Eine polemische Erörterung des Philosophen Jan Skudlarek

Zwischen Fake News und Verschwörungsvorstellungen

Der promovierte Philosoph Jan Skudlarek legt in seinem Buch "Wahrheit und Verschwörung" eine Erörterung zu Fake News und Konspirationsvorstellungen vor. Auch wenn die Arbeit ein wenig zu "cool" formuliert und fragmentarisch angelegt ist, findet man doch einige wichtige Reflexionen, auch und gerade zu den Folgen von "gefühlten Wahrheiten".

Keinem Politiker sind so viele Falschaussagen nachgewiesen worden wie Donald Trump. Seine Kritiker bezichtigt er hingegen selbst der "Fake News". Das, was hier der gegenwärtige US-Präsident von sich gibt, ist indessen nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. "Alternative Fakten" und "gefühlte Wahrheiten" verbreiten sich immer mehr.

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Dabei konstruieren nicht nur abseitige Internet-Nutzer ihre absonderlichen Sichtweisen auf die Welt. Auch aus rechtspopulistischen Parteien und polternden Protestbewegungen heraus werden die die kuriosesten Verschwörungsvorstellungen vorgetragen. Dies ist alles durchaus folgenreich für die Gestaltung des sozialen Miteinanders und eben nicht nur Grund zum abschätzigen Schmunzeln. Insofern finden sich zunehmend einschlägige Bücher auf dem Markt, die in aufklärerischer Absicht gegen solche Fehlschlüsse argumentieren. Dazu zählt auch "Wahrheit und Verschwörung. Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist", ein schmaler Band, der von dem als Lyriker bekannt gewordenen Philosophen Jan Skudlarek vorgelegt wurde.

Als dessen "steile These" formuliert er bereits im Vorwort: "Wahrheit gibt es. Echtheit auch. Es gibt bessere und schlechtere Beschreibungen der Wirklichkeit. Und Verschwörungstheorien sind unwahr, sind gemeingefährlicher Quatsch – Quatsch, den wir ein Stück weit zu glauben veranlagt sind, aber das macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil! Ich sage: Die Wirklichkeit bleibt nach wie vor erkennbar. Ich sage: Die Welt bleibt beschreibbar. Ich sage: Angemessen zu zweifeln kann man lernen" (S. 10). Bereits hier sei darauf aufmerksam gemacht, dass das Buch meinungsstark und polemisierend angelegt ist. Dem Autor gilt als Grundanliegen "die Frage nach der angemessenen Beschreibung der Wirklichkeit", die gegen eine "passende Beschreibung der Wirklichkeit" (S. 15) gerichtet werden soll. Und dann stürzt sich Skudlarek auf seinen Stoff, wobei er konkrete Beispiele mit verallgemeinerbaren Erkenntnissen verkoppelt. Dann wird etwa die Frage nach "echtes Leder" oder "Kunstleder" mit der nach "Echtheit" und "Wahrheit" verbunden.

Besondere Aufmerksamkeit findet durch das ganze Buch hindurch die Auseinandersetzung mit Verschwörungsvorstellungen, wobei Beispiele aus der Gegenwart von den Chemtrails bis zur Islamisierung thematisiert werden. Bei all dem geht es um die Kritik an einer "alternativen Wahrheitserzählung" (S. 58) und der "gefühlten Wahrheit" (S. 99). Es werden aber auch die bedenklichen Folgen von solchen Konspirationsvorstellungen erörtert und die Unterschiede von gesundem und toxischem Zweifel erörtert.

Wer Impfungen für seine Kinder ablehnt, gefährdet eben auch die Gesundheit seiner Kinder. Abschließend formuliert der Autor fünf Thesen: "Wahrheit ist ein durch und durch soziales Phänomen (…); Aussagen über die Welt sind in ihrer Beschreibung keineswegs gleichwertig und beliebig (…); wir müssen unsere Meinungen vielmehr an Fakten orientieren …; für uns grundlegend ist der Glaube an die Möglichkeit einer richtigen, sinnvollen, wahren Beschreibung der Welt …"; und "Wahrheit lieben heißt Unwahrheit(en) widersprechen" (S. 181).

Der Autor gibt sich bei seiner Erörterung und Wortwahl "cool". Da springt er bei der Argumentation zwischen Beispielen und Theorie hin und her, erlaubt sich vielfach auch einer inhaltlichen Zuspitzung. Es fehlt dann aber mitunter an Struktur und Stringenz im Text. Das macht die Lektüre abwechslungsreich, so wird aber mitunter bestimmten Reflexionen entgangen. Denn die Frage im Untertitel "Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist" wird doch nicht so klar beantwortet. Hier mag man einwenden, dass dies eben auch nicht so einfach ist, nur, sollte man dann aber auch nicht so formulieren. Dass der Autor gleich bei der Präsentation seiner These immer "Ich sage" formulieren muss, steht auch für die Schreibperspektive für den Text. Dies schmälert nicht den Erkenntnisgewinn, gleichwohl wirkt die Präsentation etwas fragmentarisch. Dies bedeutet nicht, dass nicht auch viele Argumente der inhaltlichen Beachtung bedürfen. Allein schon bezogen auf die Ausführungen zu den Folgen von Konspirationsauffassungen ist das so.

Jan Skudlarek, Wahrheit und Verschwörung. Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist, Stuttgart 2019 (Reclam), 208 S., ISBN: 978-3-15-011199-4, 18,00 Euro