Offener Brief an die TAZ wegen Verleumdung von Beschneidungsgegnern

Über Hosen und Rechte

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Worldwide Day of Genital Autonomy 2015, Köln
Worldwide Day of Genital Autonomy

BERLIN. (hpd) Am 12. Mai veröffentlichte die Tageszeitung TAZ in der Kolumne "German Angst" einen Artikel mit der Überschrift "In der Hose der Anderen". Darin verunglimpft die Autorin Sonja Vogel die Gegner der Beschneidung und unterstellt ihnen Antisemitismus. Der Bundesvorsitzender der Partei der Humanisten, David Helmus, antwortet darauf mit einem offenen Brief.

Sehr geehrte Frau Vogel,

Sie schrieben am 13. Mai eine Kolumne der Reihe "German Angst" mit der Überschrift "In der Hose der Anderen". Nach wenigen Zeilen musste ich mich aber doch nochmal vergewissern, welche Zeitung ich da gerade lese. Und ja, es war tatsächlich die vermeintlich progressive TAZ und nicht die Junge Freiheit oder irgendein reaktionärer Internetblog, von dem man solche undifferenzierte Hetze gewohnt ist. Sie behandeln die Beschneidung ohne über sie zu schreiben. Tatsächlich ist Ihr Text so schlecht recherchiert, dass ich hier noch einmal kurz ausführen möchte, worum es geht.

Vor gut drei Jahren fällte das Kölner Landgericht ein bemerkenswertes Urteil. Einem vierjährigen Jungen wurde von einem Arzt die Penisvorhaut amputiert. Die Eltern des Jungen waren muslimischen Glaubens. Im Islam ist es Tradition, Knaben zu beschneiden. Sie folgen damit einer Empfehlung Mohammeds. Leider verlief der Heilungsprozess nicht optimal. Nähte platzten auf, der Junge verlor viel Blut und musste erneut operiert werden. Daraufhin schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein. Der Verlauf des Prozesses ist bekannt. Das Kölner Landgericht stellte fest, dass es sich bei der medizinisch nicht erforderlichen und vom Patienten nicht eingewilligten Amputation der Penisvorhaut um Körperverletzung handelt.

Dieses Urteil war bahnbrechend. "Die Emotionalität zeigt, dass es um mehr ging als ein Stück Haut." Sie haben recht! Aber welche Seite keine Argumente fand und ihre Emotionen nicht im Griff hat, das zeigt Ihr Artikel. Statt über die Rechte von Kindern zu reden, ging es plötzlich um ein "kulturelles Leben", dass in Deutschland unbedingt möglich sein muss. Auch Sie beschwören alte Geister, um nüchterne Argumente zu diskreditieren.

"Jüdisches Leben muss in Deutschland möglich sein!" war Tenor unter orthodoxen Religiösen und deutschen Kulturrelativisten. Sie stoßen in das gleiche Horn, wenn Sie behaupten, ein Verbot der Beschneidung wäre eine "Kriminalisierung jüdischen und muslimischen Lebens". Dass jüdische und muslimische Kultur aus deutlich mehr besteht, als die Vorhautamputation des männlichen Nachwuchses, ist plötzlich nicht der Rede wert. Es ist doch viel einfacher, gegen Menschen zu hetzen, wenn man ihnen Antisemitismus, Islamophobie oder die Ablehnung ganzer "Kulturen" vorwerfen kann. Ihnen aber geht es gar nicht um Menschen, Ihnen geht es um Kollektive. Juden und Muslime sind in Ihren Augen nicht einfach Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens, sondern Minderheiten die es vor der bösen Mehrheitsgesellschaft zu schützen gilt. Sie beschwören die christliche Mehrheit, die "jahrhundertealte Vorurteile" hervorholen und Kinder vor ihren jüdischen oder muslimischen Eltern zu schützen versucht.

Sie können gar nicht mehr aufhören, in der Beschneidungsdebatte alte Ressentiments zu sehen. Das geht soweit, dass Sie zwar beiläufig erwähnen, dass es gute Gründe gibt, gegen die Beschneidung zu sein, aber welche das sind, behalten Sie für sich. Verschwiegen werden die Erklärungen der 35 Organisationen, die am 7. Mai in Köln an das Urteil des Kölner Landgericht erinnerten und ein generelles Verbot der medizinisch nicht indizierten Vorhautamputation bei unmündigen Kindern forderten.

In Köln versammelten sich Juden, Türken, Ex­Muslime, Intersexuelle, Feministen, Atheisten und Humanisten. So sieht also der Querschnitt der "deutschen, christlichen und unbeschnittenen Mehrheitsgesellschaft" aus. Die Partei der Humanisten unterstützt die Demonstrationen und die Forderungen ausdrücklich.

Uns geht es nicht darum, die reliösen Eltern zu verteufeln und ihnen Barbareien anzulasten. Uns geht es nicht mal um Kinder jüdischer oder muslimischer Menschen. Uns geht es schlicht um Kinder; junge Menschen. Wir lehnen nicht die religiöse Beschneidung ab, sondern generell jeden medizinisch unnötigen Eingriff in den Körper eines Kindes. Wir sehen in dem Urteil eine weitere Stärkung der Kinderrechte in Deutschland und eine Fortsetzung der Entwicklung, Kinder als eigenständige Personen und nicht als Eigentum ihrer Eltern zu betrachten. Und wir sehen in dem Beschneidungsgesetz (§1631d BGB) ein Rückfall in Zeiten, in denen Mythen, Traditionen und Rituale mehr galten als ein menschliches Leben.

Vielleicht erinnern Sie sich, dass die in der christlichen Tradition tief verwurzelte und in der Bibel mehrfach geforderte Prügelstrafe für Kinder in Deutschland erst in den Jahren 1998/­2000 verboten wurde. Haben Sie damals auch gegen die Befürworter des Verbotes gehetzt und eine "Kriminalisierung christlichen Lebens" gewittert?

Ein Mensch hat Rechte, selbst wenn dieser Mensch noch jung ist. Können Sie sich vorstellen, dass ein Mensch als eigene Person zählt und nicht nur als Teil irgendeines Kollektivs? Die einen teilen Menschen aufgrund oberflächlicher biologischer Unterschiede in Gruppen ein, die anderen aufgrund kultureller Eigenheiten. Was sie eint ist, dass sie die Grundrechte dieser Menschen von ihrer Gruppenzugehörigkeit abhängig machen. Sie sehen in den Menschenrechten einen "Paternalismus der Mehrheit", wir die größte zivile Errungenschaft der Menschheit bis heute.

"Die Menschenrechte gelten ausnahmslos für alle Menschen, unabhängig von biologischen Eigenschaften und kulturellen Eigenheiten”" heißt es im Übrigen auch im Grundsatzprogramm der Partei der Humanisten.

Mit freundlichen Grüßen

David Helmus
Vorstandsvorsitzender der Partei der Humanisten