Die unredlichen Argumente des Films "Gott ist nicht tot 2"

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Screenshot aus dem Trailer zum Film
Screenshot aus dem Trailer zum Film

Pure Flix, die christliche Produktionsfirma, die hinter "Gott ist nicht tot"(2014) steckte, scheint mit dem kaum unterbietbaren Niveau jenes Propagandafilms absolut zufrieden gewesen zu sein und legte im Zwei-Jahres-Takt Fortsetzungen nach, die sich zwar ebenfalls für lustige Abende mit säkularen Freunden eignen, darüber hinausgehenden cineastischen Ansprüchen oder der Hoffnung, neue Impulse für irgendeine Debatte zu entdecken, aber abverlangen, auch die andere Wange hinzuhalten.

Das ist insofern schade, als sich der zweite Teil als Justizdrama tarnt und innerhalb seines ausgiebigen verbalen Schlagabtauschs vor Gericht durchaus die Chance gehabt hätte, potenziell spannende Argumente und Sichtweisen zu präsentieren. Dass dies nicht gelingt liegt weniger am Thema selbst als an der Unverfrorenheit der Macher, längst überholte, widerlegte Behauptungen als Tatsachen darzustellen, die innerhalb des doch arg kleinen filmischen Kosmos zwar tatsächlich die Geschworenen überzeugen können, in der Realität aber genau an jener scheitern. Fragwürdig darüber hinaus, warum der Anwalt der Anklage nicht oder nur ungenügend auf die fehlende Haltbarkeit hinweist. Und so bleibt der einzige Lerneffekt für den Zuschauer darauf beschränkt, ein kleines bisschen darüber zu erfahren, wie US-amerikanische Christen ticken, wie ihr Selbst- und Feindbild aussieht und wie wenige Skrupel sie haben, es mit der Wahrheit nicht so ganz genau zu nehmen.

Kurz zur Handlung: Eine US-amerikanische Lehrerin (Grace) bestätigt den wohlwollenden Vergleich einer Schülerin der Aussagen Martin Luther Kings, Gandhis und Jesu und muss sich daraufhin vor Gericht für diese dem Grundsatz der Trennung zwischen Staat und Kirche nicht entsprechenden Äußerungen rechtfertigen. Der böse Atheisten-Anwalt der ACLU (American Civil Liberties Union – eine liberale NGO, die sich in den USA für die Gleichberechtigung Homosexueller, das Abtreibungsrecht und eben die Trennung von Staat und Kirche einsetzt, also per definitionem ein Gegner der Produzenten des Films ist) macht unmissverständlich klar, dass es ihm darum geht, "ein für alle Mal (zu) beweisen, dass Gott tot ist". Wie die Brücke von der eigentlichen Anklage zu diesem Vorhaben geschlagen werden soll, was die ACLU in der Realität übrigens wohl ziemlich sicher nicht versuchen würde, bleibt schleierhaft. Beim Prozess selber fliegen dann dementsprechend auch reihenweise Argumente durch die Gegend, die nur bedingt mit der Ausgangssituation zu tun haben.

Hat der Zuschauer sich erst einmal an die arg plumpen inszenatorischen Verfehlungen gewöhnt – der Anwalt Kane, dessen Name wohl nicht zufällig an Kain erinnert, würde bei einer Bewerbung als Disney-Bösewicht jedenfalls mit Sicherheit zum Casting eingeladen werden –, geht es auch schon auf inhaltlicher Ebene weiter: Der Autor Prof. Lee Strobel, der sich selbst spielt, führt an, dass ja bereits die Unterteilung des Kalenders in vor und nach Christus ein Beweis für dessen Existenz sei. Analog müsste er dann natürlich auch nordisch-germanische Gottheiten wie Thor (Thursday) oder Wotan (Wednesday) anerkennen. Aber sei es drum, es wird noch besser.

Im Folgenden verweist Strobel auf den Historiker Gary Habermas, der in 39 historischen Quellen, die "rein gar nichts mit dem Christentum zu tun" hätten, mehr als 100 Fakten über Jesu Leben entdeckt habe. Leider wird, was natürlich teils auch dem Medium Film geschuldet ist, versäumt, die Quellen näher zu beleuchten. Glücklicherweise spielen sie kaum eine Rolle, weil es in dem Gerichtsfall ausdrücklich darum geht, die Lehre Jesu, nicht seine historische Existenz gelehrt zu haben. Es genügt schlichtweg nicht, einen historischen Jesus zu beweisen, wenn es um den biblischen geht. Bei der Trennung von Glaubensinhalten (Kirche) und wissenschaftlichen Erkenntnissen (Staat, staatliche Schule) stünde der historische Jesus auf letzterer Seite. Die Beweise müssten also die Identität beider Figuren belegen, was keiner einzigen Quelle gelingt. Stellvertretend sei beispielsweise Tacitus, eine der 39 Quellen, genannt, dessen kurze Erwähnung Jesu mehrere Generationen nach dessen Tod formuliert wurde, "also nur auf den im 2. Jahrhundert umlaufenden Erzählungen" basiert und zudem bloß aussagt, "dass er unter Tiberius starb".

Das ist das große Problem der Versuche, Jesu Historizität zu beweisen. Wenn die Echtheit der Quellen nicht ohnehin mindestens umstritten ist (wie beispielsweise beim Testimonium Flavianum), so kranken sie daran, dass sie entweder so gut wie gar nichts aussagen und umstritten ist, welcher Jesus eigentlich gemeint ist, oder aber in aller Regel nicht zeitgenössisch sind, sodass die Vermutung nahe liegt, dass lediglich Erzählungen über Jesus verschriftlicht wurden. Die Frage, warum die Historiker, die zu Jesu Zeit gelebt haben, ihn praktisch gar nicht erwähnen, trotz all der Wunder, der Auferstehung etc., ist ein großer Dorn im Auge derjenigen, die versuchen, die Existenz des biblischen Jesu historisch zu beweisen .

James Warner Wallace, der sich ebenfalls selbst spielt, ist ein pensionierter Kriminalbeamter, Autor mehrerer Bücher, Spezialist für die Lösung von Cold-Cases, also Fällen, die lange ruhten und dann wiederaufgenommen werden. Sein Ausgangspunkt ist ein Verfahren, die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen zu überprüfen, die forensische Aussagenanalyse. Diese hat er im Rahmen seines Buches "Cold-Case Christianity" auf die vier Evangelien angewandt und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie der Wahrheit entsprechen. Dabei seien insbesondere gerade die gegebenen Unterschiede zwischen den Texten ein Indiz für ihre Glaubwürdigkeit, denn verschiedene Perspektiven mehrerer Zeugen führten automatisch zu leicht unterschiedlichen Aussagen. Außerdem gebe es mehrere Stellen sogenannter Augenzeugen-Support-Statements, also kleine Lücken in einem Evangelium, die in einem anderen gefüllt werden, was typisch für glaubwürdige Zeugenaussagen sei.

Man kann hier auf verschiedenen Ebenen widersprechen, nämlich:

  1. Der Widerspruch seiner Theorie zum aktuellen Kenntnisstand der Bibelforschung ist erdrückend, denn die vier Evangelisten waren keine Augenzeugen. Das Markus-Evangelium wurde ca. 70 n. Chr. geschrieben, später schrieben dann Matthäus und Lukas von ihm ab (wobei schon die Namen fiktiv und erst später hinzugefügt worden sind) und verarbeiteten dabei auch weitere kursierende Erzählungen. Diese Theorie erklärt die gegebenen Unterschiede deutlich besser als Wallaces. Wären tatsächlich alle vier Evangelisten auch Augenzeugen gewesen, so wären die Abweichungen viel zu groß, als dass sie nur durch unterschiedliche Perspektiven bedingt sein könnten.
  2. Die Frage, ob sein Beweis für die historische Authentizität der Evangelien auch für die von Grace im Unterricht getätigten Aussagen gelten würde, bejaht Wallace. Die konkrete zitierte Textstelle stammt aber aus der Bergpredigt, die ausnahmslos im Matthäus-Evangelium geschildert wird. Wallace kann diese Aussage also gar nicht durch den Vergleich mit einer anderen verifiziert haben. Zudem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass viele der Aussagen der Bergpredigt, auch die betroffene Stelle, gar nicht originär von Jesus stammen, sondern zuvor schon an anderer Stelle formuliert worden waren, sodass es sich augenscheinlich lediglich um ein Plagiat handelt.
  3. Wallace unterläuft ein logischer Fehler. Seine These lautet: Wenn die vier Evangelien tatsächlich wahre Zeugenaussagen sind, würde man bei ihnen dieselben Details beobachten können wie bei zeitgenössischen wahren Zeugenaussagen, kleine Abweichungen etc. Selbst wenn man ihm an diesem Punkt zustimmt, ist der Umkehrschluss schlicht unzulässig. Aus p→q folgt nicht q→p. Es ist allenfalls ein Indiz, keineswegs aber ein Beweis.

Im großen Finale holt der Film dann noch einmal so richtig frech aus und schleudert dermaßen haltlose Behauptungen von der Leinwand, dass selbst der ironisch gebrochene Filmgenuss dann doch etwas ins Wanken gerät. Das Verbot religiöser Unterrichtsinhalte (wohlgemerkt, im Geschichtsunterricht!) führe letztendlich zu repressiven Mechanismen, die privaten Glauben unter Todesstrafe stellten. Ein derart hanebüchen absurd falscher Fehlschluss bedarf keines Kommentars.

Wie auch schon der erste Film, der übrigens hier beim hpd treffend kommentiert wurde, endet auch Teil 2 mit einer Liste von realen Fällen, die als Inspiration gedient haben sollen. Es ist eine schöne Beschäftigung für die verbleibenden winterlichen Abende, bei einem guten Glas Rotwein diese Fälle nachzulesen und zu schauen, wie stark die Parallelen zur Filmhandlung ausgeprägt sind bzw. ob die Behauptung stimmt, Christen wären tatsächlich für ihren Glauben verurteilt worden. Spoiler: Kaum; doch Christen scheinen zu glauben, die Opferrolle stehe ihnen gut.