Drei Vorschläge zur Klima-Krise

Wie geht's weiter nach Corona?

Mit Scharfblick nimmt die Wissenschaftlerin immer wieder die menschlichen Fehlwahrnehmungen von der Welt als ein erkenntnistheoretisches Problem in den Fokus. In den reicheren Ländern der westlichen Welt wollen wir nicht sehen, so ihre Kritik, dass unser Wohlstand zu weiten Teilen darauf beruht, dass wir seine Kosten nicht selbst tragen, sondern anderen aufhalsen. "Wir leben nicht über unsere Verhältnisse", zitiert sie einen Kollegen, "wir leben über die Verhältnisse der anderen". Etwa durch unverhältnismäßige Klimagas-Emissionen, durch massenhaften Soja-Import oder gigantischen Müllexport. Göpel: "Ursachen und Wirkungen werden entkoppelt und über den Globus verteilt". All unsere Kalkulationen seien Schönrechnerei, denn die Kosten für Emissions- und Naturschutz würden in Wahrheit "externalisiert".

Gleichwohl ist Maja Göpel keine Verfechterin der Graswurzel-Theorie, der einzelne Bürger könne mit seiner Kaufentscheidung, durch nachhaltigeren Konsum die globale Planetenzerstörung aufhalten. Solche Appelle seien nichts weiter als die "Privatisierung des Umweltschutzes". Auch den Propagandisten eines ungezügelten freien Marktes, der angeblich die Probleme von Nachhaltigkeit und Klimaschutz allein regulieren könnte, erteilt die Ökonomin eine Abfuhr. Klar ihr Bekenntnis: "Der Markt ist kein regelfreier Raum, sondern erst durch Regeln erschaffen worden". Folgerichtig tritt sie für das Eingreifen des Staates, etwa durch eine kluge Preispolitik ein und schreibt: "Jetzt einen CO2-Preis in einer ausreichenden Höhe einzuführen, der die unfaire Praxis limitiert und mittelfristig auslöscht, ist genau die vorausschauende Aufgabe des Staates, die ihm zugedacht ist".

Wie auch Claudia Kemfert straft sie die Kritiker Lügen, die den Protagonisten der Klimabewegung vorwerfen, sie kümmerten sich mehr um Klima und Natur als um Gerechtigkeit unter den Menschen. Ihre Losung heißt "Niemanden zurücklassen. – Niemanden davonziehen lassen", was konkret meint: "Ausreichend progressive Besteuerung und ein vernünftiges Kartellrecht". Oder anders: "Diejenigen, die aufgrund ihrer ressourcenintensiven Entwicklung in der Vergangenheit heute das Vermögen haben – auch im Sinne der Befähigung –, mehr zu tun, müssen es auch tun". An anderer Stelle bekennt sich Maja Göpel überdies ausdrücklich zu einem Humanismus, wenn sie Gerechtigkeit einfordert als die Grundlage für eine nachhaltige Wirtschaft. Nur so könne man verhindern, dass die ökologische und die soziale Frage gegeneinander ausgespielt würden. "Denn gerade in vermeintlich postfaktischen Zeiten", so ihr Credo, "bleibe ich unbeirrbare Humanistin, die an die Kraft von Wissen und Gewissen glaubt".

Maja Göpel, Unsere Welt neu denken, Ullstein 2020, 208 Seiten, ISBN: 9783550200793, 17,99 Euro

Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen!

Es scheint so: Von ihrer humanistischen Grundhaltung hat Maja Göpel etwas weitergeben können an die Jugendbewegung, die sie zusammen mit anderen Wissenschaftlern aktiv und sehr wohlwollend berät. Und damit kommen wir zum dritten Buch, einem weiteren Manifest für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Der Titel, mit dem sich der Jugendrat in der "Generationen Stiftung" im November 2019 an die Öffentlichkeit wandte, klingt zunächst einmal provokativ: "Ihr habt keinen Plan. Darum machen wir einen", der Untertitel kaum weniger: "10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft". (Ein Wunder, dass er bislang weder hier noch gar auf den Seiten von Dubito, "dem jungen Angebot des HPD" wenigstens einer Erwähnung für würdig befunden wurde!)

Eine gewisse Respektlosigkeit gehört zur Jugend! Geht es doch vor allem um ihre Zukunft und um die ihrer Kinder. Ja, ihr Buch gerät zur Anklage. "Wir sind die Kinder und Enkel*innen, die von euch gelernt haben. Ihr habt gesagt, wir müssten immer ehrlich sein. Ihr habt uns eingebläut, dass unser Handeln Konsequenzen hat. … Jetzt halten wir euch den Spiegel vor…" Und dann zählen die jungen Autoren auf – keine(r) ist älter als Jahrgang 1994 –, was sie uns Eltern und Großeltern vorzuwerfen haben: die rücksichtslose Ausbeutung der Natur, den ständigen Ressourcenraubbau, die Ausbeutung vieler zugunsten weniger. "Aber wenn wir euch das vorhalten, nehmt ihr uns nicht ernst. Selbst bei Minimalzielen sagt ihr uns, das sei unrealistisch. … Dabei schaut ihr uns in die Augen, lächelt süffisant, manchmal auch selbstgefällig. Denn ihr habt ja die Welt verstanden".

Cover

Sicher, wer so angegangen wird, reagiert zunächst mit Entrüstung. Keiner lässt sich gerne mit Moral kommen. Man kontert mit seinem Erfahrungsvorsprung oder elegant mit Arroganz. Dem aufgeklärten Säkularen geht dann auch allzu leicht der Vorwurf von den Lippen, die Jugendbewegung argumentiere quasi-religiös. Doch man greife zum Buch, überzeuge sich selbst: Der Argumente auf Seiten der Jugend sind zu viele. Angesichts der dicht dokumentierten Faktenlage entlarven sich die meisten Gegenerklärungen und Entschuldigungen als klägliche Versuche, sich der Kritik durch Immunisierung zu entziehen.

Die zehn Bedingungen, die der Jugendrat ausformuliert hat, sind nur allzu berechtigt. Sie betreffen, eben wie die auch von Kemfert und Göpel genannten Punkte zur Umgestaltung der Zukunft, bei weitem nicht nur die Klimakrise. Sie greifen Schwachpunkte der Gesellschaft auf, wie sie sich jetzt während der Covid-Krise besonders offenbart haben: Wir überwinden den Lockdown, doch die Welt dreht sich weiter. Die Folgen der Klimakrise treffen vor allem die ärmeren Länder mit Unwettern, Überschwemmungen und unbekannten Dürren. Die Zerstörung ganzer Lebensräume, das Aussterben vieler Arten geht weiter. Ein entfesselter Markt entzieht sich einer generationengerechten Kontrolle. Die Arbeitswelt kommt ihren Ansprüchen nach mehr Ausgleich und Gerechtigkeit nicht nach. Längst nicht alle dürfen ihr Recht auf gute Teilhabe an Vermögen und Bildung einfordern. Sogar die in Jahrhunderten erkämpfte Demokratie scheint auf Dauer nicht mehr sicher.

Stolz und selbstbewusst konfrontiert uns der Jugendrat mit seinem Plan für eine generationengerechte Zukunft. "Es wird nicht reichen", schreiben die Autoren, "auf ein paar Inlandsflüge und Kreuzfahrten zu verzichten. Der Wandel unseres Denkens und Handelns muss grundsätzlicher sein". Ja, einmal Luft holen, und sich dann durch ihre hundert Einzelforderungen durchkämpfen. Zugegeben, sie sprengen zum Teil die Grenzen unseres Systems. Ihre Erfüllung ist nur möglich, wenn einiges ganz von Grund auf geändert wird.

Trotzdem: Die Utopie der Jugend ist kein Nowhere-Land! Aber die jungen Autoren wissen es: Sie können es nicht allein. Sie sind auf die Einsicht und konstruktive Mitarbeit aller Generationen angewiesen. Deshalb haben sie sich bei der Aufstellung ihrer Forderungen des Rates von Experten versichert: Initiatorin war die kluge Aktivistin Claudia Langer, die Unterstützer sind neben Maja Göpel, Harald Lesch, Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut der ehemalige Weltbankpräsident Caio Koch-Weser.

Auf der Website der Generationen Stiftung fordern die Macher die Alten und die Jungen auf sich aktiv zu verbünden. Ihre Botschaft: "Wir verbünden junge und alte Menschen, um gemeinsam das System zu verändern". Und ganz aktuell zu Corona/Covid-19: "Ein Rettungsschirm für die Menschen! Die Welt ordnet sich neu. Wie, das hängt von uns ab. Deswegen haben wir einen Soforthilfeplan geschrieben. 4 konkrete Forderungen für die Welt nach Corona. Mitmachen! Am 28. Mai geht es los! Bist du dabei?"

Wer die Stiftung dabei unterstützen will, besuche ihre Website. Zumindest darf man schon mal sehr gespannt sein.

Claudia Langer (Herausgeber), Der Jugendrat der Generationenstiftung (Autor), Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen! 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft - Mit einem Vorwort von Harald Lesch (Deutsch), Broschiert, Randomhouse 2019, 12,00 Euro

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