Schlecht erzählt, wirr, grausam, archaisch: Was tun mit der Bibel? Sie einfach nur so beiseitezulegen ist ja doch keine Option. Man sollte schon einmal hineingeschaut haben, bevor man sie mit einem leichten Aufatmen wieder zurück ins Regal schiebt.
Denn das Zeug ist ja praktisch unlesbar. Und doppelt unlesbar wird es durch den Rezeptionskontext, in den es einen zwingt: Über Jahrtausende ging man davon aus, dass diese wirre, kindische, grausame Geschichtensammlung irgendwie das Seelenheil der Menschheit beinhaltet habe – hallo? Man liest das alles mit, die Beichtstühle, die Inquisition, die Kindesmisshandlungen körperlicher und seelischer Art. Umpf.
Wie kommt man nun klar mit diesem unheilvollen Brocken, in dem man manchmal unvermittelt auch auf Schönheit stoßen kann? Eine Möglichkeit ist: Man lässt sich das vorlesen. Etwa hat der Schauspieler Ben Becker es einmal mit sinfonischer Untermalung getan, in einer derartigen Humorbefreitheit, dass es schon wieder komisch ist und uns einmal mehr lehrt, wofür die Figur "Gott" am besten taugt: seine Verkünder über ihre Mitmenschen zu erheben mit Bombast, Gedröhn und ausgedachten Höllen.
Mit deutlich mehr Hirn gesegnet, auch wenn es nicht vom Himmel fiel, hat der Kollege Ricky Gervais aus der Bibel ein Comedy-Programm gemacht, das leider nicht zur Gänze im Netz zugänglich ist, sonst würde man es sich gern reinziehen, derweil man Ben Becker nach wenigen Sekunden vor Fremdscham abschalten muss.
So ist es verdienstvoll, dass der "Friendly Atheist" Hemant Mehta es in seiner gründlichen und doch lustigen Weise auf sich genommen hat, uns die Bibel vorzulesen.
Natürlich kommentiert. Er liest immer eine Bibelpassage – ja, inklusive der absurden Genealogien! – und lässt uns dann darüber lachen, was er gerade vorgelesen hat. Anders ist das Zeug auch wirklich nicht zu ertragen. So hat er zunächst in 50 Folgen das erste Buch der Bibel, Genesis, durchgeackert – und das war schon heldenhaft von Mehta, dem Mann, der bei anderer Gelegenheit seine Seele auf Ebay versteigert hat.
Da die Leute so angefixt waren von Gottes wildem Wort und um Nachschub baten, hat Mehta sich nun in das nächste Kapitel hineinbegeben: Exodus. Noch sind wir ganz am Anfang. Gerade ist, inmitten tausendfacher ulkiger Ungereimtheiten, die Gestalt Moses aufgetaucht. Wissen Sie, was der als Erstes tut? Er ermordet spontan einen Ägypter, der ihm nicht in den Kram passt, und verscharrt die Leiche. Das ist ein Mann nach Jehovas Geschmack! Unbedingt gewaltbereit, ohne aber schuld sein zu wollen. Dieser Moses begibt sich dann erst mal ins Ausland – und wird eines Tages von einem brennenden Busch angesprochen.
Ja, wirklich: Gott, der Herr, Schöpfer des Himmels und der Erde, der ein Zeitalter lang seinem auserwählten Volk bei der Sklavenarbeit zugesehen hat, tarnt sich jetzt als brennender Busch. Spricht zu einem einzelnen, versprengten Mann. Und führt ein paar Zaubertricks auf. Alberner kann ein heiliges Buch nicht werden. Obwohl. Wir bleiben mal dran. Wahrscheinlich wird es das ja doch.
23 Kommentare
Kommentare
Hans-Jörg Jacobsen am Permanenter Link
In einer amerikanischen Zeitung las ich einst: „Both the bible and the koran are lousely edited compilations of contradictory fairy tales“.
René am Permanenter Link
Stand dort "lousily" oder "loosely"?
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Dieser lesenswerte Beitrag von Ungerer sollte noch durch den Hinweis auf ein Buch ergänzt werden, das hier unbedingt auch zu nennen ist:
Wolfgang Klosterhalfen: Reimbibel – Heitere Aufklärung über das „Buch der Bücher“.
In einer längeren 5-Sterne-Rezension auf Amazon schrieb ich u.a.:
»Ein humoristisch-satirisches und religionskritisches Kabarett-Programm
Klosterhalfen hat eine wahre Herkulestat vollbracht. Er hat wesentliche Teile des Alten und des Neuen Testaments, Buch für Buch, Kapitel für Kapitel in Verse umgesetzt, um dieses "Buch der Bücher" in eine Form zu gießen, die seinen wahren Gehalt bloßlegt und dabei das Lesen zum Vergnügen, wenn auch streckenweise einem makabren, werden lässt.«
Zum Ende meiner Besprechung schrieb ich dann:
»Der unübersehbaren Fülle theologischer Werke, die sich gutgläubig, neutral oder kritisch diesem Konglomerat von Mythen, Kriegsberichten, Phantasien, Ausschweifungen, Strafandrohungen, Vergeltungsaktionen, Verboten, Ergebenheitsadressen, durchsetzt von Lebensweisheiten und Verhaltensvorschriften als angebliches Wort Gottes widmen, setzt Klosterhalfen seine Sicht der Dinge entgegen: bissig, spöttisch, mal derb, mal empört, inhaltlich immer eng am Originaltext orientiert. Klosterhalfen präsentiert kabarettistische Kleinkunst, die in Form von Zweizeilern, Gedichten, Versen und Kurzkommentaren als humoristisch-satirisches und religionskritisches Programm vor den Augen des Lesers abläuft. Sein Buch endet mit einem Brief an den lieben Gott der Christen: Lieber Herrgott mach mich fromm,/ dass ich in den Himmel komm./ Lass dich einfach einmal blicken,/ kannst mir auch 'ne E-Mail schicken:/ klosterwolf@hotmail.com. P.S. Möge es Dir bald gelingen,/ den Gehörnten umzubringen.«
Nora Koch am Permanenter Link
Wenn man dabei nicht nüchtern ist kann Bibel (vor-)lesen richtig Spass machen.
Werner Kübler am Permanenter Link
Und das fä gut offensichtlich schon früh an. In christlichen Kindergärten existiert ein BIBEL - BILDERBUCH, also für ganz kleine, die noch nicht lesen können.
Danach kommt die "Grosse Kinderbibel (ARD edition) mit Dank an eine Pfarrei Herz Jesu Höhenrain, mit einem ausführlichen Glossar.
Dann der Gipfel:
"Die Bibel in Kurznachrichten" von "Edition chrismon" Titel " ...und Gott chillte.
Das ist kein Fake, alle Bücher liegen mit vor!
Voll lustig 2 Zitate:
"Am 7. Tag war Gott fertig mit seinem Kreativ-Projekt, fand das Ergebnis genial und beschloss, ab jetzt zu chillen."
(1. Mose 2, 1-3)
"Gott ist der Oberchecker! Er ist voll korrekt, was er sagt ist Ansage und er bleibt unser Bid Daddy forever!!!"
(Psalm 117, 1-2).
Das ist keine Satire, aber wenn's nicht so traurig wäre, könnte es als solche durchgehen.
Kilian am Permanenter Link
Und was ist mit mir? Ich hab doch auch aus der Bibel vorgelesen.
Der Bibel-Igel lässt grüßen ;-)
Roland Weber am Permanenter Link
Berechtigte Kritik/Spott gilt stets nur dem Alten Testament (Paradies, Moses, Propheten) worüber sich der wahre Christ schon nicht mehr aufregen muss/kann.
Doch die Feigheit zeigt sich schnell im Umgang mit dem Neuen Testament. Wer wagt sich da dran? - Herzlich wenige, und so findet das NT mit seinen Protagonisten auch weiterhin seinen unkritisierten Anklang.
A.S. am Permanenter Link
Ich rezipiere die Bibel (AT) anders, als Sieger-Geschichtsschreibung des jüdischen Volkes.
Folge: Hatte jemand mit Niedertracht und Heimtücke oder psychologischer List (aus heutiger Sicht) Erfolg, wurde das im Nachgang als "gottgefälliges Tun" angesehen. Empfehlenswert war natürlich, solch "gottgefälliges Tun" zu wiederholen, also erneut mit Niedertracht, Heimtücke und psychologischer List zu arbeiten.
Klar, wohin solch eine Logik führt?
Wenn Erfolg als Resultat gottgefälligen Handelns angesehen wird, heiligt der Erfolg irgendwann ALLE Mittel.
Giordano Bruno am Permanenter Link
Keine Sorge, es wird mit jedem Teil alberner, bis zum nahezu totlachen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich predige das seit einer Ewigkeit gebetsmühlenartig: Der einzige Zweck der Kirchen, Synagogen, Moscheen und Tempeln ist es - so scheint es mir - reicher zu werden.
Doch das ist heute schwierig geworden. Daher mein Tipp: Erweckt nicht die Toten nach drei Tagen, sondern den unfreiwillig (?) komischen Witz in Moses Lachparade und Jesu Juxbox. Eure Räume sind für Comedy perfekt geschnitten. Oder erinnert nur mich ein Kirchenschiff an den Übertragungsort von Mainz bleibt Mainz? Ab, in die Bütt, äh, auf die Kanzel und reißt die geilsten Zoten aus 2.000 Jahren Volkverdummung. Das "Bämm bähm, bämm bähm..." könnte ja von der Orgel kommen. Und wenn man den Harhalla-Marsch auf eine Fronleichnams-Prozession legt passt das heute schon....
Tyto Alba am Permanenter Link
Den Tempeln ging es schon immer um ihren eigenen Wohlstand. Das war bei den Aton- Anhängern schon so. Und die Juden, Christen, Moslems etc. sind da keinen Gramm besser.
Klarsicht(ig) am Permanenter Link
Zitat: „Ja, wirklich: Gott, der Herr, Schöpfer des Himmels und der Erde, der ein Zeitalter lang seinem auserwählten Volk bei der Sklavenarbeit zugesehen hat, tarnt sich jetzt als brennender Busch.
Im nachstehend aufgeführten Link kann der geneigte Leser Genaueres erfahren -:)
Warum gläubige Juden Pessach feiern (müssen):
https://religionskritik4.blogspot.com/2020/04/warum-glaubige-juden-pessach-feiern.html
Gruß von
Klarsicht(ig)
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Was tun ...?"
Ignorieren und wegwerfen.
Doch, das geht.
Giordano Bruno am Permanenter Link
gehen tut das schon, aber man braucht doch immer wieder etwas zum lachen in diesen tristen Zeiten der Pandemie und da ist die Bibel ein unerschöpflicher Quell der Heiterkeit.
Marianne Schweizer am Permanenter Link
Vielleicht wäre es doch auch eine Überlegung wert, weshalb der Atheist Bert Brecht die Bibel geschätzt hat.
Giordano Bruno am Permanenter Link
Er hatte halt auch Humor und lachte gerne über dummes Zeug.
Marianne Schweizer am Permanenter Link
Und aus dem "dummen Zeug" hat er dann Theaterstücke gemacht wie etwa den "Kaukasischen Kreidekreis".
Giordano Bruno am Permanenter Link
Um ein derartig gutes Theaterstück zu verfassen, braucht es keine Bibel, sondern eine Humanistische ( Menschliche ) Einstellung zu den Dingen des Lebens.
A.S. am Permanenter Link
Ist doch klar: Die Bibel ist eine Sammlung von Beispielen menschlicher Niedertracht und Heimtücke. Daraus lässt sich so manches Theaterstück machen ...
Marianne Schweizer am Permanenter Link
Sie ist eben nicht nur eine Sammlung von Beispielen menschlicher Niedertracht und Hemtücke, sondern einfach von Menschlichem aller Art.
awmrkl am Permanenter Link
Wie @Giordano Bruno schrieb:
"... man braucht doch immer wieder etwas zum lachen in diesen tristen Zeiten der Pandemie und da ist die Bibel ein unerschöpflicher Quell der Heiterkeit"
Wohl deswegen hat auch der Atheist Bert Brecht die Bibel geschätzt ...
Ich würde ergänzen: Die Bibel bietet ein fast unübertreffliches Beispiel dafür, wie man es möglichst NICHT macht!1elf!!
Alles Schlechte (auch die Bibel) kann eben auch als (schlechtes) Beispiel dienen ...
Petra Pausch am Permanenter Link
Ich bin ja nun wahrlich keine Freundin des christlichen (oder jeden anderen) Glaubens...
Petra Pausch am Permanenter Link
Nachtrag: Man sollte allerdings auch andere gute Literatur lesen:-)