StrafrechtslehrerInnen für das Selbstbestimmungsrecht

Dringender Appell gegen Strafbarkeit des assistierten Suizids

BERLIN. (hpd) Wie ein Who-is-Who der deutschen Strafrechtslehrerzunft liest sich die 141 Personen umfassende Unterschriftenliste unter der heute veröffentlichten Resolution gegen die politischen Pläne zur Kriminalisierung des assistierten Suizids. Kaum ein/e namhafter StrafrechtlerIn fehlt unter dieser Stellungnahme, unter den UnterzeichnerInnen befindet sich – wie bereits gemeldet – auch Thomas Fischer, der Vorsitzende des 2. Strafsenats des BGH, der bereits etliche bahnbrechende (liberale) Entscheidungen zur Sterbehilfe gefällt hat.

In einer Presseerklärung weisen die Professoren Eric Hilgendorf und Henning Rosenau darauf hin, dass die StrafrechtslehrerInnen die im Bundestag geplante Kriminalisierung aus verfassungsrechtlichen, strafrechtlichen und medizinethischen Gründen ablehnen. Sie befürchten eine erhebliche Beschädigung des verfassungsmäßig garantierten Selbstbestimmungsrechts, eine Konterkarierung der in den letzten Jahrzehnten "durch den Bundesgesetzgeber und die Gerichte erreichte(n) weitgehende(n) Entkriminalisierung des sensiblen Themas Sterbehilfe", eine negative Einflussnahme auf das Arzt-Patienten-Verhältnis, wenn ärztliche Sterbehilfe strafrechtlich verboten und professionelle Hilfe bei Sterbewilligen erschwert oder sogar verunmöglicht würde. Sterbewillige würden in einen "Brutal-Suizid" gedrängt.

Völlig zu Recht wird hervorgehoben, dass die "bisherigen strafrechtlichen Regelungen (Tötungsverbot, Verbot der Tötung auf Verlangen) und die polizeirechtlichen Möglichkeiten sind ausreichend, um Missbräuchen zu begegnen." Darüber allerdings diskutieren die StrafbarkeitsbefürworterInnen bekanntlich nicht einmal. Schon daran zeigt sich, dass es ihnen nicht um eine sorgfältige Erörterung der ethisch bedeutsamen komplexen Materie geht, sondern lediglich um die Durchsetzung ihrer ideologisch begründeten Motive. Dass Sterbehilfe ein moralisch und rechtlich sensibles Thema ist, wie es in der Resolution heißt, interessiert die Ideologen kein bisschen, es geht ihnen bloß um ihre Dogmen.

Die Initiative der StrafrechtslehrInnen kommt zur rechten Zeit, zeigt das Wesentliche auf, um das es in der Sterbehilfedebatte geht, und ist in guter Weise geeignet, den Ideologen ihr Geschäft zu erschweren. (W.O.)

 


 

Resolution deutscher Strafrechtslehrer/innen gegen die Strafbarkeit des assistierten Suizids

In Deutschland wird zur Zeit diskutiert, ob die (ärztliche) Beihilfe zum Suizid in Deutschland künftig bestraft werden soll. Nun meldet sich in dieser Debatte auch die deutsche Strafrechtswissenschaft zu Wort. Über 140 Strafrechtsprofessorinnen und ‐professoren und Privatdozentinnen und Privatdozenten haben eine von Eric Hilgendorf (Universität Würzburg) und Henning Rosenau (Universität Augsburg) initiierte Stellungnahme unterzeichnet und wenden sich klar und eindeutig gegen entsprechende Überlegungen.

Zusammengefasst wird die Ablehnung damit begründet, dass

  • eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen ist. Das Recht auf Selbstbestimmung umfasst das eigene Sterben. In dieses Recht würde durch eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe unverhältnismäßig eingegriffen.
  • eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe aus strafrechtlichen Gründen abzulehnen ist. Da der Suizid(versuch) straflos ist, scheidet eine Beihilfe aus dogmatischen Gründen (keine Beihilfe ohne Haupttat) aus. Die bisherigen strafrechtlichen Regelungen (Tötungsverbot, Verbot der Tötung auf Verlangen) und die polizeirechtlichen Möglichkeiten sind ausreichend, um Missbräuchen zu begegnen.
  • eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe aus medizinethischen Gründen abzulehnen ist. Ärzte und Angehörige, aber auch Hospize und Palliativstationen sollten nicht einem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt werden, welches dazu führt, dass Menschen mit einem Sterbewunsch ohne Fürsorge und Begleitung bleiben. Das Strafrecht ist nur ultima ratio und nicht geeignet, die sensiblen Fra‐ gen der Suizidbeihilfe zu regulieren. Eine ärztliche Gewissensentscheidung für den assistierten Suizid muss zulässig sein.