Der "Kruzifixstreit"

(hpd) Der Lehrer Ulf Faber kritisiert in seinem Buch, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass Kruzifixe nicht in staatlichen Schulen angebracht werden dürfen, immer noch ignoriert wird. Der Autor macht dabei aus religionskritischer Perspektive an Beispielen auf die mangelnde Umsetzung einer eindeutigen Vorgaben aufmerksam, wobei er aber im Laufe des Textes mitunter den Bezug zu seinem eigentlichen Thema verliert.

Das Bundesverfassungsgericht kam am 16. Mai 1995 zu folgender Entscheidung: “Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 GG.” Und weiter hieß es: “Zur Glaubensfreiheit gehört … die Freiheit kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben. Diese Freiheit bezieht sich ebenfalls auf die Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt. … Zusammen mit der allgemeinen Schulpflicht führen Kreuze in Unterrichtsräumen dazu, dass die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit mit diesem Symbol konfrontiert sind und gezwungen werden, ‚unter dem Kreuz’ zu lernen.” Diese eindeutigen Aussagen blieben indessen meist ohne Konsequenzen, was man an der Kontinuität von Auseinandersetzungen um die damit einhergehenden Fragen ablesen kann. Ihnen widmet Ulf Faller, Lehrer an einem Gymnasium, ein Buch auch aus dem eigenen Erleben heraus.

In dem “Der Kruzfixstreit oder Warum Schule säkular sein muss. Hintergründe einer notwendigen Debatte” betitelten Text will der Autor deutlich machen, “warum es sowohl berechtigt als auch notwendig ist, die Frage nach Kreuzen in Klassenzimmern zu stellen” (S. 1).

Beispielbild

Zunächst geht Faller auf die kontroversen Auseinandersetzung um die Frage ein, wobei auch noch einmal an den zitierten Kruzifixbeschluss des Bundesverfassungsgerichts erinnert wird. Dem folgen kurze Betrachtungen zur Debatte in anderen Ländern und zu den Urteilen des “Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte”. Insgesamt zeigt die inhaltliche Auseinandersetzung dabei auch, dass die Konfliktlinien nicht bezogen auf die Einstellung zum Glauben verlaufen: “So ist die Laizismusdebatte auch keine Debatte zwischen religiösen auf der einen und Atheisten oder Religionskritiken auf der anderen Seite. Es gibt viele überzeugte Christen, die sich ebenso überzeugt für einen laizistischen Staat einsetzen …” (S. 41). Die Positionen der SPD-Politikers Hans-Jochen Vogel werden als Beispiel genannt.

Nach diesen Ausführungen fragt Faller kurz danach, wofür das Kreuz eigentlich inhaltlich steht. Dem folgen Informationen zu sozialwissenschaftlicher Forschung über die Akzeptanz und Verbreitung einschlägiger Einstellungen in der Bevölkerung, wobei sich die Erosion feststehender Glaubensauffassungen zugunsten der Herausbildung pluralistischer Haltungen zeigt. Demnach dürfe der Staat auch nicht ein traditionelles Bild vom Christentum in seinen Institutionen lehren oder propagieren.

Inwieweit das Christentum denn als geistige Wurzel Europas anzusehen ist, behandelt Faller danach in einem ideengeschichtlichen Überblick, wobei der große Einfluss von Antike, Aufklärung und Naturwissenschaften als entscheidendere Tendenzen deutlich wird. Am Ende des Buches geht er noch einmal auf das Verhältnis von Religion und Schule ein, wobei als Konsequenz aus den vorstehenden Betrachtungen für eine säkulare Schulpolitik plädiert wird. Faller liefert für deren Ausrichtung einige konkrete Vorschläge zur Veranschaulichung.

Das Buch “Der Kruzifixstreit” macht somit auf eine interessante Problematik aufmerksam: Es gibt ein eindeutiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts, was ebenso wenig eindeutig kaum umgesetzt wurde. Insofern verdient Fallers Werk allein schon deswegen Aufmerksamkeit, weil hier ein Gegensatz von Rechtssprechung und Praxis deutlich wird. Indessen irritiert ein wenig, dass der Autor sich von seiner eigentlichen Thematik im Laufe des Textes entfernt. Erst zum Schluss kommt er wieder auf die Problematik “Religion und Schule” zurück.

Die vorherigen Aspekte, wobei es um die gesellschaftliche Akzeptanz von Religion in der Gesellschaft und die Prägung Europas durch das Christentum geht, haben nur am Rande etwas mit dieser Problematik zu tun. Hier hätte man sich stärker eine Argumentation aus der Perspektive der demokratie- und pluralismustheoretischen Notwendigkeit der Trennung von Religion und Staat gewünscht. Indessen liefert Faller auch so beachtenswerte Anregungen für eine zwischenzeitlich wieder “eingeschlafene” Debatte nicht nur um Schulpolitik.

 


Ulf Faller, Der Kruzfixstreit oder Warum Schule säkular sein muss. Hintergründe einer notwendigen Debatte, Marburg 2014 (Tectum-Verlag), 187 Seiten, 17,95 Euro

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