Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat am Montag einen Gesetzentwurf zur ersatzlosen Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche, Paragraph 219a StGB, vorgestellt. Damit kommt er zügig einer Festlegung im Koalitionsvertrag der Ampel nach. Der Strafrechtsparagraph, durch den es auch nach seiner umstrittenen Reform möglich ist, sachliche Information durch Ärzt:innen als Werbung zu werten, steht seit langem in der Kritik.
Ärztinnen und Ärzte sollen auch auf ihren Internetseiten sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren können, so der Minister in Berlin. Die bisherige Situation bezeichnete er als "unhaltbaren Rechtszustand". Und weiter: "Es kann nicht sein, dass jeder alles über diese Dinge ins Internet setzen kann, aber ausgerechnet (…) Menschen, die dazu qualifiziert sind, in besonderer Weise, das nicht können".
Die Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel, die durch ihre Verurteilung auf Grundlage von 219a die Problematik ins öffentliche Bewusstsein brachte und zur Symbolfigur im Kampf gegen die veraltete Regelung wurde, sprach in der "Tagesschau" von einem "Meilenstein", da das ärztliche Ethos aufzuklären und zu einer informierten Entscheidung der Patientinnen und Patienten beizutragen gravierend angegriffen sei.
"Die Streichung des Paragraphen 219a ist zweifellos ein erster wichtiger Schritt, aber er reicht beileibe nicht aus", sagte Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, bereits in seiner digitalen Neujahrsansprache. Die Stiftung hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung die historische Chance zu einer neuen säkularen Rechtspolitik ergreifen werde. In Bezug auf das reproduktive Selbstbestimmungsrecht bedeutet das, dass auch Paragraph 218, der den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich als kriminelle Handlung ausweist, der nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt, abgeschafft werden muss – sei es durch ein gerichtliches Verfahren oder durch eine Initiative der neuen Bundesregierung, die laut Koalitionsvertrag eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einsetzen will, welche eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen soll.
Doctors for Choice Germany begrüßt die geplante Aufhebung des nicht nur Werbe-, sondern auch Informationsverbots in einer Stellungnahme ebenfalls und nennt sie "längst überfällig", merkt jedoch auch an, dass dies allein die Versorgungslage für ungewollt Schwangere in Deutschland nicht verbessern werde. Die Ärzte-Organisation fordert weitergehende Maßnahmen etwa gegen die Verbreitung von Falschinformationen durch Abtreibungsgegner.
Eine Amnestie für bisher auf Grundlage von Paragraph 219a Verurteilte ist nicht vorgesehen. Die vorliegenden Verfassungsbeschwerden bleiben ebenfalls bestehen, auch nach einer Aufhebung dieser Rechtsgrundlage, wie die taz ausführt. Weitere Klagen auch gegen die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots könnten hinzukommen. Dann muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Regelung oder ihre Abschaffung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
7 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Die Sicherstellung der flächendeckenden Möglichkeit zur Abtreibung wäre ein weiterer wichtiger Schritt und Aufgabe für die "Ampel"-Regierung
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wer einen "Schwangerschaftsabbruch [und aufklärende ärztliche Information darüber; d.Verf.] grundsätzlich als kriminelle Handlung ausweist", hat bei mir grundsätzlich jedes Vertrauen verspielt, aka verschiss
Roland Weber am Permanenter Link
Zitat:
Das ist bemerkenswert:
Strafbarkeit trotzt Verfassungswidrigkeit der "Rechts"norm!???
"Verfassungswidrig" heißt "nichtig" - und damit käme man zu einem Strafvollzug wegen "Nichts"! - Muss die Rechtsgeschichte neu geschrieben werden? Im Falle der Nichtigkeit wären aus rechtsstaatlichen Gründen sogar Entschädigungszahlungen fällig!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Damit hast Du, lieber Roland, vollkommen recht! Es ist nahezu ungeheuerlich wohin die Kirchen unseren " Rechtsstaat " gebracht haben.
Es wird höchste Zeit, dass die Regierung und die Gerichte aufwachen aus ihrem Glaubenstraum und sich der Realität stellen sowie Schlüsse daraus ziehen.
Diese absurden Gesetze gegen jegliche Vernunft müssen abgeschafft werden!
M.S. am Permanenter Link
Nein, es ist logisch. Das Gesetz kann geändert werden, aber die Verfassungswidrigkeit wird dadurch nicht festgestellt. Denn ein Gesetz kann auch geändert werden, wenn es zuvor nicht verfassungswidrig war.
Das darf das Bundesverfassungsgericht noch zusätzlich klären, damit auch rückwirkend Verurteilungen unwirksam werden.
Roland Weber am Permanenter Link
Entscheidend ist, ob seitens des BVerfGs die Verfassungswidrigkeit festgestellt wird. Ich gehe davon aus, dass genau deswegen ja das BVerfG angerufen wurde. Für eine Gesetzesänderung ist das BVerfG nicht zuständig!
Nur auf diesen Fall - Feststellung der Verfassungswidrigkeit (den ich erhoffe!) - bezieht sich meine Äußerung. Allerdings greift das BVerfG auch immer wieder zu der (Not-)Lösung, dass eine Regelung zwar für verfassungswidrig erklärt wird, es aber dem Gesetzgeber eine Frist zur Beseitigung der Mängel einräumt. Damit wird bis zur Ablauf der Frist eine "Verfassungsgemäßheit" fingiert, die dann eben noch "gilt".
Zu dieser Notlösung wird das Gericht jedoch nur kommen, wenn die sofortige Nichtigkeitserklärung schwerweigende gravierendere (!) Folgen hätte, als die sofortige Nichtigkeitserklärung. Warten wir's ab ...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Prinzipiell müsste man dem Staat b.z.w. dessen Vertretern klar machen, dass diese nicht unsere Herrscher, sondern unsere Angestellten sind, welche wir mit unserer Stimme dazu
gewählt haben.