Wolfram Weimer hat eine gendergerechte Sprache in seiner Behörde untersagt, weil er durch den Doppelpunkt und das Gendersternchen die Schönheit der Sprache verletzt sieht. Die Anordnung hat für viel Wirbel und Proteste gesorgt, aber letztlich geht es dem konservativen Weimer nicht um sprachliche Geschmeidigkeit, sondern um einen Kulturkampf.
Egal, wie man dazu steht: Das Gendern ist ein beliebtes Reizthema, das nicht nur an Stammtischen und auf Volksfesten zuverlässig die Gemüter erhitzt. Markus Söder hat diesen Nerv längst erkannt und Gendern in populistischer Manier Schulen und Behörden des Freistaats verboten (der hpd hatte dazu einen Pro- und einen Contra-Kommentar veröffentlicht). Wenig originell übernahm der Kulturstaatsminister das bayerische Modell, um sein Amt – und am besten gleich die ganze Kulturszene – auf Linie zu bringen und seine Eskalationsbereitschaft zu signalisieren. Genderverbot als politische Erziehungsmaßnahme. Seine ursprüngliche Drohung, Museen, Stiftungen oder Rundfunkhäusern die öffentliche Förderung zu entziehen, wenn sie weiter gendern, hat Weimer nach massiver Kritik zurückgezogen.
Der Deutsche Journalisten-Verband rügte eine "gravierende Kompetenzüberschreitung" und einen "Eingriff in die Rundfunkfreiheit", während PEN Berlin dem Kulturstaatsminister ironisch vorwarf, die Nachfolge von Kurt Hager, dem letzten Chefideologen und obersten Kulturverantwortlichen der DDR, antreten zu wollen. "Das beste und nach meinem Dafürhalten einzig überzeugende Argument für das Gendern schien mir schon immer die Schnappatmung, die es bei seinen Gegnern auslöst", erklärte PEN Berlin-Sprecher Deniz Yücel. "Selten wurde dieses Argument so glänzend bekräftigt wie nun durch den Kulturstaatsminister."
Weimer, bekennender Katholik und Vertreter eines reaktionären Geschichtsbildes, sieht im Gendern eine sprachliche Bevormundung und will nun paradoxerweise selbst alle Sternchenfreunde bevormunden. Er behauptet, Gendern spalte die Gesellschaft, während er selbst mit seinen Verboten Gräben aufreißt. Dabei nutzten schon Gottsched, Lessing und Goethe Formulierungen, die Frauen ausdrücklich mitmeinten – ihre Bekanntinnen und Verwandtinnen lassen grüßen.
Es drängt sich der Eindruck auf, Weimer betreibe einen Kulturkampf, um von der bisher mageren Erfolgsbilanz in seinem Amt abzulenken und die konservative Wählerschaft hinter sich zu vereinen. Der immer wieder erhobene Vorwurf eines "Genderzwangs" ist eine Nebelkerze: Es gibt keine Vorschrift, die Gendern erzwingt – nur Verbote, die es unterbinden. Das Bemühen um "geschlechter- und diskriminierungssensible Sprache" wird zum Angriff auf ein konservatives Wertesystem stilisiert.
Gendern als politisches Feindbild
Gendern ist nichts anderes als der Versuch, Frauen und queere Menschen sichtbar zu machen, alle anzusprechen und sich von einer rein heteronormativen Männergesellschaft abzusetzen. Wer das ablehnt, sendet ein deutliches Signal: Frauen, die in der CDU-Führung ohnehin kaum präsent sind, sollen anscheinend auch sprachlich unsichtbar bleiben – vergleichbar mit Julia Klöckners restriktiver Kleiderordnung im Bundestag und ihrem Verbot, die Regenbogenfahne auf dem Reichstagsgebäude zu hissen. Für viele Konservative ist das Gendern ein rotes Tuch: Glottisschlag und Queerness treiben ihnen umgehend die Zornesfalten ins Gesicht. Weimer weiß das – und nutzt es gezielt, um zu provozieren und Grenzen auszuloten.
Fakt ist: Der selbsternannte "Kulturverfechter" Weimer agiert weniger als Förderer der Kultur, sondern vielmehr als Beauftragter für die Wiederherstellung eines überholten Weltbildes. Dabei wird ein eklatantes fachliches Defizit in seinem Haus deutlich: Es mangelt an profilierten Kulturpolitikern, was zu peinlichen Fehlleistungen führt – etwa beim Gedenken an den Warschauer Aufstand, das mit einem NS-Propagandabild verknüpft wurde. Weimer fehlt es sowohl an intellektueller Strahlkraft als auch an der notwendigen Kompetenz. Statt sich mit Nebenschauplätzen wie der Gender-Debatte zu beschäftigen und ideologische Grabenkämpfe zu führen, sollte er sich dringend den zahlreichen Baustellen in seinem Verantwortungsbereich widmen und eine sachliche und zukunftsweisende Kulturpolitik betreiben.







30 Kommentare
Kommentare
Bertolt Schneider am Permanenter Link
Weimer, und mit ihm die CDU, erinnern immer mehr an Trump, an dumpfen Rechtspopulismus.
Tschuldigung, dass ich das nicht weiter ausführe, aber die rechten Nasen haben das gar nicht verdient. Und machen sowieso weiter, wie es ihnen gefällt, egal was für – seriöse – Einwände auch immer kämen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Er behauptet, Gendern spalte die Gesellschaft, während er selbst mit seinen Verboten Gräben aufreißt."
Gibt es jemanden, der ernsthaft behauptet, dass Gendern die Gesellschaft (sprachlich) nicht spalte? Es ist doch offensichtlich, dass die deutsche Sprache offiziell kein Gendern kennt, während es eine winzige Gruppe von Menschen gibt, die es - warum auch immer - tut. Das ist keine unerträgliche Spaltung - mir ist es egal, ob jemand so spricht (wobei mir im echten Leben niemand begegnet, der gendert) - aber es ist eine Spaltung.
Wir haben jetzt neben anderen Dialekten ein neues Nebendeutsch, das eine eigenwillige Grammatik hat (z. B. falsche Verwendung des Partizips und die Überbetonung des sexistischen Suffix "-in"), aber von mir aus können die Sprecher/Schreiber dieses Nebendeutschs damit glücklich werden. Mein Herz ist groß.
"Gendern ist nichts anderes als der Versuch, Frauen und queere Menschen sichtbar zu machen, alle anzusprechen und sich von einer rein heteronormativen Männergesellschaft abzusetzen."
Das hingegen ist Wunschtraum oder einfach nur unreflektiertes Widerkäuen fragwürdiger "Studies". Faktisch werden Frauen durch das Suffix "-in" sexistisch diskriminiert - d. h. nach dem Geschlecht sortiert. Nur bei wenigen Worten scheint man das Prinzip von Sprache verstanden zu haben, z. B. bei Mensch, Gestalt oder Person (oder will jemand "die Person" - ist sie eine Frau - als "die Personin" bezeichnen?)
Solange das offizielle Deutsch nicht verboten wird, ist doch die Welt in Ordnung. Ich lasse als Gegenreaktion grundsätzlich das Suffix "-in" weg (wie viele Frauen in der DDR), um zu verdeutlichen, dass eine Frau auch Arzt sein kann, also fachlich kein bisschen schlechter als ihre männlichen Kollegen. Das ist die Überwindung der rein heteronormativen Männergesellschaft...
Bertolt Schneider am Permanenter Link
Ihr Kommentar kann die Leser*innen des hpd gar nicht spalten, weil es beim hpd gar keine Befürworter*innen des "Genderns" geben kann, so falsch wie es für Sie ist.
Frank Nicolai am Permanenter Link
Lieber Bernd,
ich nutze das Sternchen. Und ich meine, dass davon weder die Welt untergeht noch die deutsche Sprache. Sprache entwickelt sich; ob uns Alten das nun gefällt oder nicht.
Und PS: Meine Kinderärztin und später meine Zahnärztin waren an der Ansprache erkennbar Frauen und fühlten sich ganz sicher nicht "mitgemeint", wenn ich sie als Arzt angesprochen hätte.
Christian Walther am Permanenter Link
Naja, es ginge ja auch ganz einfach wie früher, nur eben mit etwas "Aufwand": Z.B. von "Ärztinnen und Ärzten" zu reden und zu schreiben.
Christian Walther, Marburg
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Privat kann jeder gendern, wie er will. In Behörden, Medien, Verwaltungen und Schulen hat es nichts zu suchen. Genau da wird es aber propagiert. Es ist eine akademische Pflanze.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Frank,
die deutsche Sprache wird sicher nicht untergehen. Im schlimmsten Fall lebt sie in der Literatur weiter. Aber sie wird auch das Gendern überleben. Denn Sprache entwickelt SICH. Doch die Genderideologie (so sehr ich ihre Ziele befürworte) ist nicht evolviert, sondern - wie einige fehlgeschlagene Versuche vorher - in intellektuellen Zirkeln ausgeklügelt worden.
Die Spaltung entsteht dadurch, dass es Menschen (Männer und Frauen) gibt, die Texte mit * gar nicht erst lesen. Ich lese trotzdem, frage mich jedoch, was das soll. Wo ist der Nutzen, der Mehrwert?
Ich finde eher problematisch, dass durch das * das sexistische Suffix "-in" auf diese Weise stärker betont wird, als wir ihm als aufgeklärte und weltoffene Menschen zugestehen sollten...
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Lieber Frank,
ich nutze das Sternchen nicht. Und ich meine, dass davon weder die Welt untergeht und es der deutschen Sprache eher gut tut.
Sprache entwickelt sich, das ist richtig. In der Regel geschieht dies jedoch von unten nach oben und ohne Zwang. Beim Gendern versucht eine kleine Elite, das teilweise durchaus mit Zwang, die Mehrheit zu erziehen.
Bei den allermeisten wird das nicht wirken. Ich habe auch den Eindruck, dass diese Entwicklung bereits rückläufig ist und irgendwann wieder ganz verschwinden wird. Und das ist auch gut so.
Die Gleichwertigkeit der Geschlechter und die Akzeptanz von Anderssein kann man auch auf andere Art zum Ausdruck bringen.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Als Sprachwissenschaftler unterscheide ich zwischen Sprachwandel und Sprachpolitik/Sprachlenkung.
Weidenbach am Permanenter Link
Alle, die sich hier mehr oder weniger als Gendergegner outen, sollten intensiv den Artikel des Deutschlandfunks lesen, der hier im Artikel unter "Bekanntinnen und Verwandtinnen" verlinkt ist.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Tut mir leid, dass ich Ihnen als Sprachwissenschaftler hier widersprechen muss. Gendern ist Sprachlenkung - nicht Sprachwandel - und undurchdachter Aktivismus am untauglichen Objekt.
Dass es historisch "Verwandtinnen" gegeben hat, ist überhaupt kein Argument. Dieses Wort wird heute nicht benutzt. "Verwandte" ist im Plural eine sexusneutrale Form.
Wenn Sie sich wirklich kundig machen wollen, empfehle ich Eckhard Meineke, Studien zum genderneutralen Maskulinum. Wenn Sie nach der Lektüre noch gendern, ist Ihnen nicht mehr zu helfen :-)
Klaus Weidenbach am Permanenter Link
Ich bin wirklich kein Freund des Genderns. Für mich war immer klar, dass, wenn ich Schmerzen habe, mein Gang zum Arzt notwendig war, auch wenn es eine Ärztin war, die mich behandelte.
Aber wenn Sie als Sprachwissenschaftler sich gegen "Sprachlenkung" aussprechen, dann müssten Sie eigentlich auch die vielen Sprachneuschöpfungen eines Martin Luther ablehnen, denn durch ihre schiere Anzahl und intensive Verbreitung wurde m.E. die deutsche Sprache nicht "sprachgewandelt", sondern "sprachgelenkt".
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Luther hat die deutsche Sprache bereichert mit kreativen Wortneuschöpfungen, die zum Teil in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Der Artikel versucht das Gendern mit historisch-literarischen Beispielen zu verharmlosen. Die Beispiele tragen nichts zur aktuellen Debatte bei.
Christian Walther am Permanenter Link
Naja, Herr Weimar hat sicher nicht das Niveau, das man historisch mit der gleichnamigen Stadt zu Zeiten von Schiller usw. verbindet. Aber wenn ich künftig im Radio, z.B.
Christian Walther
Michael Poullie am Permanenter Link
Der Autor irrt sich. Der Kulturkampf wird nicht von Gendergegnern, sondern von Genderbefürwortern geführt. Das ist aber kein Kulturkampf, sondern eher ein Un-Kulturkampf.
Bertolt Schneider am Permanenter Link
Danke für das Niveau, das Sie in die Diskussion gebracht haben. Da freuen sich sicher alle Leser*innen!
Michael Poullie am Permanenter Link
Ob die überhaupt ihren Sarkasmus erkennen? Ich habe da so meine Zweifel.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Sarkasmus hilft nur dem Sarkasten.
malte am Permanenter Link
Wie wäre es damit: Der Kulturkampf wird von BEIDEN geführt.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Als Autor, Verleger und Sprachwissenschaftler bin ich ein erklärter Kritiker des Genderns. Wenn das Thema öffentlich verhandelt wird, stelle ich regelmäßig fest, dass es zu komplex ist für Talkshows u. ä.
Bertolt Schneider am Permanenter Link
"das generische Maskulinum wird als Feindbild gesehen" na sowas - erklären Sie das mal meiner Ärztin, die sich mächtig aufregte, als ich gedankenlos sagte: "Wenn der Arzt das sagt, dann mach ich das ...
Ist das von Ihnen, hab ich von einem Paul Pfeffer bei der internet-Recherche gefunden: "Seit Jahrmillionen meerumspült sind deine Brüste" Falls ja, habe ich verstanden, warum Sie nicht gendern.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Ja, das ist von mir. Es isst ein Gedicht mit dem Titel "Bretagne", bezieht sich also nicht auf eine Frau und hat mit dem Gendern überhaupt nix zu tun.
Bertolt Schneider am Permanenter Link
„… Dass sie sich aufgeregt hat, ist typisch. Genderer haben wenig Ahnung von Sprache, dafür umso mehr von "richtiger" Gesinnung.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Das Gegenteil ist richtig. Ich bin ein Mann, der die Frauen liebt und achtet.
Bertolt Schneider am Permanenter Link
auf die Antwort hatte ich gewettet … nun gut, schwer war das wirklich nicht.
malte am Permanenter Link
Die Ausweitung eines Kulturkampfes ist nie gut. Man kann auch ganz nüchtern über das Für und Wider diskutieren, ohne in den Kulturkampfmodus zu verfallen.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
In der DDR war es üblich, Kollektive mit "Liebe Kolleginnen und Kollegen" anzusprechen.
Um auch diesen geringen Anteil anzusprechen, wird die deutsche Sprache verändert und durch falsche Partizipierung insgesamt verarmt.
Studenten sind nun mal etwas anderes als Studierende und Lehrende etwas anderes als Lehrer. Dieser Unterschied geht beim Gendern verloren, denn wahre Genderer sprechen sogar bei reinen Männergruppen von Studierenden, Lehrenden usw.
Ich finde das schade.
Von einer Teilung der Gesellschaft würde ich jedoch nicht sprechen, dazu sind die Mehrheitsverhältnisse viel zu unterschiedlich
Real Human am Permanenter Link
„Nichts ist so beständig wie der Wandel“ oder „Panta rhei!“ von Heraklit. Diese Binsenweisheit(?) sollte eigentlich die allzumenschlichen Gemüter etwas beruhigen? Neben „Gendern“ kann mensch auch mal „Googeln“, z.B.
Mich selbst amüsiert das Thema eher. Das(?) mensch kann nämlich auch ironisch Gendern! Für „Personalpronomen für beide Geschlechter“ macht das(?) Google oder die KI von Google auch gleich eine Liste von Vorschlägen. … Gibt es auch schon das Fach „Genderpsychologie“? (Na klar! Aber in einem anderen Sinne!) …
malte am Permanenter Link
Wenn der Autor hier schreibt "Gendern ist nichts anderes als der Versuch, Frauen und queere Menschen sichtbar zu machen", macht er es sich entschieden zu einfach.