Pressekonferenz

Mein Ende gehört mir

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Fotos: © Frank Nicolai

BERLIN. (hpd) Heute stellte sich in Berlin das Bündnis “Selbst­bestimmung bis zum Lebens­ende” vor. Die beteiligten Verbände und Organi­sationen fordern, dass auch zukünftig die Suizid­hilfe in Deutsch­land straf­frei bleiben muss - entgegen den Plänen der neuen Bundes­regierung.

 

Im voll besetzen Saal 3 im Haus der Bundes­presse­konferenz wurde heute Vormittag über ein noch viel zu häufig tabuisiertes Thema gesprochen: Hilfe zum Suizid.

In der letzten Legislaturperiode noch scheiterte ein Gesetz­entwurf der schwarz-gelben Koalition zur Ver­schärfung des Straf­rechts, das die Bei­hilfe zum Suizid unter Strafe stellen wollte. Doch kaum war der neue Gesund­heits­minister, Hermann Gröhe (CDU) im Amt, rief er erneut nach einem Straf­rechts­paragraphen, der “organisierte Selbst­tötungshilfe” verbieten soll. Ganz so, als wäre ihm die Zustimmung von drei Vierteln der Bevölkerung gleichgültig, die der Ansicht sind, dass es zum Selbst­bestimmungs­recht und zur Würde jedes Menschen gehört, über sein Lebensende selbst und frei bestimmen zu können.

Christliche Moralvorstellungen

Johann-Albrecht Haupt von der Humanistischen Union (HU) wies in seinem Statement explizit darauf hin, “dass der Versuch, durch gesetz­liche Regelungen, Verbote und Straf­androhungen mehr oder weniger alle ärzt­lichen und alle organisierten Formen frei­williger Hilfe bei der Selbst­tötung erschwert oder gänzlich verhindert werden” insbesondere “die moralische Ächtung des Wunsches, seinem Leben ein Ende zu machen” bedeutet. “Diese Ächtung”, so Haupt, “hat auch und vor allem einen religiösen Hinter­grund.” Während in vor­christ­licher Zeit - oder auch außerhalb des christ­lichen Kultur­raumes - es weder “sündhaft” war - sondern in einigen Fällen sogar als “ehrenhaft” galt - hat die christ­liche Religion Selbst­mörder als “Gottes­frevler” ausgestoßen. “Diese religiös motivierte Beur­teilung darf in einem säkularen Staat aber nicht zum Maßstab staat­lichen Handelns und staat­licher Gesetz­gebung gemacht werden.”

Matthäus-Maier fordert Respekt

Damit aus diesen religions­kritischen Worten nicht abgeleitet werden kann, dass das Bündnis generell religiösen Menschen ihre Ansichten ab­spricht, wies die Koordinatorin des Bündnisses, Ingrid Mattäus-Maier, mehrfach darauf hin, dass “wir respektieren, dass andere zum Beispiel auf Grund ihres Glaubens Suizid und und daher auch Suizid­begleitung ab­lehnen.” Es gäbe auch “keine Absicht, diese Über­zeugungen irgend­jemandem auszu­reden. Wir erwarten aber auch umgekehrt Respekt und weisen darauf hin, dass in einem religiös-weltan­schaulich neutralen Staat das Straf­recht nicht dazu miss­braucht werden darf, die eigene welt­anschaulich-religiöse Über­zeugung anderen aufzuzwingen.”

Eine Änderung des Strafrechts - und schon gar nicht die Ein­führung eines neuen Straf­tat­bestandes - ist nicht notwendig. Denn das geltende Recht stellt weder den Suizid noch die Bei­hilfe dazu unter Strafe. Darüber verun­sicherte Patienten wie auch Ärzte aufzu­klären ist somit auch die haupt­sächliche Aufgabe des Bündnisses.

Mattäus-Maier wies darauf hin, dass es bei einer Straf­rechts­ver­schär­fung dazu käme, dass sich “nur begüterte Sterbe­willige - entweder geheim in Deutsch­land oder offiziell im Ausland - ärztlichen Beistand bei der Selbst­tötung leisten können.”

Palliativmedizin ist nicht immer hilfreich

Von den Befür­wortern einer straf­rechtlichen Verfolgung von Suizid­begleitung hört man immer wieder, dass es heute nicht mehr nötig sei, darüber nach­zudenken, da die Palliativ­medizin heute in der Lage sei, Menschen bis an Ihr Lebens­ende schmerz­frei zu begleiten. Dem setzte Gita Neumann vom Humanistischen Verband Deutsch­lands (HVD) einige Tatsachen entgegen, die das in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. So stellte sie klar, dass zwar jeder Platz in einem Hospiz von der Allgemein­heit mit 250 Euro am Tag finanziert wird (so dass er für Patienten völlig kosten- und zuzahlungsfrei ist) - es allerdings eine nur sehr selten öffentlich gemachte Ein­schränkung gibt: “Die stationäre Hospitz­versorgung ist nach § 39 SGB V (Sozialgesetzbuch) beschränkt auf über­schaubare letzte Lebens­tage oder -wochen, was zu über 90 Prozent nur auf Krebs­kranke im End­stadium zutrifft und nur gut 1 Prozent der Bevölkerung in Anspruch nehmen kann.” Alle anderen, kranken und leidenden Menschen sind also davon schon per Gesetz ausgeschlossen. Das gilt auch für Menschen, die in Pflege­heimen leben.