In der Schweiz sprach die Theologin Monika Schmid das Hochgebet in einem katholischen Gottesdienst mit – was Frauen und Laien laut katholischer Kirche nicht erlaubt ist. Der Bischof von Chur eröffnete deshalb nun eine kanonische Voruntersuchung gegen die Theologin.
Es ist eine dieser Geschichten, bei der man sich fragt, wie sehr die katholische Kirche inzwischen eigentlich den Sinn für die Realität verloren hat.
Der Kirche laufen die Gläubigen in Scharen davon, wobei für viele von ihnen der katastrophale Umgang der katholischen Kirche mit dem sexuellen Missbrauch durch Geistliche jener Tropfen ist, der das ohnehin schon lange übervolle Fass zum Überlaufen bringt. Über Jahrzehnte konnten geweihte Intensivtäter Kinder missbrauchen, weil die Kirche die sexuelle Gewalt systematisch vertuschte und die Straftäter immer wieder in neue Gemeinden versetzte. Ein paar Ave Marias und ein mahnendes "Du-du-du!", das war's. Den Verlust seines Jobs musste keiner befürchten und auch nicht die Exkommunikation – die Höchststrafe für jeden katholischen Gläubigen. Doch statt im eigenen Laden mit den Missbrauchstätern endlich mal richtig aufzuräumen, beginnt man beim Thema Missbrauch mit dem Aufräumen lieber an anderer, enorm wichtiger Stelle: Bei einer Frau, die laut theologischen Experten "schweren Missbrauch" begangen hat – nicht etwa an Menschen, nein, nein, sondern an der Liturgie. Der zuständige Bischof leitete deshalb umgehend eine kanonische Voruntersuchung gegen sie ein. Ein Verfahren, an dessen Ende im schlimmsten Fall die Exkommunikation steht.
Doch was ist eigentlich genau geschehen?
Am letzten August-Sonntag wurde Monika Schmid, Gemeindeleiterin der Pfarrei St. Martin in Illnau-Effretikon in der Schweiz, mit einem Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet. Die Theologin Schmid ist eine dieser "unbequemen" Frauen, die in der katholischen Kirche Reformen anmahnen, auch und gerade in Bezug auf die Rolle der Frau. Einem breiteren Publikum in der Schweiz war sie spätestens seit einem "Wort zum Sonntag" im Jahr 2008 bekannt, in dem sie die Doppelmoral der Kirche und ihre Vertuschungspraxis in Bezug auf geistliche Missbrauchstäter angeprangert hatte. Der damalige Bischof von Chur, Vitus Huonder, entzog ihr daraufhin die Missio canonica und damit die Erlaubnis, weiter als Seelsorgerin in ihrer Gemeinde tätig zu sein. Aufgrund eines rechtlichen Formfehlers und einer großen Welle der Solidarität musste der Bischof damals jedoch zurückrudern.
Monika Schmids Abschiedsgottesdienst vor gut einer Woche sorgte nun erneut für Aufregung. Der Skandal: Schmid hatte zusammen mit anderen am Altar das sogenannte Hochgebet gesprochen und damit "konzelebriert". Nach geltenden katholischen Kirchenregeln ein absolutes No-Go, denn das Sprechen des Hochgebets und mit ihm die angebliche Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi ist nicht nur der liturgische Höhepunkt jeder katholischen Messe, es ist auch allein geweihten männlichen katholischen Priestern vorbehalten.
Es dauerte deshalb nicht lange, bis sich theologisch-konservative Stimmen zu Wort meldeten. Hans-Jürgen Feulner, Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, zeigte sich in einem Interview mit dem katholischen Portal kath.ch alarmiert. "Das Sprechen des Eucharistischen Hochgebetes, das ja gleichsam den Höhepunkt der ganzen Feier bildet, ist allein dem Priester eigen – ausser Eröffnungsdialog, Sanctus-Benedictus, Akklamation nach den Einsetzungsworten und Schluss-Amen", so der Träger des "Päpstlichen Ritterordens des Heiligen Papstes Gregor des Großen" für Verdienste um die Liturgiewissenschaft. "Es ist ein schwerer Missbrauch, wenn einige Teile des Eucharistischen Hochgebets von einem Diakon oder Laien oder allen Gläubigen zusammen vorgetragen werden."
Auch durch überdies vorgenommene Änderungen der vorgeschriebenen liturgischen Texte müssten Zweifel aufkommen, ob die Wandlung gültig gewesen sei, so Feulner. – Klar, kennt man ja auch von Harry Potter: Ein falsches Wort im Zauberspruch und schon wirkt die Magie nicht mehr. Statt Schnitzel und Blutwurst nur Brot und Wein.
"Wenn der Bischof jetzt nicht einschreitet, wird so etwas unter Umständen Schule machen", erklärte Feulner ferner im Interview mit kath.ch und mahnte Konsequenzen an: "Schweigen oder Ignorieren von Seiten der Diözesanleitung geht jetzt nicht mehr. Meines Erachtens muss der Ortsbischof als Hirte seiner Diözese, auch in liturgischer Hinsicht, hier unbedingt einschreiten. Und zwar gegen alle an der Konzelebration des Hochgebetes Beteiligten, inklusive der Priester, die das offenbar bewusst zugelassen haben. Diese schwerwiegende Angelegenheit wurde öffentlich vollzogen. Das Kirchenrecht bestimmt, dass die unrechtmässige Ausübung einer priesterlichen Aufgabe, in diesem Fall die unrechtmässige Beteiligung am Eucharistischen Hochgebet, mit einer gerechten Strafe zu belegen ist."
Während der Ruf nach gerechten Strafen für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche regelmäßig ohne Konsequenzen verhallt, kann liturgischer Missbrauch – noch dazu durch eine Frau! – freilich nicht ungesühnt bleiben. So schritt der zuständige Bischof von Chur, Joseph Maria Bonnemain, denn auch unverzagt zur Tat und eröffnete eine kanonische Voruntersuchung gegen Monika Schmid.
Ganz ehrlich: Dieser Kirche ist nicht mehr zu helfen. Und man kann jedem Gläubigen und jeder Gläubigen nur wünschen, dass sie dies endlich erkennen.
19 Kommentare
Kommentare
Tobias Seyb am Permanenter Link
"Das Kirchenrecht bestimmt, dass die unrechtmässige Ausübung einer priesterlichen Aufgabe, in diesem Fall die unrechtmässige Beteiligung am Eucharistischen Hochgebet, mit einer gerechten Strafe zu belegen ist.&qu
Angemessen wären hier z.B. 300000 Vater Unser oder so.
Bei so etwas hirnrissigem mitzumischen ist sträflich, auch für eine Frau.
Der Bischof sollte verurteilt werden, die 300000 mitzubeten, also kon-zu-zelebrieren.
Amen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"... Frauen und Laien laut katholischer Kirche nicht erlaubt ..." - man könnte weinen, wenn es nicht so abgrundtief lächerlich wäre.
Gisela Egli-Zemp am Permanenter Link
Schildbürgerstreich, Verhältnis-Unsinn, unfreiwillig komisch, Reslsatire.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Weiter so RKK ihr demontiert euch selbst am besten.
wolfgang am Permanenter Link
Wenn die Affen katholisch würden und der Kirche nützten, ich bin sicher, sie sprächen einige heilig - Aber haben wir denn diesen Fall nicht schon? Karlheinz Deschner
Eines scheinheilige Bande, nicht mehr zu retten, rette sich jeder selbst!!!
Wird allerdings ein wenig schwierig, katholisch zu sein heißt einem Denkverbot unterlegen zu sein. Es heißt ja auch Glaubensbekenntnis und die Angst ist immer noch groß.
Roland Fakler am Permanenter Link
Affentheater!
Angelika Wedekind am Permanenter Link
" Die grundsätzliche Gleichheit von Mann und Frau ist der einzige Weg, der zur Einigkeit der Menschen führen kann". Flora Tristan Schriftstellerin, 1803-1844. Zur Hölle mit der katholischen Kirche!
Paul am Permanenter Link
So traurig dieser Vorfall auch ist - noch trauriger ist das dumpfpopulistische Fazit "dieser Kirche ist nicht mehr zu helfen".
Und das ist nichts neues. Schon 1997 berichtete das NDR-Fernsehen über eine katholische Kirche, in der Laienmitarbeiter seit Jahren das Heilige Abendmahl ausgeben, was eigentlich auch nicht erlaubt ist.
Ein paar Erzkonservative gibt es überall, die den Fortschritt bremsen. Aber sagt jemand angesichts der 10% AfD-Wähler "Deutschland ist nicht mehr zu helfen"?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Sakramententheologie (auch Sakramentologie ; engl.: sacramentology)
Liturgiewissenschaft (auch Liturgik)
Erstaunlich was man mit einer kurzen Internetsuche alles an Literatur zu diesen Themen findet.Dabei sind die einzig relevanten Aussagen dazu im Katechismus und im CIC zu finden.
Theologie ist eben eine Wissenschaft, die sich das zu Wissende selbst erschafft.
Bei der Gelegenheit kam mir folgende Ratzinger-Perle vor die Schnauze:
"Wir Menschen leben entfremdet, in den salzigen Wassern des Lei-
dens und des Todes; in einem Meer des Dunkels ohne Licht. Das
Netz des Evangeliums zieht uns aus den Wassern des Todes her-
aus und bringt uns ans helle Licht Gottes, zum wirklichen Leben."
(Papst Benedikt XVI., aus der Predigt zur Amtseinführung am 24. April 2005)
Kann man eine derart bizarre, melodramatisch kitschige Metapher noch vernünftig kommentieren ? Hat er das wirklich ernst gemeint ? Alles Geheimnis, Allerheiligstes Geheimnis. Jedenfalls wird klar: das "wirkliche" Leben ist für R. nicht das "reale" Leben.
Klaus Weidenbach am Permanenter Link
Es ist unglaublich, um welchen Kleinkram sich der katholische Klerus kümmert.
Karlheinz B. am Permanenter Link
Es ist für einen (säkularen) Außenstehenden nur noch lächerlich, mit welchen "Problemen" sich dieser weltfremde Verein alter Männer beschäftigt.
Tobias Seyb am Permanenter Link
...alte Männer?
Ja, schon. Aber getragen wir der Verein an der Basis von Frauen. Die sind diejenigen, die in die Kirche rennen, spirituell sind, die Kinder religiös indoktrinieren, Fronarbeit leisten etc.
Die Männer regieren, die Frauen praktizieren.
Ohne Frauen wäre der Verein schon lange durch.
A.S. am Permanenter Link
Der katholischen Kirche zu helfen ist auch nicht der Job für uns Atheisten, liebe Daniela.
Widmen wir uns lieber der politischen Front, den C-Parteien die ihre Felle davon schwimmen sehen wenn sich mit dem "C" keine Wähler mehr fischen lassen.
Politisch viel gefährlicher als die katholische Kirche sind mittlerweile die evangelischen Kirchen und die Islamisten.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Die evangelischen in den USA und der schleichende Islamismus in Europa.
Eckhardt Fritsche am Permanenter Link
Ich finde die Eröffnung einer "kanonischen Voruntersuchung" gegen Monika Schmid vollkommen in Ordnung. Durch solche Absurditäten wird doch der Verfall der Kath.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
"...kennt man ja auch von Harry Potter..."
Irmina Richter am Permanenter Link
Aber sonst hat die katholische Kirche keine Probleme? *Ironie aus*
wolfgang am Permanenter Link
Denn sie wissen nicht mehr, was sie tun.
Die Probleme der Welt?
Es geht nur ums Geld!
Gerhard Lein am Permanenter Link
Mehr davon. So gräbt die una sacta ecclesia sich selbst das tiefe Loch (zumindest in einigermaßen aufgeklärten Ländern).