freidenker 3 /2015 erschien

Religionskritik und Rassismus

BERLIN. (hpd) Die aktuelle Ausgabe der österreichischen Zeitschrift für FreidenkerInnen, HumanistInnen und AtheistInnen "freidenker" ist erschienen. Das aktuelle Heft stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob in jeder Religionskritik Rassismus enthalten ist und wo die Grenzen zu setzen sind.

Im Editorial erklärt Chefredakteur Patrick C. Cloiber: "Mit dieser Aufgabe haben wir uns einem Thema angenähert, welches im deutschsprachigen Raum bisher kaum selbstkritisch aus der religionskritischen Ecke betrachtet worden ist. Die Diagnose ist eindeutig: Wir müssen uns eingestehen, dass wir ein Problem haben, welches man aus gewisser Perspektive heraus 'rassistisch' nennen könnte." Es sei klar, schreibt er weiter, "wie delikat, wie provokant es innerhalb der Szene ist, sich mit dem Thema Rassismus und Religionskritik selbstkritisch auseinander zu setzen." Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass man häufig bei aller Kritik am antisäkularen Islam vergessen würde, "dass christliche Ströumungen ebenso viel antisäkularen Dreck am Stecken haben…" "Erfreulich ist es zwar, dass die Gesellschaft kritischer gegenüber religiösen Vorstellungen geworden ist, aber nichts täuscht darüber hinweg, dass viele vermeintliche 'religionskritische' Aktivisten dabei bedauerlicherweise nur 'unsere christliche Kultur' verteidigen wollen…"

Das Heft beginnt dann jedoch mit einem Artikel, der über die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Raif Badawi berichtet. So organisieren die (österreichischen) Grünen gemeinsam mit Amnesty International eine wöchentliche Mahnwache vor dem "König Abdullah Zentrum für interreligiösen Dialog" und der saudischen Botschaft in Wien. Auch die österreichischen Freidenker beteiligen sich an den Protestaktionen.

Der Präsident der schweizerischen Freidenker, Andreas Kyriacou, berichtet von der Aktion gegen den Bischof Huonder und dem Aufruf an die Katholiken, die Kirche zu verlassen und Richard Kofler erinnert daran, dass die Allgemeine Relativitätstheorie am 25. November 100 Jahre als wird.

Die Buggle-Nohe-Studie

Simone Mosch ist Diplom-Psychologin aus Zürich und fragt: "Schützt Religion vor Neurosen oder unterstützt sie diese?" Sie fragt zudem, welche Rolle Atheismus in diesem Zusammenhang zukommt. Der Artikel räumt mit der immer wieder gern medial verbreiteten Mär auf, dass Religionen anzuhängen dem psychischen Wohlbefinden dienen würden. Das - so weist Mosch nach - ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Psychologen, die diese Geschichte verbreiten, voneinander abschreiben würden und immer wieder nur die gleichen Quellen zitieren. "…den methodischen Fehler in dem aufgedunsenen Wust des einheitlichen, doch riesigen Restes [an Studien] findet jeder auch ohne Fachkenntnisse schnell heraus: es werden konsequent Religiöse mit lau Religiösen verglichen… dass die Geschichte erst aussagekräftig werden könnte, wenn konsequent Religiöse mit konsequenten Atheisten verglichen werden, wimmelt die Legion der aufstiegswilligen Abschreiber mit dem Hinweis ab, diese seien so schwer zu aufzufinden…"

Die Buggle-Nohe-Studie wurde als Diplomarbeit für den Abschluß eines Psychologiestudiums 1984/85 der Abteilung Klinische Psychologie des Psychologischen Instituts der Universität Freiburg vorgelegt. Sie trägt den Titel: "Einstellung und emotionales Befinden von Atheisten. Die Wirkung von depressionsfördernden Inhalten der religiösen Sozialisation auf erwachsene Atheisten". Obwohl mittlerweile über 30 Jahre alt, ist sie nach wie vor die einzige Studie, die an Atheisten durchgeführt wurde. Auf diese Studie bezieht sich Simone Mosch, wenn sie schreibt: "…konsequente Atheisten erwiesen sich als weniger anfällig für psychische Störungen als konsequent Religiöse…"

Dass die Buggle-Nohe-Studie online verfügbar ist, ist der Autorin des Artikels zu verdanken. Die Arbeit ist überfrachtet und enthält viel "Wortschwall" – "aber die statistischen hard facts lassen sich herauspopeln, und nur darauf sowie die 'Zitierbarkeit' kommt es an."

Der Artikel endet mit dem Satz: "Durchdachter Atheismus 'hilft' also 'gegen Neurosen', jedenfalls besser als konsequente Glauberei bzw. Religion, und das ist statistisch abgesichert…"

Rassismus und Religionskritik

Nach einem Artikel, der sich mit den (minimalen) Nebenwirkungen des Impfens und der hingegen großen Wirkung auseinandersetzt, kommt das Heft (auf Seite 15) zu seinem Hauptthema.

"Kritik am Islam ist heutzutage weit verbreitet und auch legitim" beginnt der vierseitige Aufsatz von Tristan Ammerer. Der Autor will "jedoch die Art und Weise" hinterfragen, "wie aktuelle Islamkritik vonstatten geht." Er möchte ein "Plädoyer für die Besinnung auf den Pragmatismus der aufgeklärten, rationalen und humanistischen Religionskritik" halten.

Generell sei Religionskritik weiterhin mehr als notwendig. Das betont der Autor gleich eingangs seines Artikels. "Besucht man jedoch manche Foren, in denen atheistische Lebensweisen und Religionskritik diskutiert werden" liest man vor allem "Islam hier, Scharia da, Asylbewerber tun dies, Asylant tut das." Ihm sei vor allem aufgefallen, dass von Einzelpersonen sehr schnell auf Gruppen geschlossen werde. Viele der Kommentare gehen kaum über bloßes Bashing hinaus; dabei sollte doch "die Herabwürdigung der tatsächlichen AnhängerInnen einer Religion niemals mit Kritik an der Religion gleichgesetzt werden." Ammerer kritisiert auch die häufig gestellte Forderung nach einem Verbot jeder Religion und weist zu Recht darauf hin, dass auch die Ausübung einer Religion ein verbrieftes Menschenrecht sei.