In einer Klage vor der 4. Kammer des Landgerichts Mainz unter Vorsitz von Frau Richterin Karl hat sich das Bistum Mainz verpflichtet, einem Betroffenen sexualisierter Gewalt insgesamt 340.000 Euro Schmerzensgeld und Verdienstausfall zu zahlen.
Zuvor hatte das Landgericht in seiner Einschätzung der Sach- und Rechtslage dem Kläger in allen Punkten Recht gegeben. Das ist die bislang höchste Summe aus einem Verfahren vor einem staatlichen Gericht. Die Höhe des Schmerzensgeldes begründeten die Richterinnen sowohl mit dem Missbrauch von "großer Intensität" als auch mit dem entgangenen Erwerbsgewinn, den der Betroffene erleiden musste.
Der Kläger wurde zwischen seinem 11. und 18. Lebensjahr mehrmals in der Woche von einem katholischen Priester sexuell missbraucht und auch vergewaltigt.
Landgericht Mainz sieht Amtshaftung gegeben
Das Gericht sah den Tatbestand der Amtshaftung durch das Bistum Mainz als erwiesen an. Die Einwände des Bistums, und auch eine Verjährung der Ansprüche des Betroffenen, lehnte das Landgericht (LG) Mainz, im Gegensatz zum Landgericht Trier und Oberlandesgericht Koblenz, ab.
"Das Landgericht Mainz hat klar festgestellt, dass die römisch-katholische Kirche für die Missbrauchstaten ihrer Seelsorger haften muss. Bahnbrechend ist, dass die Verjährung zurückgewiesen wurde, an der schon viele Klagen Betroffener gescheitert sind", so Rechtsanwalt David Elshorst in einer ersten Stellungnahme.
Entschuldigungen durch Bistum Mainz "unangemessen und ungenügend"
Die Richterinnen wiesen in ihrer Urteilsbegründung die zuvor erfolgte Entschuldigung des Bistums als unangemessen und ungenügend zurück. Die deutliche Kritik der Richterinnen richtet sich an das Verhalten der Bistumsvertreter und an die lange kirchliche Verfahrensdauer.
Sogar höhere Entschädigung als gerechtfertigt angesehen
Im Vorfeld hatte die zuständige kirchliche Kommission dem Betroffenen zuerst nur 10.000 Euro zugesprochen und erst nach mehreren Widersprüchen über mehr als zehn Jahre die Entschädigung erhöht. Der letzte Bescheid über insgesamt 240.000 Euro wurde erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung dem Landgericht zugestellt.
Das Gericht hielt sogar eine um 200.000 Euro höhere Entschädigung für gerechtfertigt, schlug aber als Vergleich eine Zahlung von weiteren 100.000 Euro vor. Dem stimmten der Kläger und das Bistum zu.
Kritik auch an UKA-Verfahren
Die Richterinnen kritisierten in ihrer Begründung auch die langen Verfahrensdauern bei der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) mit Sitz in Bonn.
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt zwischen eineinhalb und zwei Jahren. Die UKA ist personell unterbesetzt, die Verfahren werden als intransparent und die Entschädigungen als willkürlich wahrgenommen. "Der Betroffene fühlte sich durch die Einlassungen des Gerichts zum ersten Mal wahrgenommen und gesehen", sagte Elshorst nach der Einigung.
Ermutigendes Urteil
Die Betroffenen-Organisationen Umsteuern!, Robinsisterhood e.V. und MissBiT e.V. sehen in dem getroffenen Vergleich ein ermutigendes Signal. In einer gemeinsamen Presseerklärung heißt es: "Wir denken, dass weitere Gerichte der Einschätzung des LG Mainz folgen und in Zukunft das Eintrittsdatum der Verjährungsfrist zur Klageerhebung als zweifellos vorhandenen Hemmnisgrund deutlich nach hinten schieben".






