US-Studie über aktuelle christliche Gottesvorstellungen

Der Bart ist ab

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Das in der Studie ermittelte "Gesicht" und "Anti-Gesicht" Gottes.

Wie sieht Gott aus? Denken wir an den christlichen Gott, fallen uns wohl zunächst Abbildungen und Beschreibungen ein, die Gott als männlich, weiß und älter darstellen. Gern ist Gott auch weißhaarig und trägt einen Vollbart. Ob christliche Menschen ihren Gott wirklich so sehen, oder ob das Bild neu gezeichnet werden muss, dem ging eine jüngst veröffentlichte Studie nach.

Um zu erfahren, welches Bild sich christliche Menschen von Gott heute machen, sofern sie nicht davon ausgehen, dass Gott keine physische Erscheinung hat, untersuchten die Wissenschaftler Jackson, Hester und Gray im Rahmen einer Studie mit 511 christliche Menschen in den USA. 330 der befragten Personen waren männlich, 181 weiblich, 26% AfroamerikanerInnen, 74% Weiße (in der Studie "caucasian"). Im Schnitt waren die Teilnehmenden Ende vierzig.

Die Studie wurde in zwei Phasen aufgeteilt. In der ersten Phase wurde das "durchschnittliche" amerikanische Gesicht, erstellt aus einer Kombination von 50 Gesichtern, die den demografischen Querschnitt durch Alter, Geschlecht usw. repräsentieren sollten, mittels Bildrauschen verändert. Die veränderten Bilder wurden als Paare vorgelegt. Die TeilnehmerInnen sollten daraus jeweils wählen, welches Gesicht für sie gottgleicher sei. Insgesamt arbeiteten sich die Teilnehmenden durch 300 Bilder.

In der zweiten Phase sollten die Personen die Bilder nach Alter, Geschlecht, Attraktivität, Rasse, Wohlbefinden, Intelligenz, Liebenswürdigkeit und Macht sortieren, um zu prüfen, ob liberale und konservative Teilnehmende Gott anders sehen. Angenommen wurde, dass konservative ChristInnen Gott eher als älter, maskuliner, weißer und mächtiger charakterisieren.

Das Ergebnis der Studie bestätigt einige Annahmen, die bereits vor Forschungsbeginn aufgestellt wurden: Die Abbildung Gottes in der Sixtinischen Kapelle hat ausgedient.

Der Blick der ChristInnen auf das Aussehen Gottes ist egozentrisch. Ältere TeilnehmerInnen stellten sich Gott älter vor, jüngere TeilnehmerInnen jünger, AfroamerikanerInnen stellten sich Gott häufiger afroamerikanisch vor und TeilnehmerInnen, die sich selbst als attraktiv beschrieben, stellten sich eine attraktive Gottgestalt vor. Einzig die Frage nach dem Geschlecht wich ab. So glauben Frauen und Männer Gott überwiegend an einen männlichen Gott. Außerdem ist die Gottgestalt konservativer TeilnehmerInnen maskuliner, älter, mächtiger und wohlhabender, als die Gottesvorstellung liberaler TeilnehmerInnen.

Die Suche nach Gottes Gesicht ergab einen jungen Mann ohne Rauschebart, dafür mit feminineren Gesichtszügen. Die von Liberalen und Konservativen gewählten Bilder unterschieden sich leicht, was die Forschenden mit den unterschiedlichen Weltbildern und dem Wunsch wahlweise nach einem mächtigen Gott und einer durchorganisierten Gesellschaft oder nach einer toleranten Gesellschaft mit einem liebenden Gott erklärten.

Die Forscher erklärten, dass die Studie sich nur auf ChristInnen in den USA bezieht und dass für andere Regionen und Religionen keine Rückschlüsse aus ihrer Forschung abgeleitet werden können. Es liegt jedoch nahe, dass auch andere Gläubige, sofern sie ihren Göttern eine Gestalt zuweisen, ihr eigenes Aussehen als Vorbild nehmen.

Indem sie aufzeigen, wie unterschiedlich sich selbst Menschen der gleichen Religion Gottes Gesicht vorstellen, erhoffen sich die Autoren der Studie Jackson, Hester und Gray nach eigener Aussage mehr religiöse Toleranz.