Sind die vielen christlichen Feiertage noch angemessen? Ein ungewöhnlicher Vergleich

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Reiten und Religion – beides sind Vorlieben mancher Menschen – und anderer nicht.

Am 13. Dezember feiern die USA den nationalen Tag des Pferdes. Warum haben wir in Deutschland keinen Tag des Pferdes und warum haben wir so viele christliche Feiertage? Wagen wir einen Vergleich von organisierten Religionen und dem Pferdesport.

Ein auf Friedrich von Bodenstedt zurückgehendes Sprichwort lautet: "Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde." Es gibt Menschen in Deutschland, die dem voll zustimmen würden. Auch praktizierte Religion ist für viele Menschen wichtig und für einige das Wichtigste in ihrem Leben. Beide Vorlieben sind rational kaum zu erklären, sie sind vielmehr in der Persönlichkeit und Biografie des Individuums begründet. Fassen wir zusammen: Es gibt Theistinnen, Theisten, Atheistinnen, Atheisten, Agnostikerinnen und Agnostiker, ebenso gibt es Reitende, Nichtreitende, Reitagnostikerinnen und Reitagnostiker – Letztere haben noch nie den Rücken eines Pferdes erklommen und wissen daher nicht, ob es für sie das Glück dieser Erde wäre oder nicht.

Reitende sind eine Teilgruppe der Pferdeliebenden. Eine weitere Gruppe sind die Kutschfahrenden. Die Reitenden zerfallen in die Splittergruppen Dressurreiten, Springreiten, Fassreiten, … – Kutschfahrende können sich entscheiden zwischen Einspänner, Zweispänner, Vierspänner, … – und für besonders tierfreundliche Menschen gibt es die Daimler-Motorkutsche, heutzutage kurz "Auto" genannt, bei der keine Pferde ausgebeutet werden. Auch die Religion ist nicht homogen. Es gibt unterschiedliche Religionen, für die es jeweils mehrere Untergruppen gibt. In Deutschland ist das Christentum stark verbreitet, dessen beide größten Strömungen der Katholizismus und der Protestantismus sind. Reiten und Religion werden von Menschen in ihrer Freizeit ausgeübt, einige haben es zu ihrem Beruf gemacht und manche überdies zu ihrer Berufung. Soweit die Gemeinsamkeiten.

Es gibt aber auch Unterschiede. Reitende und Kutschfahrende leben im Großen und Ganzen friedlich nebeneinander. Bei religiösen Gruppen ist das nicht immer so. Im Dreißigjährigen Krieg spielte die Kirchenzugehörigkeit eine Schlüsselrolle. In Belfast gibt es die sogenannten Friedensmauern (peace walls), sie trennen Stadtteile mit katholischer Bevölkerung von denen mit protestantischer. Donald Trump war nicht der Erste, der Mauern zur Problemlösung errichten wollte, die SED und die irische Politik sind ihm zuvorgekommen. Mauern, die Reitende von Kutschfahrenden trennen, hat es nicht gegeben und wird es wohl auch in Zukunft nicht brauchen.

Auf Lohnsteuerkarten wird nicht angegeben, ob die Person einem Reitverein angehört. Wenn eine Zugehörigkeit vorliegt, wird der Mitgliederbeitrag nicht vom Finanzamt eingezogen. Bei der Religionszugehörigkeit wird dies bekanntermaßen anders gehandhabt. Auch bei der Grundsteuer wird unterschieden. Die Kirchen werden davon verschont – ein Privileg, auf das Reiterhöfe verzichten müssen.

Hin und wieder werden "heilige" Bücher verbrannt, zum Beispiel 2023 in Schweden. Wurde jemals das Buch "The Horse-Hoeing Husbandry" von 1829 oder ein anderes Pferdefachbuch verbrannt? Wohl höchstens unabsichtlich, warum sollte auch irgendwer einen tiefen Hass gegen den Autor Jethro Tull haben, der, nebenbei bemerkt, Namensgeber der berühmten britischen Rockband ist.

Religionsunterricht in Schulen wird wie selbstverständlich angeboten. Reiten ist kein ordentliches Schulfach und die Interessenverbände der Reitenden werden sich schwertun, dies zu ändern.

Nicht zuletzt gibt es sechs bundesweit geltende christliche Feiertage gegenüber drei weltlichen, wobei einige Bundesländer noch weitere christliche Feiertage haben.

Religionen genießen in Deutschland vielfältige Privilegien. Für das friedliche Zusammenleben der Menschen stellen sie allerdings oft eine zusätzliche Komplikation dar, auch wenn ihre Repräsentanten gerne das Gegenteil behaupten. Wie lässt sich die Sonderbehandlung gegenüber anderen kulturellen Aktivitäten – wie dem Reiten – rechtfertigen?

Religiöse Menschen werden argumentieren, dass Religion etwas ganz anderes sei, überhaupt nicht vergleichbar mit dem Reitsport, der nur eine Freizeitbeschäftigung sei. Ist das wirklich so? Der Umgang mit ihren Pferden ist vielen eine Herzensangelegenheit, weit mehr als nur Zeitvertreib. Die Anzahl der Gläubigen der beiden christlichen Kirchen, die regelmäßig Gottesdienste besuchen, betrug 2023 in Deutschland 1,7 Millionen. Gut, das ist mehr als die 840.000 aktiv Reitenden. Allerdings gibt es auch andere erfüllende Freizeitaktivitäten. Laut DFB spielen über 2,2 Millionen Menschen Fußball und eine Studie des Bundesmusikverbandes kommt auf 14,3 Millionen Musizierende.

Jeder Mensch setzt Schwerpunkte in seinem Leben, beschäftigt sich mit Dingen, die ihm besonders wichtig sind. Die eigene Familie gehört bei den meisten dazu, aber auch der Beruf und Freizeitaktivitäten können eine hohe Bedeutung haben. Praktizierte Religion ist nur ein Aspekt unter vielen, der sukzessiv an Relevanz verliert.

Die organisierten Religionen in Deutschland sitzen immer noch auf hohem Ross; es wird Zeit, dass sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Wir haben den 1. Mai, den Tag der Arbeit. Um in Deutschland die Work-Life-Balance zu verbessern, könnten wir einen christlichen Feiertag streichen und stattdessen einen Tag der Freizeit einführen. Das wäre keine Abwertung von religiösen Menschen, sondern nur eine Korrektur der Omnipräsenz des Religiösen in Politik und Kultur, die jahrhundertelang, auch mit Gewalt, etabliert wurde.

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