In Gesamtdarstellungen zum Rechtspopulismus in Europa mangelt es meist an einem systematischen Vergleich. Einen solchen liefern Klaus Busch, Joachim Bischoff und Hajo Funke in ihrem Buch "Rechtspopulistische Zerstörung Europas? Wachsende politische Instabilität und die Möglichkeiten einer Kehrtwende".
Rechtspopulistische Parteien haben in vielen europäischen Ländern enorme Wahlerfolge verzeichnen können. Wie erklären sich diese Zustimmungswerte? Es muss offenbar sowohl Gründe dafür geben, welche mit der Entwicklung in Europa allgemein wie mit der Entwicklung in den Nationalstaaten zu tun haben. Will man diese Gründe differenziert ermitteln, bedarf es eines systematischen Vergleichs. Diesen beabsichtigen Klaus Busch, ehemaliger Professor für Europäische Studien, Joachim Bischoff, Redakteur der Zeitschrift "Sozialismus", und Hajo Funke, ehemaliger Professor für Politikwissenschaft. In dem gemeinsam verfassten Buch "Rechtspopulistische Zerstörung Europas? Wachsende politische Instabilität und die Möglichkeiten einer Kehrtwende" wollen sie den dabei relevanten Zusammenhängen nachgehen. Dabei verkoppeln die Autoren den Blick auf die Krise der Europäischen Union in verschiedenerlei Hinsicht mit dem Blick auf die Erfolge der rechtspopulistischen Parteien in fünf exemplarisch ausgewählten Ländern.
Am Beginn steht die Eurokrise, die als Hintergrund für den Aufschwung des Rechtspopulismus gedeutet wird. Die Autoren machen auf die ökonomischen und sozialen Folgen der Austeritätspolitik aufmerksam und gehen den Strukturproblemen der Wirtschafts- und Währungsunion nach. Dem folgend widmen sie sich ausführlicher dem Versagen der EU in der Flüchtlingskrise, habe sich deren Politik doch von der "Willkommenskultur" bis zur rechtsnationalistischen "Festungspolitik" entwickelt. Die Flüchtlingskrise sei dabei das Schwungrad des Rechtpopulismus gewesen. Erst danach geht es um den erwähnten Ländervergleich, wobei die Entwicklung in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Österreich betrachtet wird. Hierbei nutzt man fünf Faktoren: die sozioökonomische Entwicklung im Zuge der Eurokrise, die soziale Ungleichheit und deren Wahrnehmung, die Veränderung der politischen Stabilität des Landes, die Betroffenheit von der Flüchtlingskrise und historisch-kulturelle Einflussgrößen.
Darin werden dann auch die entscheidenden Bedingungsfaktoren für die Erfolge rechtspopulistischer Parteien gesehen. Die Besonderheiten in den jeweiligen Ländern stellten demgegenüber randständigere Gesichtspunkte dar. Dies sei etwa hinsichtlich der Einwände gegen die etablierten Parteien so, hätten diese doch in unterschiedlichem Maße unbefriedigend auf grundlegende Probleme reagiert. Der Anstieg des Rechtspopulismus habe dann noch mehr zur Instabilität des Parteiensystems beigetragen. Angesichts dieser Entwicklung bestehe die reale Gefahr, dass es zu einer Zerstörung der Eurozone und der EU durch einen Prozess der Re-Nationalisierung komme. Demgegenüber bedürfte es eines politisch-kulturellen Minimalkonsens zur Stabilisierung. Dieser müsse geprägt sein von einem beschäftigungs- und wachstumsorientierten Politikwechsel in der Fiskalpolitik, der Einrichtung eines konjunkturellen Stabilisierungsfonds im EU-Haushalt oder von der Schaffung eines zusätzlichen arbeitsmarktpolitischen Stabilisierungsfonds ebendort.
Die meisten Darstellungen zum Rechtspopulismus in Europa versprechen einen Vergleich. Dann werden aber nur Fakten zur Entwicklung in den Ländern präsentiert, und insofern fehlt es an einer Erörterung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Genau dies ist in der vorliegenden Arbeit aber nicht der Fall, denn die Autoren benennen zunächst fünf Untersuchungskriterien. Danach werden diese bezogen auf die Analyse der einzelnen Länder genutzt und am Ende auf einen Gesamtvergleich übertragen. Der inhaltliche Erkenntnisgewinn ergibt sich dann aus dem systematischen Vergleich, womit der innovative Aspekt der Erörterung und die Stärke der Untersuchung deutlich werden. Insgesamt kann allenfalls kritisiert werden, dass die Autoren zu stark auf sozioökonomische Gesichtspunkte fixiert sind und demgegenüber politisch-kulturelle Prägungen noch stärker hätten thematisiert werden können. Auch sind die europapolitischen Alternativen am Ende etwas zu allgemein ausgefallen, dies war aber auch nicht das Thema des beachtenswerten Vergleichs.
Klaus Busch/Joachim Bischoff/Hajo Funke, Rechtspopulistische Zerstörung Europas? Wachsende politische Instabilität und die Möglichkeiten einer Kehrtwende, Hamburg 2018 (VSA-Verlag), 220 S., ISBN 978-3-89965-778-4, 16,80 Euro
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A.S. am Permanenter Link
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