Zur Seligsprechung von Max Josef Metzger

Kirchenpolitische Geschichtsglättung

Die Seligsprechung der beachtlichen redlichen Persönlichkeit von Max Josef Metzger am kommenden Sonntag steht unvereinbar in einer Reihe mit anderen Selig- und Heiligsprechungen, die bei weltlich-ethischer Betrachtung unverständlich sind. Fulbert Steffensky, vom Benediktinermönch zum Luthertum konvertiert, hat einmal geschrieben: "Heilige sind zwielichtige Gestalten. Am besten fragt man zuerst, wer sie selig- oder heiliggesprochen hat und welche Interessen mit einer solchen Heiligsprechung verbunden sind." Das gilt natürlich auch für Seligsprechungen, die ja oft Vorstufen einer Heiligsprechung sind.

Metzger war ein katholischer Priester, der aufgrund eines Urteils des Volksgerichtshofs 1944 in Brandenburg/Havel wegen Vorbereitung zum Hochverrat und anderem durch das Fallbeil hingerichtet wurde. Er habe im vierten Kriegsjahr versucht, ein Memorandum nach Schweden zu schicken, um den Boden für eine feindhörige pazifistisch-demokratische föderalistische Regierung unter persönlicher Diffamierung der Nationalsozialisten vorzubereiten. Daher sei er ein für alle Zeit ehrloser Volksverräter.1

Erzbischof Stephan Burger von Freiburg, seiner Heimatdiözese, hat sich 1984 anlässlich der bevorstehenden Seligsprechung wie folgt geäußert: "Max Josef Metzger hat sich in finsteren Zeiten für Menschlichkeit eingesetzt, als viele andere schwiegen. Damit ist er für uns ein Vorbild, sich für den Frieden in unserem Land wie in der Welt zu engagieren."2 Damit entsprach Metzger eindeutig dem Sinn einer katholischen Seligsprechung, durch Urteil des Papstes festzustellen, jemand habe vorbildlich aus dem Glauben gelebt und sei Christus in besonderer Weise nachgefolgt. Er darf daher lokal als Fürsprecher bei Gott verehrt werden. Aber auch aus weltlich-ethischer Sicht verdient Metzger in besonderer Weise ein ehrendes Gedenken.3

Im Hinblick auf das amtskirchliche Vorgehen ist aber deutliche Kritik angebracht. Denn die Seligsprechung Metzgers ist im Hinblick auf das sehr zweifelhafte Verhältnis der Kirchenführung zum Naziregime in Deutschland und in Rom einerseits und den mutigen und redlichen Einsatz Metzgers für Frieden und Demokratie andererseits eine unredliche Sache. Das hängt damit zusammen, dass die Selig- und Heiligsprechungen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirchen bis heute nach Gesichtspunkten der kirchenpolitischen Opportunität erfolgen.4 Daher wurden auch zahlreiche Menschen offiziell für vorbildhaft und verehrungswürdig erklärt, die dieses Urteil zumindest nach den heute anerkannten ethischen Maßstäben nicht verdienen.

Zu denken ist etwa an die Selig- und Heiligsprechungen etlicher Inquisitoren, darunter der wichtige Katharerbekämpfer Guillaume Arnauld, dessen päpstliche Anerkennung als Märtyrer von 1243 (Ermordung durch von ihm Verfolgte) Pius IX. nach über 600 Jahren (1866) durch Seligsprechung bestätigte. Er sprach 1856 auch den 1495 gestorbenen General-Inquisitor Aimo Taparelli selig. Den Inquisitor Pedro Arbués, der 1485 ermordet und 1664 seliggesprochen worden war, erklärte Pius IX. 1867, 382 Jahre nach seiner Ermordung, sogar zum Heiligen. Arbués war Professor für Moral gewesen und von dem berüchtigten und durch Grausamkeit und Fanatismus bekannten Großinquisitor Tomás de Torquemada zum Inquisitor der spanischen Inquisition ernannt worden. Nicht weniger schlimm war der europaweit bekannte franziskanische Wanderprediger und Inquisitor Johannes von Capristano (Johannes Capristanus u.a.), der im 15. Jahrhundert auch für seine Judenhetze und als Initiator von Pogromen bekannt war. Er wurde 1690 heiliggesprochen. Eine Zurücknahme der Verehrungswürdigkeit solcher "Vorbilder" ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

Besonders erwähnenswert ist auch die massenhafte Seligsprechung von Priestern und Ordensleuten, die im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite Francos standen und als "Märtyrer" starben. Das geschah durch Johannes Paul II. in den Jahren 2001 (233 spanische Priester), 2005 (7 spanische Geistliche) und 2007 (nicht weniger als 498 frankistische Märtyrer). Johannes Paul II. hat auch den Gründer des von ihm so geliebten Opus Dei, Josemaria Escrivá de Balaguer (1902-1975) 1992 selig- und 2002 heiliggesprochen.5

Völlig konträr zu den genannten Beispielen steht die Persönlichkeit Max Josef Metzgers.6

Stolperstein für Max Josef Metzger, Müllerstraße 161, Berlin-Wedding; Foto: © OTFW, Berlin, Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Stolperstein für Max Josef Metzger, Müllerstraße 161, Berlin-Wedding; Foto: © OTFW, Berlin, Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Nach seiner wegen schlechter Gesundheit nur kurzen Teilnahme am 1. Weltkrieg gehörte er zu den führenden Initiatoren beziehungsweise Mitgliedern von katholischen Friedensvereinigungen, die aber sowohl von den großen katholischen Verbänden wie auch den meisten Bischöfen abgelehnt wurden. Metzger nahm auch aktiv an einem internationalen demokratischen Kongress (Paris 1921) und interreligiösen Friedenskongress (Den Haag 1928) teil. Auch an einem Treffen von vor allem Sozialisten und Kommunisten der Internationale der Kriegsdienstgegner nahm er teil. Der Bibel entnahm er eine Friedensbotschaft, die katholische Lehre vom gerechten Krieg lehnte er ab und predigte einen christlichen Sozialismus. Damit erschien er sowohl den Kirchenführern wie den Nationalsozialisten gefährlich. 1930 schrieb Metzger sogar: "Das ganze gottverlassene System der Wirtschaft von heute mit ihrer schrankenlosen und gewissenlosen Profitgier führt … fast zwangsläufig einmal zu der Katastrophe des Krieges."

Mit seiner Ablehnung der Judenhetze der Nazis stand er auch gegen die starke Judengegnerschaft der Bischöfe. Das betrifft auch Kardinal Faulhaber, der selbst in seinen gepriesenen Adventspredigten von 1933/34 nur das Alte Testament verteidigte, nicht aber die zeitgenössischen Juden. Mit einer gemäßigten Rassenpolitik war er einverstanden. Die Bischöfe erkannten das Hitlerregime gleich im März 1933 an und riefen die Gläubigen zur gewissenhaften Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten auf. Zur Reichspogromnacht schwiegen die Bischöfe, und Hitlers Krieg unterstützten sie öffentlich bis zuletzt. Eine absolute Ausnahme bildete Bischof Konrad Graf von Preysing, der aber dennoch von Pius XII. 1946 in das Kardinalskollegium aufgenommen wurde. Aber seliggesprochen wurde er bis heute nicht, anders als Alojzije Stepinac durch Johannes Paul II. im Jahr 1998. Stepinac war eine der schlimmsten Figuren der ganzen Kirchengeschichte, denn er war von Anfang bis Ende als Erzbischof, seit 1942 auch Ustascha-Militärvikar, eine der Hauptstützen des klerikal-faschistischen kroatischen Ustascha-Regimes (1941-1945), das sich durch einen besonders grausamen Genozid an seinen meist orthodoxen serbischen Einwohnern auszeichnete, bei Mitwirkung zahlreicher Geistlicher.7 1953 wurde dieser Stepinac von Pius XII. zum Kardinal ernannt und 1998, wie gesagt, von Johannes Paul II. (selbst 2011 Seliger, 2014 Heiliger) zum Seligen.

Bedenkt man nun den Rahmen, in den die Seligsprechung eingebettet ist, so kann man sich gut vorstellen, dass Max Josef Metzger die ihm zuteilgewordene Ehrung zurückweisen würde, wenn es ihm noch möglich wäre. Er, der mit seinem offenen, seinem gesellschaftspolitischen und demokratischen Denken, seinem Friedensengagement und seinem Kampf gegen den Antisemitismus in deutlichem Gegensatz zur Kirche zumindest seiner Zeit stand, müsste sich verhöhnt fühlen, beispielsweise mit Faschisten, insbesondere Stepinac, oder auch Josemaria Escrivá auf eine Stufe gestellt zu werden.

Es zeigt sich auch im Fall Metzger wieder, dass die Selig- und Heiligsprechung von Katholiken und der Zeitpunkt ihrer Ehrung in erster Linie eine Frage der kirchenpolitischen und der Zeitumstände, der Örtlichkeit, der Volksfrömmigkeit und der historischen Nützlichkeit ist. So hat man dem Versagen der (Amts-) Kirche im 20. Jahrhundert (Nationalsozialismus, Faschismus)8 die Ehrung ungewöhnlich heroischer Ausnahmemenschen wie Maximilian Kolbe, Rupert Mayer, Edith Stein, Bernhard Lichtenberg, Nikolaus Groß und den Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstetter gegenübergestellt. Letzterer war einer von insgesamt maximal sieben – seinerzeit von der Kirche missachteten und nach 1945 mit Ausnahme von Metzger jahrzehntelang übergangenen – katholischen Kriegsdienstverweigerern. Dem Ziel der Geschichtsglättung dient allem Anschein nach auch die Seligsprechung Max Josef Metzgers.

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1 Das Urteil mit Begründung vom 14.10.1943 ist abgedruckt in: G. Denzler/V. Fabricius (Hg.), Die Kirchen im Dritten Reich. Christen und Nazis Hand in Hand? Bd. 2, 1984, 238-241. ↩︎

2 Erzbischof Burger: https://www.ebfr.de/detail/nachricht-seite/id/199263-wichtige-entscheidung-fuer-seligsprechung-von-max-josef-metzger/ ↩︎

3 Zum widerständigen Leben Metzgers s. den kath. Kirchenhistoriker G. Denzler, Widerstand oder Anpassung. Katholische Kirche und Drittes Reich. München 1984, 122 und G. Denzler/V. Fabricius, Die Kirchen im Dritten Reich. Christen und Nazis Hand in Hand? Bd. 1, Frankfurt 1984, 180-186. Recht informativ auch C. Modehn, Max Joseph Metzger: Aktiv gegen die Nazis, aktiv für die Ökumene, ein Friedensaktivist… , https://religionsphilosophischer-salon.de/19112max-josef-metzger-aktiv-gegen-die-nazis-aktiv-fuer-die-oekumene-ein-friedensaktivistaktuelles . ↩︎

4 Zum Ganzen G. Czermak, Problemfall Religion, Marburg 2014, 250-273 mit Kurzskizzen zu vielen Selig- und Heiligsprechungen des 20. und 21. Jh. ↩︎

5 Zum Opus Dei und Josemaria Escrivá eindringlich Wolfgang Beinert (Hrsg.), "Katholischer" Fundamentalismus, Regensburg 1991 (darin die vergleichende Dokumentation des Dogmatikprofessors W. Beinert 90-115 und Peter Hertel zum Opus Die, 148-165). ↩︎

6 S. oben Fn. 3. ↩︎

7 Zum Ustascha-Regime kompakt G. Czermak, Problemfall Religion, 2014, 233-239; eingehend V. Dedijer, Jasenovac – das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan, Freiburg i. Br., 5. A. 2001 (auch zu Stepinac); K. Deschner, Die Politik der Päpste, Aschaffenburg 2013 (erweiterte und aktualisierte Neuausgabe von ein Jahrhundert Heilsgeschichte, 1982 und 1983), darin: Katholische Schlachtfeste in Kroatien oder "das Reich Gottes", 600-636; C. Falconi, Das Schweigen des Papstes. Eine Dokumentation. München 1966. ↩︎

8 Statt aller Olaf Blaschke, Die Kirchen und der Nationalsozialismus, Ditzingen 2014 und Bonn 2020 (Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung), ansonsten z.B. G. Czermak, Christen gegen Juden, zuletzt Reinbek 1997 (Rowohlt-Sachbuch); G. Lewy, Die katholische Kirche und das Dritte Reich, München 1965 (stark quellenbasiert; ein lange faktisch unterdrücktes Buch) und viele andere. ↩︎