Kommentar

Härte-Test der Demokratie

Wahlen sind ein Hochfest der Demokratie. Doch mitunter sind die Ergebnisse nicht so, wie es sich die etablierten Parteien wünschen. Beispielsweise bei den nächsten Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Egal wie das Votum ausfällt: das Volk – der Souverän – wird gewählt haben. Dann muss die Demokratie damit klarkommen.

Gerade bröckeln im Land alte Gewissheiten. In wenigen Wochen könnte eine teils rechtsextreme Partei stärkste Kraft in mehreren Landtagen werden – und Sachsen nach der Wahl ein Drei-Parteien-Land. Grüne und SPD müssen zittern, ob sie den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schaffen. Auch bei den Wahlen in Thüringen und Brandenburg können rechtspopulistische, teils rechtextreme Parteien mit großer Zustimmung rechnen. 30 Prozent der Stimmen sind möglich, so die Prognosen.

Alarmierende Zahlen für die etablierten Parteien. Sie zeigen, dass erhebliche Teile der Bevölkerung sich weigern, ihre Lebenswirklichkeit als demokratischen Idealzustand zu betrachten. Unsichere Jobs, wenig bezahlbare Wohnungen, fehlende Ärzte, ausgedünnter Nahverkehr, marode Schulen – dazu die "großen" Probleme: Krieg, Flucht, Migration. Viele Menschen – nicht nur im Osten der Republik - verlieren den Glauben, dass "die Politik" fähig ist, grundlegend daran etwas zu ändern. Sie blicken düster in die Zukunft, weil ihre Alltags-Wirklichkeit von "der Politik" ignoriert wird. So gerät die Demokratie außer Takt. Die Folge: Rückzug, Fatalismus, Nichtwählen – und Misstrauen. Eine aktuelle Umfrage aus dem "Sachsen-Monitor" des MDR bestätigt den Eindruck: 40 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass "die regierenden Parteien das Volk betrügen". 33 Prozent finden, dass "unser Land mehr einer Diktatur gleicht". 

Wenn es stimmt, dass der Osten so etwas wie "der Seismograph der Republik" ist, dann steht zukünftigen Wahlen in der gesamten Republik der Demokratie-Härtetest bevor.

Resignation und Fatalismus schlägt um in Empörung und Wut. Aus Nichtwählern werden Protestwähler. "Wir gegen die!" lautet die Parole, die sich im Wahlkampf-Endspurt zum giftigen Schlachtruf verdichtet. Jetzt wollen sie den regierenden "Alt-Parteien" die Quittung präsentieren. Politikverneinung mischt sich mit Demokratie-Verachtung. Wenn es stimmt, dass der Osten so etwas wie "der Seismograph der Republik" ist, dann steht zukünftigen Wahlen in der gesamten Republik der Demokratie-Härtetest bevor.

Müssen wir uns also ernsthaft Sorgen machen wegen der zu erwartenden Mega-Erfolge für AfD und das linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)? Gerät die Demokratie in Schieflage? Droht der parlamentarische Kollaps? Harald Schmidt, bundesdeutsche TV-Legende und feinsinniger Wirklichkeits-Erklärer, will davon nichts wissen. Er sagt: Solange gewählt wird, haben wir eine Demokratie. Und dabei sei es egal, wer am Ende gewählt wird, denn: "das sind Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wenn ich das nicht will, wollen wir dann Wahlen abschaffen oder das Ergebnis vorher festlegen?", so Schmidt bei Deutschlandfunk Kultur. Dafür gebe es weltweit genügend Vorbilder. Nein, sagt Harald Schmidt, besser wäre es, eine "Politik zu machen, dass solche Wahlergebnisse nicht zustande kommen".

In der Tat:  Wenn in einigen Niederungen des Thüringer Walds bei der letzten Europawahl im Mai rund die Hälfte der Wähler für die AfD des Faschisten Björn Höcke gestimmt hat, dann müssen die demokratischen Parteien viel falsch gemacht und sehr vieles ignoriert haben.

Besser wäre es, eine "Politik zu machen, dass solche Wahlergebnisse nicht zustande kommen"

Wahlen sind ein Hochfest der Demokratie. Der Staat garantiert seinen Bürgern alle Freiheiten für ein persönliches Votum – in freier, gleicher und geheimer Wahl. Das unterscheidet den Rechtsstaat von Diktaturen und Autokratien. Der Souverän allein entscheidet. Und so wird es beim Urnengang in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wie immer Sieger und Verlierer, Begeisterte und Besorgte, Verbitterte und Verärgerte geben. Die einen werden euphorisch jubeln, andere den Niedergang des Abendlandes bejammern, wieder andere über ihre politische Restlaufzeit brüten. Egal wie das Votum ausfällt: das Volk – der Souverän – entscheidet. Jetzt muss die Demokratie damit klarkommen.

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