, das Verhalten zu ändern. Umgangsprachlich polemisch: Umerziehung.
„Zum einen *war* es halt zu dem Zeitpunkt eine Verschwörungstheorie, weil es halt zu dem Zeitpunkt weder ersichtlich noch plausibel war, dass eine Impfpflicht erwogen wurde. „
- Das kannst du doch gar nicht wissen. Du darfst Unsinn behaupten, aber die anderen nicht?
„Dass angesichts des Infektionsverhaltens der inzwischen aufgetretenen Corona-Mutationen eine Impfpflicht zumindest epidemiologisch durchaus sinnvoll wäre, und dass die Politik aus diesem Grund dann auch die Einführung einer solchen diskutiert hat, ändert nicht, dass die früheren Behauptungen eine Verschwörungserzählung waren.“ - Doch. Es zeigt, wie nahe an der Realität diese Befürchtungen waren und wie falsch es war, diese als Verschwörungstheorien zu diffamieren.
„Außerdem unterschlägst Du halt, …“ – Ich unterschlage hier gar nicht. Es ging darum, dass die Befürchtung, eine Einführung der Impfpflicht könnte bevorstehen, als Verschwörungstheorie diffamiert wurde, um Kritiker mundtot zu machen. Nochmal: Befürchtungen oder Vorwürfe sind nicht automatisch Verschwörungstheorien! Der Umstand, dass es darüber hinaus tatsächlich abstruse Verschwörungstheorien gab, ist hierbei unerheblich und in keiner Weise relevant. Allerdings verdeutlicht dieser spezielle Kontext genau das, was ich oben kritisiere: Die leichtfertige Verwendung des Begriffs "Verschwörungstheorie" und die fröhliche, weil praktische, Ausdehnung des Wortgehalts auf politisch unangenehme Sachverhalte, um diese zu delegitimieren.
Thomas Baader am Permanenter Link
Es stimmt aber nun einmal nicht, dass Gendern immer "freiwillig" ist. Ich kenne aus persönlicher Erfahrung mehrere Gegenbeispiele. Und die Kritik am Gendern kommt keineswegs nur von rechts.
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Ist das nun Satire oder grobes Missverständnis des Begriffes, wenn Constantin Huber hier vor gibt, eine Faktenprüfung vorzunehmen?
Ganz im Gegenteil, er beurteilt die Fakten, so, wie er es gerade braucht, um Gesinnung zu verbreiten.
Ein gutes Beispiel sind seine Fakten zum Gendern.
1. "Wer dies tun möchte, soll es tun. Wer nicht gendern mag, soll es bleiben lassen."
2. "Dass aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse immer mehr Menschen gendern und zum Beispiel auch staatliche Institutionen dazu übergehen..."
Bemerkenswert die Behauptung, das geschähe auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse. Noch bemerkenswerter die Aussage, auch staatliche Institutionen gehen dazu über. Selbiges bedeutet doch, die Mitarbeiter werden zu einem bestimmten Sprachgebrauch angewiesen.
Wie passt das zu der Behauptung, jeder könne da wie er wolle?
Wie passt es, das Unis in rechtswidriger Weise! Punktabzüge geben, wenn Studenten nicht gendern? Ja, es ist rechtswidrig, denn den gendern ist nicht der offizielle Sprachgebrauch.
Solch falsche und kontrafaktische Aussagen, wie hier von Herrn Huber, die deckungsgleich mit jenen der linken Verschwörungsideolog:innen sind, sind gefährlich, da sie Teile der Bevölkerung aufwiegeln und die Fake-News-Verbreiter:innen jeglicher Couleur unterstützen.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Es ist bemerkenswert und erfreulich, dass der Beitrag von Constantin Huber so kritisch unter die Lupe genommen wurde.
A.S. am Permanenter Link
Etwas als "Verschwörungstheorie" zu bezeichnen ist heute ein übliches Mittel zur Diffamierung anderer Meinungen.
Kurz: Wer schreit und diffamiert ist argumentativ am Ende. Ein typisches Verhalten von religiösen und pseudoreligiösen Eiferern.
Im Übrigen teile ich die Ansichten von Herrn Lehnert und Bruder Spaghettus
Henriette T. am Permanenter Link
Ein toller Kommentar von Herrn Huber! Mir gruselt es bereits vor dem nächsten Bundestagswahlkampf wenn Söder, Merz und die anderen wieder beginnen, rechtspopulistische Aussagen als wahr zu verkaufen.
"Umerziehung" erinnert mich an "Umerziehungslager" wie es sie in vielen Diktaturen gibt. Die Strategie der Neuen Rechten zielt ja genau darauf ab: Die demokratisch gewählten Regierungen sprachlich in die Nähe von Diktaturen zu rücken. Wer sich an der Verbreitung solcher Verschwörungsmythen beteiligt, macht sich mitschuldig.
Wolfgang am Permanenter Link
Herr Söder und sein kreuz; es ist schon ein Kreuz mit Herrn Söder.