Wegen "Soft-Porno" als Super-Bowl-Halbzeitshow

Christlicher Wutbürger will NFL auf 867 Billionen Dollar verklagen

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Jennifer Lopez (hier: São Paulo, 2012) und Shakira (Madrid, 2008) spielen gerne mit ihren weiblichen Reizen. Zu viel für den christlichen Fanatiker Dave Daubenmire.
Jennifer Lopez und Shakira

Ein fanatischer christlicher Blogger aus den USA fürchtet, dass er und Millionen andere US-Amerikaner in die Hölle kommen könnten, weil sie die Halbzeit-Show des Super-Bowls gesehen haben. Der Auftritt von Shakira und Jennifer Lopez sei ein "Soft-Porno" gewesen, vor dem hätte gewarnt werden müssen. Wenn es nach ihm geht, soll die National Football League (NFL), Pepsi und das Kabelfernsehen dafür eine astronomische Summe bezahlen. Ein Kommentar.

Dave Daubenmire alias "Coach Dave" ist ein älterer Herr, dessen Markenzeichen ein Basecap mit einem Kreuz darauf ist. In seinem früheren Leben war er Highschool-Footballtrainer, heute betreibt er einen Blog, in dem er vor der Kulisse eines Stadions über seine christlichen Ansichten schwadroniert. In seiner Zeit als Trainer wurde er verklagt, weil er nebenbei missionierte, schreibt er auf seiner Website. Heute sieht er sich als Teil einer "göttlichen Armee" in einem "Kulturkrieg", um mit "der Macht biblischer Einheit" die amerikanische Kultur gegen die "Mächte der Finsternis" zu verteidigen.

Letzten Montag ging es in seinem morgendlichen Live-Video um den Super-Bowl, der am Sonntag vergangener Woche in den USA stattfand, das dort größte Sportereignis des Jahres. Traditionell findet in der Halbzeitpause ein musikalischer Auftritt der Extraklasse statt, eine große Ehre, die absoluten Musikgrößen vorbehalten ist. Oder, wie es der christliche Video-Blogger nennt: Die "Halbzeit-Pornoshow".

Dieses Jahr durften Jennifer Lopez und Shakira eine knappe Viertelstunde lang eine Zusammenstellung ihrer gesammelten Werke zum Besten geben, zwei Frauen, die bekanntermaßen gerne mit ihren Reizen spielen. Warum auch nicht? Sie sehen toll aus und tun sicher einiges dafür, dass das so ist. Warum sollen sie ihre schönen Körper nicht zeigen? Shakira ließ die Hüften kreisen, J.Lo wackelte mit ihrem (nicht nackten) mit 27 Millionen Dollar versicherten Hintern. Ihre Tänzerinnen choreografierten im Liegen mit ihren Beinen – nichts, was man nicht schon in hunderten Musikvideos gesehen hätte. Jennifer Lopez griff sich während der Show auch mal in den Schritt – aber wie oft hat Michael Jackson das schon auf der Bühne getan?

Die beiden Sängerinnen waren mit Strumpfhosen bekleidet und zeigten weniger Haut, als man bei einem handelsüblichen Bikini erblicken würde, nicht mehr als auch Kinder während einer Zirkus-Akrobatikshow sehen könnten. Wer seine Brille gerade nicht zur Hand hatte, hätte allerdings den hautfarbenen Stoff von J.Los Kostüm für Nacktheit halten können. Auch Pole-Dance war im Spiel, eine anerkannte und äußert anspruchsvolle Sportart.

All das würde einem Durchschnittsbürger eines westlichen Industrielandes des 21. Jahrhunderts gar nicht weiter auffallen; für Coach Dave war es jedoch zu viel. Die Show hat ihn offensichtlich so erregt, dass er im Video immer wieder Wutanfälle bekommt und herumschreit, Sätze nicht beendet, weil er scheinbar versucht, sich wieder zu beruhigen. Man kann sich ihn etwa vorstellen wie den Kabarettisten Gernot Hassknecht, nur dass Dave Daubenmire es ernst meint, was ihn in seinem Fanatismus doch recht gruselig wirken lässt.

Man könnte sich als Feminist darüber aufregen, dass die im Vergleich wenig bekleideten Damen objektisiert würden, während die ebenfalls kurz auftretenden Herren Rapper in langer Hose und Pulli beziehungsweise sogar in Mantel und Kopfbedeckung daherkamen. Dass die Frauen alles dafür taten, sich ästhetisch und attraktiv darzustellen, während bei den Männern eher das Gegenteil der Fall zu sein schien. Das hätte dann ja noch eine intellektuelle Komponente.

Aber nein: Es sei ein Auftritt wie im Strip-Club gewesen. Es hätten Warnungen eingeblendet werden müssen für den 12-jährigen Sohn, "dessen Hormone sich gerade bereitmachen", dass er von dem, was er gleich sehen würde, sexuell erregt werden könnte, findet der christliche Wutbürger. "Wie viele kleine Augen haben sie verletzt?", jammert er. Und was natürlich nicht fehlen darf: Ein paar Bibelstellen zur Untermauerung seiner Vorwürfe, die die Verwerflichkeit des Ganzen beweisen sollen: "Könnte ich in den Gerichtssaal gehen und sagen: Indem ich anschaue, was ihr da auf dem Bildschirm gezeigt habt, setzt mich das der Gefahr des Höllenfeuers aus?", denkt er laut nach. Ohne seine Erlaubnis hätte man diese verwerflichen Inhalte in sein Wohnzimmer gebracht, ohne es ihm vorher zu sagen. "Das ist diskriminierend gegenüber den Werten, die ich in meinem Haus habe!"

Er hätte ja einfach kurz abschalten können, wenn er die Halbzeitshow nicht sehen möchte, könnte der demokratieaffine Laie jetzt vorschlagen. Aber nicht mit Coach Dave! Es könne ja nicht sein, dass er das Spiel nicht schauen könnte, weil dort etwas für ihn Anstößiges zu sehen sein könnte: "Ich will das Spiel sehen! (…) Das können sie nicht machen! (…) Die Richter können nicht sagen: Coach, schalt' es ab!" Er träumt von einer Sammelklage, um die NFL, Pepsi und das Kabelfernsehen "finanziell zu brechen", indem er sie auf die unvorstellbare Summe von 867 Billionen Dollar verklagt. Dafür startete er unlängst einen Aufruf per Facebook-Video. Wie genau er auf diesen Geldbetrag kommt, verrät er nicht.

Ob der cholerische ältere Herr – der manchmal eher wie ein Kind in der Trotzphase wirkt – weiß, was Jugendliche heute alles im Internet sehen können, wenn sie wollen? Jeder, der es weiß, kann ja nicht im Ernst glauben, diese Show wäre im Vergleich dazu "schädlich". Coach Dave stellt sich hingegen vor, wie Jungs sich das Super-Bowl-Video auf YouTube in Zeitlupe anschauen und dazu masturbieren.

So absurd diese Haltung uns Westeuropäern erscheinen mag, es passt in die amerikanische Lesart: Gewalt – "klar, das macht einen aufrechten Patrioten aus dir", Sex – "um Himmels Willen! Das untergräbt die Moral der Gesellschaft!". Der christliche Wutbürger sorgt sich nicht um die jungen Zuschauer, die durch eine brutale Sportart, deren Stars welt.de einmal "Gladiatoren der Neuzeit" nannte, verstört werden könnten. Nein, er spricht von einem "unschuldigen Footballspiel". Ihm bereitet vielmehr Sorgen, dass Menschen durch sich rhythmisch bewegende weibliche Körper "indoktriniert" würden.

Besonders charmant: Coach Dave echauffiert sich auch über J.Los Alter. Man würde auf einer Porno-Seite ja nicht nach 50-jährigen Frauen suchen, meint er. Vielleicht kann man abschließend etwas wehmütig feststellen, dass wir Normalsterblichen wohl mit 50 nicht mehr so heiß aussehen werden, dass sich sexuell frustrierte Christen dazu bemüßigt fühlen, sich über ihre aus dem Dornröschenschlaf geweckten Gelüste gerichtlich zu beschweren.

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