Gesetzentwurf in Ägypten

Keine Vollverschleierung in der Öffentlichkeit

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Frauen mit Niqab - in Ägypten keine Seltenheit mehr
Frauen mit Niqab

BERLIN. (hpd) Dürfen Kleider, die wie Burka oder Niqab Körper und Gesicht vollständig verhüllen, in der Öffentlichkeit getragen werden? Eine Frage, die nicht nur in europäischen Ländern kontrovers diskutiert wird, sondern auch in Ägypten.

Nach Berichten der ägyptischen Zeitung Egypt Independent arbeitet das ägyptische Parlament derzeit am Entwurf für ein Gesetz, das Frauen das Tragen eines Niqabs in staatlichen Einrichtungen und an öffentlichen Orten untersagt. Die Zeitung beruft sich hierbei auf eine Aussage von Amna Nosseir, Mitglied des ägyptischen Parlaments und Professorin für Vergleichende Rechtswissenschaft an der islamischen Al-Azhar Universität in Kairo, während eines Interviews mit dem Fernsehsender ONTV.

Nosseir sagte, dass der Niqab, ein Vollschleier, der lediglich die Augenpartie der Frau unbekleidet lässt, nach islamischem Recht nicht notwendig sei und dass er seinen Ursprung nicht im Islam habe. Vielmehr sei er eine jüdische Tradition, die auf der arabischen Halbinsel in vorislamischen Zeiten Einzug hielt. Nosseir befürwortet den Gesetzentwurf und gilt seit einigen Jahren als klare Gegnerin der Vollverschleierung.

Noch bevor der Gesetzentwurf fertig ist, regt sich bereits der Widerstand gegen ihn. Nosseirs Kollege Fouad Abdel-Moneim, Professor für Religion und Philosophie an der religiösen Al-Azhar Universität erklärte, dass Sharia-Gelehrte sich darüber einig seien, dass der Islam von Frauen fordere, ihren Anstand zu wahren. Laut Egypt Independent sagte er dem Fernsehsender Al-Assema, dass die jüdische und muslimische Religion darin übereinstimmten, dass der Niqab eine religiöse Notwendigkeit für Frauen darstelle. Den Niqab zu verbieten, wäre daher ein schwerer Schlag gegen die persönliche Freiheit in Ägypten. Statt ein Gesetz gegen den Niqab zu machen, sagte Abdel-Moneim, solle das Parlament lieber Gesetze verabschieden, die Frauen davon abhielten, freizügige Kleidung zu tragen.

Der Streit um den Schleier ist in Ägypten nicht neu. Während es für Frauen in ägyptischen Großstädten bis in die 1980er Jahre noch ganz normal war, kurze Röcke zu tragen, und Frauen mit Kopftuch eine Minderheit waren, wurden Verschleierungen unterschiedlicher Art in den vergangenen Jahrzehnten zum sichtbaren Zeichen einer gesellschaftlichen Re-Islamisierung des Landes. Insbesondere junge Frauen greifen heute zum Niqab, um damit ihre Gottgefälligkeit auszudrücken, während die Generation ihrer Mütter zu diesem Zweck noch ein Kopftuch völlig ausreichend fand.

Mit der Zahl der Schleier-Trägerinnen wächst auch die Kritik an dieser Form der Bekleidung im öffentlichen Raum, da der Niqab die nonverbale Kommunikation mit dem Gegenüber unmöglich macht. Nach Beschwerden von Studenten erließ daher der Präsident der staatlichen Universität von Kairo, Gaber Nassar, im Herbst 2015 ein Niqab-Verbot für weibliches Unterrichtspersonal im Klassenzimmer. Das Verbot wurde im Januar 2016 vom Verwaltungsgericht bestätigt. Im Februar erweiterte Nassar das Niqab-Verbot auch auf das Personal der universitären Qasr al-Aini Medical School (QAMS) und der angeschlossenen Krankenhäuser. Es gilt für Ärztinnen, Krankenschwestern, Beraterinnen, sowie das akademische und technische Personal.

Wie die aktuelle Kontroverse zwischen der Rechtsprofessorin Nosseir und dem Religionsprofessor Abdel-Moneim von der islamischen Al-Azhar Universität zeigt, ist der Niqab auch innerhalb der islamischen Gelehrtenwelt Ägyptens nicht unumstritten.

2009 erließ der inzwischen verstorbene Großscheich der Al-Azhar-Universität, Mohamed Tantawi, ein Niqab-Verbot für alle Institutionen der religiösen Bildungseinrichtung. Obwohl Tantawi als Großscheich der Al-Azahr-Universität die höchste Autorität des sunnitischen Islam war, ist sein Niqab-Verbot umstritten. Niqab-Befürworter unterstellen ihm, seine Entscheidung sei nicht religiös motiviert, sondern habe eine Gefälligkeit für den damaligen, westlich orientierten ägyptischen Staatpräsidenten Mubarak dargestellt, der während seiner Amtszeit mehrfach Vorstöße gegen die Vollverschleierung unternommen hatte.