Unerwartet klares Ergebnis einer Repräsentativ-Befragung von über 4.000 Bürgern

72 Prozent für gemeinsamen Ethik-Unterricht

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Alle Schüler sollten gemeinsam im Fach Ethik unterrichtet werden. Dafür sprechen sich 72 Prozent der 4.030 von der GfK repräsentativ ausgewählten Bürger im Alter von 18 bis 74 Jahren aus. Sowohl die Konfessionsfreien als auch die sich einer Religion zugehörig fühlenden Bürger stehen mit großer Mehrheit hinter einem Ethik-Unterricht für alle.

Auftraggeber der vom 24. Februar bis 20. März durchgeführten Repräsentativstudie ist der Bund für Geistesfreiheit Bayern (bfg). Dessen Vorsitzender Erwin Schmid fordert nach diesem eindeutigen Meinungsbild "eine Politik für den Zusammenhalt der Gesellschaft und keine Interessenpolitik für religiöse Verbände. Wer ein friedliches Zusammenleben fördern will, muss das Gemeinsame stärken und nicht das Trennende."

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41 Prozent Konfessionsfreie

Statt nach der Mitgliedschaft zu fragen, wollte der bfg, beraten von der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), wissen, welcher Religion sich die Befragten zugehörig fühlen. Die Konfessionsfreien, keiner Religion nahe stehend, bilden mit 41,3 Prozent die größte Gruppe. In weitem Abstand folgen jene, die sich als evangelische/r (28,2 Prozent) oder katholische/r (24,4 Prozent) Christ/in empfinden. 3,8 Prozent fühlen sich als Muslim/in und 2,2 Prozent einer anderen Religion zugehörig.

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Fragen und Antwortvorgaben im Wortlaut

"Dass man mit entsprechend formulierten Fragen Einfluss auf die Antworten nehmen kann, ist hinlänglich bekannt", erklärt fowid-Leiter Dr. Carsten Frerk. Deshalb sei es für eine sachliche Beurteilung von Umfrage-Ergebnissen erforderlich, Fragen und Antwortvorgaben im Wortlaut und in der vorgenommenen Reihenfolge zu kennen. Bei der Umfrage zum Ethik-/Religionsunterricht sieht er alle wissenschaftlich-methodischen Anforderungen erfüllt. So wurde zum Beispiel zuerst die Frage zum Unterrichtsfach und erst danach die Frage zur Religionszugehörigkeit gestellt. Frerk weist außerdem auf die ungewöhnlich große repräsentative Stichprobe von 4.030 Personen hin. "Beim 'ZDF-Politbarometer' und beim 'ARD-DeutschlandTrend' werden beispielsweise nur zwischen 1.000 und 1.500 Personen befragt. Deshalb ist der Fehlerbereich bei der Ethikumfrage der GfK deutlich geringer (+/- 2 %) als bei den Meinungsbefragungen, deren Ergebnisse nahezu wöchentlich in den Medien präsentiert werden." Hinzu komme, dass die beiden bfg-Fragen nur zwei von vielen unterschiedlichen Fragen im Rahmen des "GfK eBus" gewesen seien. Jeder Sitzplatz steht dabei für eine andere Frage.

Die erste Frage lautete: "Unsere Gesellschaft ist zunehmend bunter und vielfältiger geworden. Welchen der folgenden Vorschläge zum Schulunterricht halten Sie für am besten geeignet, ein friedvolles Miteinander der Menschen zu fördern?"

28 Prozent der Befragten kreuzten die Antwort "Schüler/innen mit Religionszugehörigkeit besuchen das Fach Religionslehre, alle anderen Schüler das Fach Ethik." an. Diese Vorgabe entspricht der gegenwärtigen Regelung in den meisten Bundesländern.

50 Prozent setzten ihr Kreuz bei "Alle Schüler/innen besuchen das Fach Ethik. Das Fach Religionslehre wird zusätzlich angeboten, die Teilnahme ist jedoch freiwillig." Diese Vorgabe entspricht der Regelung seit 2006/07 in Berlin.

22 Prozent wollten gar keinen Religionsunterricht mehr haben: "Alle Schüler/innen besuchen das Fach Ethik. Das Fach Religionslehre entfällt." Diese Vorgabe hat bisher noch kein Bundesland.

In allen Religionsgruppen große Mehrheit für gemeinsamen Ethik-Unterricht

Welcher Religion sie sich auch zugehörig fühlen: In allen religiösen Gruppen befürwortet eine große Mehrheit einen gemeinsamen Ethik-Unterricht für alle Schüler/innen. Die Zustimmung liegt zwischen 57 und 67 Prozent. Darüber liegen nur die Konfessionsfreien mit 86 Prozent. Evangelische befürworten einen Ethik-Pflichtunterricht zu 67 Prozent und die Katholiken zu 57 Prozent. Von den sich als Muslim/in fühlenden Befragten stimmen 60 Prozent einem gemeinsamen Ethik-Unterricht für alle Schüler/innen zu.

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Je älter die Befragten, desto eher befürworten sie Ethik-Unterricht für alle

Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es 64 Prozent und danach in jeweils 10-Jahres-Abständen 67 Prozent, 70 Prozent, 74 Prozent und 82 Prozent. Die 70- bis 74-Jährigen liegen mit 80 Prozent nur geringfügig darunter. Dazu Erwin Schmid: "Offensichtlich wirkt der Religionsunterricht, den die meisten Schüler/innen besuchen müssen, noch lange nach. Deshalb wehren sich die Kirchen auch vehement gegen einen gemeinsamen Ethik-Unterricht, der ihren Einfluss auf Minderjährige zweifellos begrenzen würde."

Neun Prozentpunkte Unterschied zwischen alten und neuen Bundesländern

Ethik-Unterricht für alle befürworten 70 Prozent der Befragten in den alten und 79 Prozent in den neuen Bundesländern. Grund dafür dürfte sein, dass sich in den alten Bundesländern 34 Prozent als konfessionsfrei bezeichnen, in den neuen Bundesländern hingegen 71 Prozent. Auf das Gesamtergebnis hat der höhere Anteil der Konfessionsfreien aber nur geringen Einfluss, weil die neuen Bundesländer lediglich ein Fünftel der Gesamtbevölkerung stellen.

Umfrage-Ergebnis ein klares Signal an Politik und Verbände

Ernst-Günther Krause, Initiator der Umfrage zum Ethik- und Religionsunterricht, hat in der Berufsschule jahrzehntelange Erfahrungen mit der Trennung von Schüler/innen nach Religionszugehörigkeit gesammelt. "Es war für mich als Pädagoge immer sehr schmerzhaft zu sehen, wie zwei Gruppen von Schüler/innen den Klassenraum verlassen mussten und eine dritte Gruppe sitzenbleiben konnte. Und das letztlich nur, weil ihre Eltern Mitglieder von zwei größeren Kirchen sind oder sich keiner oder einer anderen Religion zugehörig fühlen." Im Ruhestand hat der Diplom-Handelslehrer nun die Zeit, sich "mit aller Kraft für eine friedvollere Welt und einen gemeinsamen Ethik-Unterricht für alle Schüler/innen einzusetzen. 72 Prozent sind eine verfassungsändernde Mehrheit und ein klares Handlungssignal sowohl an die Abgeordneten als auch an die Eltern- und Lehrer/innen-Verbände. Oberster Grundsatz für alle, die Verantwortung tragen, muss es sein, zum Wohl unserer Kinder und unserer Gesellschaft zu handeln."

Bereits im Mai 2017 hat der Philosoph Julian Nida-Rümelin in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass der Ethikunterricht in einer zunehmend säkularen Gesellschaft immer wichtiger werde. Zitat: "Das eine ist der Anspruch, Religionsunterricht an den staatlichen Schulen zu erhalten. Und das andere ist das gewissermaßen alles Überwölbende und alles Zusammenfassende: Nämlich die ethische, die normative, die moralische Substanz einer demokratischen Gesellschaft bei allen Unterschieden der verschiedenen Gemeinschaften, Religions-, Kultur-, Herkunftsgemeinschaften, zu entwickeln und zu stärken." Nida-Rümelins Zukunftsvision lautet deshalb: Ein gemeinsamer Ethikunterricht für alle.

fowid hat dazu ebenfalls eine Meldung mit weiteren Daten und Grafiken veröffentlicht.

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