Es ist nur schwer möglich, sich im Jahre 2017 dem allgemeinen Hype um Martin Luther zu entziehen, der vor 500 Jahren seine "reformatorischen" Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg angenagelt haben soll.
Ohne nun näher auf die Theologie Luthers eingehen zu wollen, die im Jubeljahr 2017 ohnehin bis zum Überdruß hin- und herinterpretiert wird, sei ein Blick auf den Wittenberger Tierpark geworfen, der Mitte der 1920er unweit der berühmten Schlosskirche eingerichtet wurde. Die genauen Beweggründe, mitten in der historischen Altstadt eine Art Dauermenagerie zu betreiben - Tierschauen jeder Art waren in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ausgesprochen unpopulär -, sind nicht überliefert; unzweifelhaft aber dürften sie, wie alles und jedes in Wittenberg, mit dem Wirken Luthers zu tun gehabt haben. Ab 1933 jedenfalls erfuhr die Tierschau wohlwollende Förderung durch die seinerzeitigen NSDAP-Bürgermeister Faber, Rasch und Habicht.
Der heutige Tierpark zu Wittenberg zählt mit einer Fläche von 0,56 Hektar zu den kleinsten Zoos hierzulande. Er ist rund um eine sogenannte Kasematte angelegt, eine von den Truppen Napoleons errichtete Befestigung der ehemaligen Wehranlagen der Stadt. Innerhalb der kreisrunden Kasematte befindet sich ein Aquarium, das in fünf Schaubecken 25 heimische Fischarten wie Barsch, Zander oder Hecht zeigt; willkürlich dazugesetzt: amerikanische Flußkrebse und chinesische Wollhandkrabben. Im Außenbereich finden sich kleine Volieren mit Eulen, Rabenvögeln oder Papageien, dazu ein heruntergekommenes Gehege mit Nasenbären (aus dem diese schon mehrfach entkamen). In je eigenen Käfigen sitzen Schweinsaffen, Brazzameerkatzen, ein paar schwarz-weiße Varis und neuerdings eine sechsköpfige Gruppe Kattas ein.
Mit Blick auf die 500-Jahr-Feier rund um Martin Luther, von dem ein hölzernes Standbild das Zoogelände überragt, wurden Aquarium, Volieren und Außengehege in den letzten Jahren modernisiert (man mag sich nicht vorstellen, wie das Ganze zuvor ausgesehen hat). 2014 wurde zudem eine neue Klippschlieferanlage eingeweiht, die, so der Zoo, für Wittenberg von hoher Bedeutung sei: Als Luther die Bibel vom Hebräischen ins Deutsche übersetzte, unterlief ihm ein Fehler: er übersetzte den Begriff "sha'-fan" fälschlich mit "Kaninchen"; im Hebräischen ist damit jedoch der Klippschliefer gemeint (ein äußerlich dem Murmeltier ähnlicher Kleinsäuger). Insofern müsse es in Wittenberg (166 Regentage pro Jahr, durchschnittliche Lufttemperatur 9,1°C) dringend Klippschliefer zu sehen geben, deren natürliches Verbreitungsgebiet von Süd- über Zentral- und Westafrika bis in die Halbwüsten beidseits der Sahara und in den Nahen Osten reicht.
Ab 2014 wurde auch ein neues Affenhaus errichtet, in das die bis dahin unter beengtesten Verhältnissen zusammengepferchten Krallenaffen des Zoos im Folgejahr umziehen konnten. Heute leben etwa vierzig Totenkopf-, Goldkopflöwen- und Lisztäffchen in dem 500.000 Euro teueren Neubau, dazu Weißgesichtsseidenaffen, Rotbauch- und Kaiserschnurrbarttamarine. Insgesamt hält der Zoo rund 300 Tiere aus 60 Arten vor. Die Besucherzahlen liegen offiziellen Angaben zufolge bei rund 45.000 pro Jahr, im Jubeljahr 2017, in dem auch ein Teil des Evangelischen Kirchentages (24.-28.Mai) in Wittenberg stattfinden wird, werden bis zu 500.000 Gäste erwartet. Pünktlich zum Beginn des Lutherjahres wurde der Tierpark mit dem werbeträchtigen Tierschutzpreis des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet.
Vnd machet sie euch vnterthan
Der Versuch heutiger Theologen, Luther im Gegensatz zu den Vertretern der römisch-katholischen Kirche (oder auch des Judentums bzw. des Islam) eine besondere Tierfreundlichkeit zuzuerkennen, ist durch nichts zu belegen. Der vielzitierte Spruch von den "Belferlein und Hündlein", die angeblich in den Himmel kommen, da "jede Kreatur eine unsterbliche Seele hat", wurde ihm sehr viel später erst angedichtet. In seinen Schriften findet er sich nicht. Hingegen weiß er, der ja "teglich" mit Beelzebub "tzu Hare (=im Bett) ligen" mußte, diesen "verborgen in den Affen", die schon im Mittelalter zu Teufelstieren schlechthin stilisiert worden waren: da sie aussahen wie Menschen, aber nicht Gottes Ebenbild sein durften, mussten sie "dem Teuffel unterworffen (sein) / in die er feret / vnd sie besitzt." Den Papst bezeichnete Luther als "Affen in Rom", der auch dann nichts anderes sei als der Teuffel selbst, wenn man ihn in "Seide, Sammet und Scharlach" kleide. Weiter kein Wunder, dass der Wittenberger Luther-Tierpark in erster Linie Affen vorhält.
Tatsächlich war für Luther die Bibel die einzig verbindliche Richtschnur. Das Diktum aus dem 1. Buche Moses, in dem Gott seinen Ebenbildern mit Nachdruck befiehlt, sich die Erde untertan zu machen und sie zu beherrschen, liest sich bei ihm so: "VND Gott schuff den Menschen jm zum Bilde / zum Bilde Gottes schuff er jn / Vnd schuff sie ein Menlin vnd Frewlin. Vnd Gott segenet sie / vnd sprach zu jnen / Seid fruchtbar vnd mehret euch vnd füllet die Erden / vnd machet sie euch vnterthan. Vnd herrschet vber Fisch im Meer / vnd vber Vogel vnter dem Himel / vnd vber alles Thier das auff Erden kreucht." 1.Mose 1,27-28 Und ein paar Verse später: "Alles was sich reget vnd lebet / das sey ewre Speise 1.Mose 9,2-3. Als rechtschaffener Christenmensch wußte Luther gut gefüllte Schlachtschüsseln wohl zu schätzen. Für die berühmten Freßgelage in seinem Haus zu Wittenberg wurden stets Schweine, Kälber, Ziegen, Hühner, Gänse, Enten und Tauben vorrätig gehalten.
4 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Außer einem Luther haben die Protestanten wenig zu bieten. Also hat man ihm auch noch
Kay Krause am Permanenter Link
Na, denn feiert mal alle schön!
Und das auch noch mit meinen sauer verdienten Steuergeldern!
Haben diese Protestanten denn überhaupt kein Schamgefühl?
Dieter Bauer am Permanenter Link
"Was sagen eigentlich der Bundes-Rechnungshof und der Bund der Steuerzahler dazu?"
Thomas Gerlach am Permanenter Link
10 volle Jahre Jubel! Jubel! Jubel!
"Sich im Jahre 2017 dem allgemeinen Hype um Martin Luther zu entziehen", sei "nur schwer möglich", stellt der Autor zum Auftakt fest. Dabei ist es ja nicht nur das Jahr 2017, in dem sich die Evangelen mit peinlichster Selbstbeweihräucherung der Lächerlichkeit preisgeben. – Nein, man huldigt dem großen Reformator volle 10 Jahre im Rahmen einer ganzen "Luther-Dekade"!
Kasteit man sich ansonsten demütig in kahlen Kirchen, tut "Buße" ohne Ende und erwartet selbst nach dem Tod noch ewige (!) Qualen in einem "Feuersee", in den man zur Strafe für seine ruchlosen Sünden geworfen wird, kennt die Eitelkeit der berufsmäßigen Bescheidenheitsdarsteller plötzlich keinerlei Grenzen mehr, sobald es um die geschwätzige Selbstdarstellung ihres Glaubenskonzerns geht.
Sich diesem "Hype" zu entziehen, ist für meine Begriffe ganz einfach: Wer es noch nicht getan hat, geht zum Standesamt, und füllt eine Austrittserklärung aus, alle anderen können über die bigotte Gefallsucht der reformierten Masochisten schon lange nur mitleidig den Kopf schütteln.