Die Resolution hat folgenden Wortlaut:
Stellungnahme deutscher Strafrechtslehrerinnen und Strafrechtslehrer zur geplanten Ausweitung der Strafbarkeit der Sterbehilfe
I
Sterbehilfe ist ein moralisch wie rechtlich höchst sensibles Thema. Wir verstehen darunter jede Hilfe, die einer zumeist schwer erkrankten oder sterbenden Person im Hinblick auf ihren geäußerten oder mutmaßlichen Willen geleistet wird, um ihr einen ihren Vorstellungen entsprechenden menschenwürdigen Tod zu ermöglichen.
II
Mit Sorge beobachten wir politische Bestrebungen, im Zusammenhang mit der Sterbehilfe den Anwendungsbereich des Strafrechts auszuweiten. Mit der Strafbarkeit des assistierten Suizids würde die in den letzten Jahren durch den Bundesgesetzgeber und die Gerichte erreichte weitgehende Entkriminalisierung des sensiblen Themas Sterbehilfe konterkariert. Die Vorschläge, welche in diese Richtung zielen, setzen vor allem bei der Tätigkeit einzelner Personen oder einiger weniger sog. “Sterbehilfe‐Vereinigungen” an, deren Treiben als unseriös und gefährlich eingestuft wird. Das geltende Polizei‐ und Strafrecht stellen jedoch hinlänglich Mittel zur Verfügung, um gegen Aktivitäten vorzugehen, bei denen die Freiverantwortlichkeit des Suizids nicht hinreichend geprüft wird. Dagegen wäre es verfehlt, durch eine nicht hinlänglich reflektierte Ausweitung des Strafrechts auch solche Tätigkeitsfelder in einen Graubereich möglicher Strafbarkeit zu ziehen, die – wie das Arzt‐Patienten‐Verhältnis – auf Vertrauen gründen und ihrer Natur nach auf strafrechtliche Regulierungen sehr sensibel reagieren.
III
Folgende Punkte verdienen besondere Beachtung:
a. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die sog. passive und die indirekte Sterbehilfe ist schon lange anerkannt, dass ein vom Patienten artikulierter Sterbehilfewunsch zu beachten ist und entsprechend Sterbehilfe auch dann rechtlich zulässig ist, wenn sie im Ergebnis zu einer Verkürzung von Lebenszeit führt.
b. In Hospizen und Palliativstationen wird tagtäglich organisiert Sterbehilfe geleistet. In vielen Fällen kommt es dabei zu einer Verkürzung der verbleibenden Lebenszeit. Trotzdem ist die Tätigkeit dieser Einrichtungen uneingeschränkt positiv zu bewerten. Statt sie unnötig mit Strafbarkeitsrisiken zu hemmen, sollte ihre Arbeit durch großzügige finanzielle Hilfen unterstützt werden.
c. Aus der Straflosigkeit des Suizids ergibt sich nach bewährten strafrechtsdogmatischen Regeln, dass auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar ist. Dies zu ändern würde zu einem Systembruch führen, dessen Auswirkungen nicht absehbar sind.
d. Das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen, verfassungsrechtlich durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG garantiert, umfasst auch das eigene Sterben. Mit dem Patientenverfügungsgesetz aus dem Jahre 2009 hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich anerkannt. Eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe greift in das Selbstbestimmungsrecht unverhältnismäßig ein. Der Grundsatz, dass Strafrecht ultima ratio sein muss, wird nicht beachtet.
e. Das Arzt‐Patienten‐Verhältnis ist seiner Natur nach nur eingeschränkt rechtlich regulierbar. Das gilt auch und gerade für das Strafrecht. Die Einführung einer Strafbarkeit von Ärzten wegen Beihilfe zum Suizid ist deshalb entschieden abzulehnen. Deren Grundrecht der Gewissensfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG, umfasst auch das Verhältnis zwischen dem Arzt und dessen Patienten, so dass eine strafrechtliche Neuregelung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen ist.
f. Das ärztliche Berufsrecht sollte nicht ärztliche Maßnahmen zu unterbinden suchen, die nach Maßgabe der Medizin‐ und Sozialethik sowie des Strafrechts zulässig und oft sogar positiv zu bewerten sind. Wir plädieren deshalb dafür, das Berufsrecht so zu vereinheitlichen, dass die Hilfe beim Suizid als ärztliche Gewissensentscheidung zulässig bleibt.
g. Menschen mit einem Sterbewunsch benötigen in besonderer Weise Fürsorge und Begleitung. Die Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid würde dagegen dazu führen, dass professionelle Hilfe, die gerade Ärzte und Ärztinnen leisten könnten, erschwert oder unmöglich wird, weil sich Bei‐ stehende aus Furcht vor einer Strafbarkeit von den Sterbewilligen abwenden. Diese werden in den Brutal‐Suizid gedrängt. Ziel muss es dagegen sein, möglichst viele Menschen mit Sterbewunsch zu erreichen, um so die Zahl der Suizide in Deutschland zu senken. Das Strafrecht ist dafür ein gänzlich ungeeignetes Mittel.
5 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
mal schauen ob sich die religion durchsetzt und aus dem sterbebett eine folterkammer macht. wie pervers können menschen sein
Manfred Gilberg am Permanenter Link
Wie friedliebend religiös geprägte Menschen sein können, zeigt zum Einen die Geschichte, zum Anderen die aktuelle Zeit. Der ach so friedliche Koran/Biebel.
Heideman
Luigi am Permanenter Link
Schande über Politiker, die uns Gesetze aufzwingen wollen,
Jörg Baranczek am Permanenter Link
Ich bin Atheist und fühle mich dem gewaltfreien Anarchismus verbunden. Ich will keine professionellen und nicht professionellen Suizitmörder ! Das sind solche Menschen für mich.
Das Thema Sterbehilfe ist ebenso wie Legalisierung von Drogenkonsum keine Frage der Etik oder Moral sondern hipp, ich optimieren mich selbst und wenn ich nicht mehr funktioniere entsorgen ich mich auch selbst. Gute alte kapitalistische Mentalität. Wenn Kapitalist jemensch loswerden will soll er/sie das bitte selber tun ! Keine Macht den (Selst-)Optimierern , ach ja Schönheitsoperationen und Piersing ,Tattoo gehören auch in diesen Bereich .
sonja am Permanenter Link
für einen diplomierten sozialarbeiter sind sie erstaunlich unreflektiert, finde ich.