Gemeinsam Sinn finden

Der Humanistische Verband Rheinland-Pfalz/Saarland e. V. (HVD RLP/Saar) begrüßt und unterstützt die Aufforderung der LandeschülerInnenvertretung (LSV) Rheinland-Pfalz an die Landesregierung, die längst überfällige Änderung des Art. 29 der rheinland-pfälzischen Verfassung vorzunehmen.

Artikel 29 der "Verfassung für Rheinland-Pfalz" vom 18. Mai 1947 trifft eine Aussage über den Charakter der Schulen in RLP und bezeichnet die öffentlichen Grund-, Haupt- und Sonderschulen als "christliche Gemeinschaftsschulen".

Abgesehen davon, dass sich seit der Formulierung des Verfassungstextes die Schulformen weiterentwickelt haben, hat sich vor allem das gesamtgesellschaftliche Verständnis in Bezug auf die Bedeutung der christlichen Werte verschoben. Christliche Vorstellungen dominieren in unserer gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr – sie sind lediglich eine weltanschauliche Überzeugung neben inzwischen vielen anderen. Dementsprechend können die öffentlichen Schulen als Orte, an denen junge Menschen täglich Erfahrungen mit Pluralismus machen, nicht länger eng an eine einzige weltanschauliche Überzeugung gekoppelt werden.

Die in der Vergangenheit in der Regel ausgesparte Einschränkung "mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen" in Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ("Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach") gibt den Weg zu dem von der LSV geforderten integrativen wertevermittelnden Schulfach vor:

Die jungen Menschen bringen in die öffentlichen Schulen all jene weltanschaulichen Hintergründe mit, die in unserer Gesellschaft vertreten sind. Will man die Rechte aller gleichermaßen achten, darf die Schule keine Überzeugung bevorzugen und keine benachteiligen. Dies lässt sich nur gewährleisten, indem Schulen als weltanschaulich neutral, also als bekenntnisfrei verstanden werden.

Die Charakterisierung der rheinland-pfälzischen Schulen als christlich bleibt aber nicht nur hinter dem gesellschaftlichen Wandel zurück. Sie steht als pauschale Aussage auch in Widerspruch zu dem höherrangigen Grundgesetz der Bundesrepublik, das bekenntnisfreie öffentliche Schulen bereits prinzipiell vorsah, als der Großteil der Gesellschaft sich vor mehr als einem halben Jahrhundert tatsächlich noch als christlich verstanden hatte.

"Unsere Schulen sollten in einem gemeinsamen Werteunterricht sinnstiftende Angebote unterbreiten und den SchülerInnen die Möglichkeit bieten, sich mit einer realistischen Vielfalt an Religionen und Weltanschauungen konstruktiv auseinanderzusetzen, ohne durch einseitige Lehrmeinungen beeinflusst zu werden. So können im demokratischen Miteinander eigene Standpunkte entwickelt, begründet und hinterfragt werden. Es soll kein Glaube nachvollzogen werden, sondern das selbständige und kritische Denken soll geschult werden. Auch wenn im gegenwärtigen konfessionellen Religionsunterricht andere Religionen behandelt werden – bezeichnenderweise keine als gleichwertig anerkannte nicht-gläubige Weltvorstellungen – ist ein getrennter einseitig bekenntnisgeleiterer Unterricht angesichts der pluralistischen Realität geradezu grotesk", so Holger Hein, pädagogischer Sprecher des HVD RLP/Saar. "Das ernsthafte Engagement der SchülervertreterInnen, die sich sachorientiert und konstruktiv mit der inzwischen unbefriedigenden Form eines nach Konfessionen getrennten Religionsunterrichtes auseinandersetzen, sind ein gutes Beispiel dafür, dass die junge Generation nicht nur eigenständig denken kann, sondern dieses Denken auch in Handeln umsetzen will. Wir unterstützen diese Bemühungen ausdrücklich."