Fronleichnam

IQ-Test Christentum

Einmal predigt jemand pazifistisch (Mt 26, 52), das andere Mal ruft einer zum Schwert (Lk 22, 36), zum Streit (Lk 12, 49-53) und will alle tot sehen, die sich nicht vor ihm als König niederwerfen (Lk 19, 27). Ist da jemand schizophren?

Das eine Mal wird ein Gefangener vor Hanas, Kajafa und Pilatus geführt (Joh 18, 13f). Das andere Mal wird er nicht von Hannas verhört, sondern von Kajafa, Pilatus und zusätzlich von Herodes (Lk 23, 8-12). Werden hier zwei Lebens- und Prozessverläufe geschildert, die einander ähnlich aber eben nicht identisch sind? Und ist es Zufall, dass Petrus unterschiedliche Personenbeschreibungen leugnen muss, bevor der Hahn zweimal kräht (Mt 26, 69+71; Mk 14, 67+70, Joh 18, 17+25)?

Am deutlichsten wird es aber in der extra dafür mitgelieferten Genealogie der Protagonisten. Laut Matthäus hat ein Jesus 40 Vorfahren (Mt 1, 1-17) und der andere hat nach Lukas 76 Ahnen (Lk 3, 23-38). Beide Stammbäume stimmen aber nur in zwei Namen überein. Jeder wissenschaftlich denkende Mensch würde dies also als zwei Stammbäume von zwei verschiedenen Personen identifizieren, deren Väter jeweils Joseph hießen. Wird den "Zeitzeugen" Matthäus und Lukas eine herausragende Merkfähigkeit von Ahnenreihen nachgesagt, so muss es zwei Jesus gegeben haben. Ansonsten führt jenes angeblich brillante Erinnerungsvermögen nur zu der Frage, was der Rest der Aussagen Wert ist. Wer ist also hingerichtet und wer freigelassen worden? Jesus 1 oder Jesus 2?

Räumlich-zeitliche Intelligenz

Dieses Verwechslungsspiel findet in den Szenen um die Auferstehung seine Fortsetzung. Joseph Atwill (2008) entdeckte dies Logical zur Überprüfung der räumlich-zeitlichen Intelligenz. Wer die entsprechenden Textstellen der Evangelien (Mt 28, 1-10; Mk 16, 1-8; Lk 24, 1-12; Joh 20, 1-18) über das leere Grab und die vermeintliche Auferstehung oberflächlich liest, stellt zunächst nur fest, dass sich die "vier" Zeitzeugen extrem zu widersprechen scheinen. Mal ist von einer Frau oder einem Engel, mal von mehreren Frauen und Männern die Rede, die sich in Weiß gekleidet in der Nähe eines leeren Grabes treffen und über die Auferstehung wundern. Wer jedoch die Zeitangaben und die jeweilige Anzahl der Personen vor Ort korrekt berücksichtigt, bemerkt schnell, dass sich alle "vier" Darstellungen ergänzen und zusammen einen ganz anderen Inhalt widerspiegeln, wenn sie ineinander verschachtelt gelesen werden.

Beginnend mit Johannes 20, 1- 4 ist es logisch, dass eine erste Maria in finsterer Nacht das Grab des vermeintlichen Jesus mit dem von Lazarus verwechselt – der eine Woche vorher "auferstanden" ist - und feststellt, dass es leer ist. Sie läuft in die Stadt, berichtet davon und zwei Jünger machen sich auf, um nachzusehen. Doch laut Logical läuft einer schneller als der andere (Joh 20, 3-4)! Und dadurch, dass nun verschiedene Frauengruppen jeweils einen, zwei und später noch einen weiteren Apostel am Grab und auf dem Weg dorthin antreffen, ergibt sich eine herrliche Verwechslungskomödie. Besonders deutlich wird dies dadurch, dass sich ein Jünger als vermeintlicher "Erlöser" von einer Maria anfassen lässt (Mt 28, 9), während ein anderer eine weibliche Berührung strikt ablehnt (Joh 20, 17).

Aus der Kernaussage des Christentums – der leiblichen Auferstehung – wird eine bitterböse Satire, bei der die Jünger abwechselnd für Engel oder für Jesus gehalten werden, da sie im Halbdunkel mit weißen Gewändern umherlaufen. Gebildete Juden und Römer werden sich köstlich amüsiert haben. Erstens, weil hier jeder jeden und auch die Akteure sich selbst für Erlöser halten, aber nicht einmal wissen, wer gekreuzigt wurde oder vor wessen Grab sie stehen. Immerhin waren ja alle geflüchtet und Jesus bar abbas läuft noch frei herum. Zweitens, weil die weißen Gewänder auf die Sekte der Essener hinweisen, die an ein Leben der Seele nach dem Tode auf der Insel der Seligen glaubten (DBJ-B2K8,156). Und dieser "auferstandene" Essener soll nun sogar seinen ganzen Körper mitgenommen haben. Drittens, weil diese Möchtegern-Rebellen sich anschließend in Emmaus treffen wollen, wo eine römische Vexillation auf sie wartet.

Da diese logisch präzise Verschachtlung der Evangelien nicht zufällig zustande kommen kann, können auch nicht vier Autoren unabhängig voneinander als Zeitzeugen tätig gewesen sein. Zumindest ein Leitautor muss hier die Feder geführt haben.

Assoziationsvermögen

Damit der Sinn der Logicals erkennbar bleibt, haben die Väter des Christentums die Schlüsselwerke zu den geschichtlichen Hintergründen mit erhalten. Nicht umsonst gehören die Werke De Bello Judaico und Antiquitates Judaicae von Flavius Josephus zu den wenigen Büchern, die von den Kirchenvätern beim Untergang Roms gerettet wurden. Viele sahen in ihm sogar einen Mitbegründer des Christentums, wenn nicht sogar den Leitautor des Neuen Testaments. Mit seinen säkularen Werken wird sichergestellt, dass das Neue Testament mit seinem eigentlichen Helden Nr. 42 auf die Zeit des judäischen Aufstandes der Jahre 66 bis 73 bezogen werden kann. Immerhin bedeutet Eu angelion: die gute Nachricht vom Sieg in der Schlacht.

Für diese erwünschte Assoziation spricht, dass der Lebenslauf des Protagonisten im Matthäus-Evangelium alle wichtigen Ereignisse des jüdäischen Aufstandes in identischer chronologischer Reihenfolge widerspiegelt. Die Versuchung Jesu durch den Teufel (Mt 4, 8-9) zeigt Ähnlichkeiten zur Versuchung Vespasians, als ihm Josephus die Prophezeiung über den zukünftigen Kaiser der Welt nahelegt (DBJ-B3K8-399-403 ) bzw. Vespasian wohl Josephus ein Königreich Judäa in Aussicht stellt. Die Gebildeteren werden in der Bergpredigt (Mt 5, 3-12) die subtilen ironischen Anspielungen Vespasians an seine Truppen vor der Höhenfestung Gamala wiedererkannt haben (DBJ-B4K1,40-48). Die Speisung der Fünf- und Viertausend (Mt 14, 16-21; Mt 15, 29-39) ist blanke Ironie auf die Hungersnot in Jerusalem während der Belagerung, da sich die Rebellen überhaupt nicht um die Ernährung der Stadt kümmerten, sondern sogar noch das Letzte stahlen.

Auch machen die meisten Gleichnisse in den Evangelien an ihren jeweiligen Stellen nur Sinn, wenn einzelne Ereignisse im Kriegsablauf bekannt sind. Der berühmte Feigenbaum (Mt 21, 18-19) spielt auf die Rodung der Hänge Jerusalems an. Das Gleichnis der Winzer (Mt 21, 33-44) beinhaltet die Anzahl der Angriffswellen und den berühmten Turm (DBJ-B5K7-292), dessen Unterminierung letztendlich zum Fall Jerusalems führte. Das Hochzeitmahl mit den geschmückten Gästen (Mt 22) entspricht einer Truppenparade, dem Vorschlag und der Abweisung einer Kapitulation (DBJ-B5K9). Die törichten und die klugen Jungfrauen mit ihren Lampen (Mt 25) machen nur Sinn, wenn ein Nachtangriff von Titus auf den Tempel als bekannt vorausgesetzt wird (DBJ-B6K2-136-141). Mit der Schleifung Jerusalems und des Tempels stirbt auch der Protagonist. Übrig bleiben lediglich drei Türme (DBJ-B6K9-413) bzw. 3 Kreuze (Lk 23, 32; Joh 19, 18). Zudem wird am Schluss von einem verräterischen Sikarier berichtet, der in beiden Werken mit Silberlingen zu tun hat und identisch auf extrem ungewöhnliche Art und Weise stirbt (DBJ-B7K11-453; Apg 1, 18).

Die hohe Anzahl der gewünschten Assoziationen und ihre identische chronologische Abfolge können kein Zufall sein. Da sich der Kriegsablauf nicht an einem Roman orientieren konnte, bedeutet dies, dass der Roman zeitlich nach den Ereignissen geschrieben und biblische 40 Jahre zurückdatiert wurde, um die Nr. 42 als prophezeit zu etablieren.

Zeugen der Satire

Man kann dem Autoren also nicht vorwerfen, dass er sich keine Mühe gegeben hätte auf seinen IQ-Test hinzuweisen. Credo quia absurdum est, wie die Gebildeten damals zu lachen pflegten, denn das Christentum war als Staatskirche für die Eingeweihten und Machthungrigen damals genauso attraktiv, wie heute ein Parteibuch. Selbst ihre Nachfahren amüsierten sich über 500 Jahre später noch so laut über jene Logicals, die für die einfachen Gemüter unlösbar waren, dass sogar Mohammed ausdrücklich darauf hinweisen musste, dass nicht "der" Jesus, sondern lediglich ein ihm "ähnlicher" Jesus gekreuzigt worden sei (Sure 4, 156). Ach, hätte Mohammed das Neue Testament – so er es gekonnt hätte – gelesen. So wäre ihm aufgefallen, dass auch er sich in "Gottes eigenem Wort" vertan und nicht auf Isa, den Christus, berufen hat.

Erst Douglas Adams machte jüngst wieder auf die Nr. 42 - als die Antwort auf eine nicht mathematische Frage nach dem Sinn – aufmerksam. Doch wie hieß die ursprüngliche Frage?


Literatur:
Atwill, Joseph: Das Messias Rätsel. Die Geheimsache Jesus. Allegria, Berlin 2008.
Josephus, Flavius: Antiquitates Judaicae.
Josephus, Flavius: De Bello Judaico.