Appell von Juristinnen und Juristen

Für die Streichung des § 219a StGB

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Bei der Demo für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin
Bei der Demo für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin

Ein Appell von Juristinnen und Juristen spricht sich für das Recht von Frauen aus, über legale Abtreibungsangebote von ÄrztInnen informiert zu werden. Dabei dürfen die ÄrztInnen nicht kriminalisiert werden.

Am 24. November 2017 erfolgt die erste Verhandlung in dem Strafverfahren gegen eine Ärztin für Allgemeinmedizin vor dem Amtsgericht Gießen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr in der Anklage vor, sie habe gegen das Verbot des § 219a StGB verstoßen, indem sie auf ihrer Webseite angibt, dass sie unter anderem Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Gegen zwei weitere Gynäkologinnen ist kürzlich ein Ermittlungsverfahren aus demselben Grund eröffnet worden. Nach 219a StGB, dem zufolge sich strafbar macht, "wer öffentlich seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt." Den Ärztinnen drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen.

AbtreibungsgegnerInnen, die sich selbst gern als "Lebensschützer" bezeichnen, missbrauchen diese Strafnorm, um ÄrztInnen durch Anzeigenerstattung einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Einige StaatsanwältInnen haben sich in der Vergangenheit hierzu instrumentalisieren lassen: Sie haben Strafbefehle erlassen oder Anklagen erhoben. Auf diese Weise werden über den Umweg des § 219a StGB legale Abtreibungen be- oder verhindert.

Mit diesen Strafverfahren wird vollkommen ignoriert, dass PatientInnen einen Anspruch darauf haben, über das Leistungsspektrum von ÄrztInnen informiert zu werden, damit sie darauf gegründet von ihrem Recht auf freie Wahl der Ärztin / des Arztes nach § 76 SGB V überhaupt sinnvoll Gebrauch machen können.

Die immer weiter fortschreitende Spezialisierung der ÄrztInnen und die Entwicklung der Medizin können PatientInnen nur überschauen, wenn die ÄrztInnen ihnen die erforderlichen Informationen selbst zugänglich machen. Schon 2002 hat das Bundesverfassungsgericht deshalb festgestellt: "Durch wahrheitsgemäße Angaben werden die PatientInnen bei der Suche nach fachlich kompetenten und für sie besonders geeigneten ÄrztInnen unterstützt."

Die UnterzeichnerInnen dieses Aufrufs fordern daher, § 219a StGB komplett zu streichen und die Strafverfahren gegen die betroffenen ÄrztInnen durch die Staatsanwaltschaft einzustellen.

Unterstützer:

Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Internationale Liga für Menschenrechte e.V. (ILMR)