Islam und Rechtspopulismus

Pegida: Gegen alles Fremde!

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Dr. Lale Akgün
Dr. Lale Akgün

BERLIN. (hpd) In einem weiteren Beitrag der hpd-Serie “Islam und Rechtspopulismus” nimmt die langjährige Bundestagsabgeordnete Dr. Lale Akgün zu Pegida Stellung. Ihr Befund zu den Sprüchen und Aktivitäten der selbsternannten Rettern des “christlichen Abendlandes” vor einer Islamisierung: “Es geht mitnichten um den Islam, es geht um irgendwas, was für Andersartigkeit steht, um auf die Migranten einzuprügeln. Dann ist es eben der Islam.”

Frau Akgün, die seit Jahren energisch gegen MultiKulti zu Felde zieht (“Multikulti ist eine besonders gefährliche Verharmlosung der Ausgrenzung”) und auch die orthodoxen Islam-Verbände mit deutlichen Aussagen kritisiert, findet jetzt ebenso deutliche Worte zu Pegida: deren Sympathianten seien “durch die Pluralisierung überfordert.” Mit Zitaten von Pegida-Anhängern gibt sie einen Einblick in deren Gedankengut – und das ist so ganz anders als die auf harmlos getrimmte offizielle Erklärung der Organisation selbst. Kommt Deutschnational wieder? (W.O.)


Von “ethnischen” und anderen Deutschen

Ich bin eine von den Menschen, die man gemeinhin als “gut integriert” bezeichnet. Ja mehr noch, ich werde gern als Beispiel für “gelungene” Integration aufgeführt. Ich habe seit 1980 die deutsche Staatsbürgerschaft, habe öffentliche Ämter bekleidet und Bestseller geschrieben und besuche regelmäßig die Oper. Man könnte fast behaupten, mehr Integration geht kaum noch. Vielleicht sollte ich noch hinzufügen, dass ich 61 Jahre alt bin und seit 1962 in Deutschland lebe. Ununterbrochen. Das heißt, ich bin in Istanbul geboren und habe die ersten neun Jahre meines Lebens in der Türkei verbracht und dann die restlichen 52 in Deutschland.

Warum erzähle ich das alles? Aus dem Grund, dass alles, was ich oben ausgeführt habe, einen autochthonen Deutschen nicht daran hindert, mich zu fragen, wie ich mich in Deutschland fühle. Ein Schelm, der sich was Böses dabei denkt. Er meint es sicher nett, denn er will ja, dass sich die Ausländer, vor allem die armen Türken, in Deutschland wohlfühlen. Für ihn steht es ja außer Frage, dass ich eine Ausländerin bin und folglich Gast.

Diese Logik pflanzt sich seit Jahrzehnten fort, und es verhindert ein Zusammenwachsen der Gesellschaft über die Ethnien hinweg. Deutschsein wird als ethnische Größe definiert, wie sonst erklärt man sich Begriffe wie “Syrer mit deutschem Pass” oder “Deutscher Staatsangehöriger mit Migrationshintergrund” – spezielle Begriffsbildungen, um sauber zwischen den ethnischen Deutschen und den eingewanderten Deutschen zu unterscheiden. Natürlich ist der Begriff “ethnischer Deutscher” letztlich Unsinn, wenn man sich vor Augen führt, dass der Begriff der Nation gerade mal im 19. Jahrhundert seine Blüte erlebt hat. Ja und die nicht “ethnischen Deutschen”, die sind dann eben nur ein bisschen deutsch.

Wir hier – Ihr da!

Gerade so viel, dass es da Wir-Gefühl der Mehrheitsgesellschaft nicht tangiert. Wir hier, Ihr da. Bitter, aber wahr: Deutschland hat den Sprung ins globalisierte 21. Jahrhundert noch nicht geschafft, schon gar nicht als Einwanderungsgesellschaft.

Deutschnationale und MultiKultis: Anderssein maßgeblich

Diesen Vorwurf muss man den ewig gestrigen Deutschnationalen genauso machen wie den Hobby-Multikultis; sie definieren die Einwanderer über ihr Anderssein. Die einen reden von der Bedrohung, die anderen von der Bereicherung. Die einen finden es schrecklich, die anderen toll. Nach dem Befinden der Mehrheit der Einwanderer fragt in dem Zusammenhang kaum jemand. Das Wort Normalität hat keinen Zugang in ihr Stammvokabular gefunden.

Im Moment erleben wir folgende Situation: während die Linken und die Liberalen den Aspekt der Bereicherung in den Vordergrund schieben, sehen Konservative und diejenigen rechts davon vor allem den Aspekt der Bedrohung. Was soll man von dem Mann auf der Straße erwarten, wenn der bayerische Ministerpräsident die Lufthoheit über die Wohnzimmer der Einwanderer erobern will, um darüber zu befinden, welche Sprache da gesprochen wird?

Pegida: Islam als Projektionsfläche

Die Themen Islam im Allgemeinen, in Deutschland im Besonderen und die Islampolitik der Bundesregierung sind eine eigene Diskussion wert, aber im Zusammenhang mit der Pegida sind sie völlig fehl am Platz, denn die Pegida-Organisatoren benutzen den Islam nur als Projektionsfläche für ihr weithin braunes Gedankengut. Deswegen sollte man auch nicht den Pegida-Initiatoren auf den Leim gehen, und nicht mit Gegenargumenten aufwarten, die die islamfeindlichen Aspekte entkräften sollen. Es geht mitnichten um den Islam, es geht um irgendwas, was für Andersartigkeit steht, um auf die Migranten einzuprügeln. Dann ist es eben der Islam.

Da ich der Meinung bin, man sollte nicht nur über die “anderen” spekulieren, will ich wenigstens ein paar von diesen auch zu Wort kommen lassen. Was denken die Sympathisanten der Pegida? Sie sprechen ja zumeist nicht mit der Presse, aber sie posten auf meiner Facebook-Seite.

Ein Kommentar und seine Entgegnungen

Auf den Kommentar, den ich am 3. Dezember schrieb, kamen viele Gegenkommentare, aus denen ich einige ausgesucht habe. Mit dem nachstehenden Kommentar hatte ich mir erlaubt, Pegida pauschal zu verurteilen. Ja, dieses Recht nehme ich mir – sozusagen als kleine Genugtuung dafür, dass ja auch die “Gegenseite” ständig mit Pauschalurteilen hantiert.

Hier also zunächst mein Kommentar:
Was passiert eigentlich in unserem Land?
Mit hanebüchenen Lügen bahnt sich der rechtsradikale Mob seinen Weg in die Mitte der Gesellschaft und die lässt sich davon beeinflussen. Aus dem verdeckten Rassismus wird auf einmal offener Rassismus! Alles, was nicht der faschistischen Definition von Volk und Vaterland genügt, wird als der “ANDERE” gebrandmarkt und ausgegrenzt! “Anti-Islamisierungsdemo!” Unter dieser Chiffre können alle dumpfen Deutschnationalen ihre hässliche Fratze zeigen! Machen wir uns nichts vor: die Rechten sitzen nicht nur im Osten, sie sind genauso in Köln und Düsseldorf zu Hause.
Liebe Kanzlerin, lieber Vizekanzler! Jetzt wäre es doch an der Zeit, mal den Mund aufzumachen und Tacheles zu reden. “Immer nur lächeln” geht nur in der Operette, und “allen wohl und keinem weh!” ist ein Slogan des Mainzer Karnevals, wird aber der harten Realität Deutschlands nicht gerecht!
Und noch eine Sache angesichts der Kommentare: die “Alternative für Deutschland” – welch ein Euphemismus – meldet sich zu Wort, und siehe da: sie entlarvt sich wie von selbst! Und der braune Bodensatz fließt in die Mitte der Gesellschaft!

Einige Gegenkommentare:

  • Frau Akgün, Sie müssen noch etwas nachdenken und vor allem Ihre unverschämten Beleidigungen gegen alle, die eine andere Meinung haben, unterlassen. Sagen Sie doch etwas zu den tatsächlichen Problemen hier in Deutschland:

    Massenzuwanderung aus fremden Kulturen,
    
Verweigerung von Integration,

    Moslemische Glaubenskämpfe,

    Moslemischer Antisemitismus,

    Verarmung alter Menschen,
    
Zurückdrängung deutscher Kultur,
    
Austragung politischer Differenzen auf deutschem Boden
  • Deutschland ist eines der gastfreundlichsten Länder auf diesem Planeten. Das beliebteste Einwanderungsland neben den USA. Nimmt zigtausende Flüchtlinge mehr auf als die USA. Versorgt Millionen von Gästen mit Hartz 4 und Co. Aber wenn jetzt Menschen aufstehen und sagen es läuft etwas falsch, dann sind die tausenden von Demonstranten dann gleich Blut- und Boden-Anhänger?
  • 350.000 lupenreine Türken leben hier von der Stütze. Was geht dieser Personenkreis die Deutschen an? Müsste Erdogan nicht für sie sorgen?
  • 70 % der türkischen jungen Leute zwischen 15 und 25 schaffen keinen ordentlichen Schulabschluss und haben keine anerkannte Ausbildung. Frau Dr. Akgün, diese Zahlen sprechen für sich. In der Türkei ist es allerdings auch nicht viel besser. Bevor Sie nun die Deutschen weiter beschimpfen, sollten Sie uns die türkische Einstellung erklären.
  • Ihre Aussagen sind eine Beleidigung für alle, die ihrer Besorgnis über die Entwicklung unseres Landes zum Ausdruck bringen wollen, dies aber nicht mehr dürfen/können, weil der Totschläger ”Nazikeule “ sofort geschwungen wird. Traurig. Aktuell heute wieder die Umwidmung von ”Weihnachtsmärkten“ in ”Wintermärkte“, man fragt sich WAS soll das und WER will das? Deutschland schafft sich anscheinend langsam und schleichend, Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen, selbst ab. Und die Schweigespirale, die durch derartige Diffamierungen in Gang gesetzt wird, befeuert diesen Prozess.
  • Tja, die haben alle vergessen, dass sie Gast in diesem Land sind.
  • Was für eine Unverschämtheit, Frau Akgün! Sie beschuldigen ganz normale Bürger, die einfach nur um ihr Land und die Zukunft ihrer Kinder besorgt sind, als Rechte? Das Recht auf Wahrung der eigenen Kultur und das Recht auf die eigene Heimat würden Sie Ihren türkischen Landsleuten vermutlich nicht verwehren, oder? Aber wir Deutschen sollen unser Land einfach hergeben, bis es nicht mehr unser Land ist? Jeder der an unserer Kultur teilhaben möchte ist herzlich willkommen, wir Deutschen mögen Gäste und auch diejenigen, die sich für immer integrieren wollen. Wer sich aber nur als Eroberer oder als Kämpfer für das Türkentum versteht und die Liebe der Deutschen zu ihrem (eigenen) Land als neue Auflage eines nationalsozialistischen Gedankengutes fürchtet, kann jederzeit und gerne in seine geliebte Türkei auswandern bzw. zurückkehren.
  • Frau Dr. Akgün, im Gegensatz zu Ihnen werden wir von der AfD uns mit dem Problem der schleichenden Islamisierung Deutschlands sachlich auseinandersetzen. Ihre Art des Polemisierens bis hin zum Pöbeln ist hinlänglich bekannt. Sie werden es nicht schaffen, dass wir uns in der Auseinandersetzung so tief bücken werden.

Die Einträge sind verräterisch; sie oszillieren zwischen ungebildeten, gefährlichen Türken (und/oder) Muslimen und großer Liebe zur Deutschland und der Wahrung der eigenen Kultur. Plakative Aussagen, die zur Rechtfertigungen der rechten Gesinnung dienen.

Tiefsitzende Ressentiments gegen alles Fremde sichtbar

Bis jetzt ist nur eine sehr kleine Spitze des Eisberges zu sehen. Vor allem eine ausgewählte. Ich fürchte, dass die Ressentiments gegen das Fremde sehr tief sitzen, gerade bei denen, die ihre Identität sozusagen ausschließlich über das Deutschsein definieren. Es ist der Versuch, die eigene Person aufzuwerten, indem man die anderen entwertet und sich als Teil eines großen Ganzen begreift, auch wenn man das große Ganze nicht begreift. Das eigene Vorgehen wird zwar vollmundig mit der ’Rettung des Abendlandes" gerechtfertigt, aber diese Menschen haben ein Problem damit, das christliche Abendland zu definieren.

Es sind Menschen, die durch die Pluralisierung der Gesellschaft überfordert sind und in ihrer kleinen Blut-und Boden-Enklave leben, aber alle Wohltaten der globalisierten Welt genießen möchten und dabei noch denken, SIE – als Teil der deutschen Nation – müssten für alle Wohltaten auf dieser Welt aufkommen. Pegida ist doch nur ein willkommener Anlass, gegen alles, was sie als fremd erleben, zu Felde zu ziehen!

Wir werden in Deutschland ein Problem bekommen mit denen, die zwar in einer globalisierten Welt leben, aber nicht begriffen haben, was Globalisierung bedeutet. Menschen, deren Oberhemden oder T-Shirts oft mehr von der Welt gesehen haben als sie selbst.

Die Entwicklung lässt nichts Gutes erahnen. Oder um Heine zu zitieren: “Denk ich an Deutschland in der Nacht…”

P.S. Ich möchte mich bei allen Kommentatoren für die O-Töne bedanken. Nicht für den Inhalt, sondern dafür, dass ich auf direktem Weg, die Gedanken der Pegida-Anhänger frei Haus geliefert bekomme. Sie offenbaren drastisch, wes Geistes Kind die Pegida-Sympathisanten sind! Niemand muss herumrätseln, was sie wohl denken oder nicht denken. Und die Pegida-Sympathisanten ihrerseits können mir nicht unterstellen, ich würde ihnen etwas in den Mund legen!

 


Mehr von Lale Akgün: u.a. Aufstand der Kopftuch­mädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus. Piper, München u. a. 2011 mit einer Besprechung in der ZEIT und beim hpd
Multi-Kulti ist gefährlich”. EMMA 1.9.2003