Steigende Temperaturen durch den Ausstoß von Treibhausgasen können unserer Wirtschaft größeren Schaden zufügen als frühere Untersuchungen vermuten ließen – das zeigt eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des Mercator Research Institute for Global Commons and Climate Change (MCC).
Die Wissenschaftler haben auf der Grundlage eines in dieser Form erstmals entwickelten Datensatzes des MCC genauer untersucht, wie sich der Klimawandel auf Gebiete wie etwa US-Bundesstaaten, chinesische Provinzen oder französische Départements auswirkt, also unterhalb der nationalstaatlichen Ebene. Wenn die CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht umgehend reduziert werden, kann das zu einer globale Erwärmung um 4°C bis 2100 führen.
"Klimaschäden treffen unsere Unternehmen und Arbeitsplätze, nicht nur Eisbären und Korallenriffe", sagt Leonie Wenz vom PIK, eine der beiden Autoren der Studie. "Steigende Temperaturen machen uns weniger produktiv, was insbesondere für draußen arbeitende Menschen in der Bauindustrie oder der Landwirtschaft relevant ist. Sie betreffen unsere Ernten und bedeuten zusätzliche Belastungen und damit Kosten für unsere Infrastruktur, weil zum Beispiel Rechenzentren gekühlt werden müssen. Durch die statistische Auswertung von Klima- und Wirtschaftsdaten der letzten Jahrzehnte haben wir festgestellt, dass die aggregierten wirtschaftlichen Schäden durch steigende Temperaturen sogar noch größer sind als zuvor geschätzt. Wir haben dabei die Auswirkungen auf regionaler Ebene untersucht, die ein vollständigeres Bild ergeben als die nationalen Durchschnittswerte."
Schäden durch Wetterextreme kämen noch hinzu
Frühere Forschungsarbeiten legten nahe, dass ein 1°C heißeres Jahr die Wirtschaftsleistung um etwa ein Prozent reduziert. Die neue Analyse deutet auf Produktionsverluste hin, die in warmen Regionen bis zu dreimal so hoch sind. Indem die Forscher diese Zahlen als Maßstab für die Berechnung künftiger Schäden durch weitere Treibhausgasemissionen verwenden, stellen sie erhebliche wirtschaftliche Verluste fest: Zehn Prozent im globalen Durchschnitt und mehr als 20 Prozent in den Tropen bis 2100. Dies ist immer noch eine konservative Einschätzung: Die Studie berücksichtigt nicht die erheblichen Schäden, die beispielsweise durch extreme Wetterereignisse und den Anstieg des Meeresspiegels entstehen, da sie für einzelne Regionen oft schwer zu bestimmen sind.
Ermöglicht wurden diese neuen Erkenntnisse durch das Erstellen eines neuartigen MCC-Datensatzes von Klima und Wirtschaft für 1.500 Regionen in 77 Staaten der Welt, dessen Daten für einige Regionen bis zu rund hundert Jahre zurückreichen. Die Datenerfassung ist für Industrieländer am besten, insbesondere für weite Teile Afrikas fehlen jedoch entsprechende wirtschaftliche Informationen. Die Berechnungen belegen einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftsproduktion, aber nicht so sehr einen Einfluss auf das dauerhafte Wirtschaftswachstum. Das könnte ein Grund zur Hoffnung sein, wenn die Emissionen reduziert werden. Wichtig ist, dass die Schäden sehr unterschiedlich in der Welt verteilt sind, wobei tropische und bereits arme Regionen am meisten unter der anhaltenden Erwärmung leiden, während ein paar Länder im Norden sogar davon profitieren könnten.
Die wirtschaftlichen Kosten jeder Tonne CO2-Emissionen: 70–140 US-Dollar
Die Ergebnisse haben beträchtliche Folgen für die Klimapolitik, speziell für die CO2-Preisgestaltung. "Wenn man das weit verbreitete Klima-Wirtschafts-Modell DICE des Nobelpreisträgers William Nordhaus mit den statistischen Schätzungen aus unseren Daten aktualisiert, sind die Kosten jeder Tonne Kohlenstoff, die an die Gesellschaft abgegeben wird, zwei- bis viermal höher", betont der Leitautor der Studie, Matthias Kalkuhl vom MCC. "Laut unserer Studie wird jede Tonne CO2, die im Jahr 2020 emittiert wird, einen wirtschaftlichen Schaden verursachen, der bei den Preisen von 2010 zu Kosten zwischen 73 und 142 Dollar führt, anstelle der vom DICE-Modell angezeigten 37 Dollar. Bis 2030 werden die sogenannten sozialen Kosten von Kohlenstoff aufgrund steigender Temperaturen bereits um fast 30 Prozent höher sein."
Zum Vergleich: Der Kohlenstoffpreis im europäischen Emissionshandel schwankt derzeit zwischen 20 und 30 Euro pro Tonne; der nationale Kohlenstoffpreis in Deutschland steigt von 25 Euro im nächsten Jahr auf 55 Euro im Jahr 2025. Diese aktuellen Kohlenstoffpreise spiegeln also nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Klimaschäden wider. Nach dem Verursacherprinzip müssten sie deutlich nach oben angepasst werden. (PIK)
2 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Raus aus dem "fossil-nuklearen Komplex" (Schellnhuber), *umgehend*!
Carabus am Permanenter Link
Man kann nur noch einmal betonen, dass diese Studie einen deutlichen Rückgang der Weltwirtschaftsleistung bis 2100 durch die Erderwärmung prognostiziert.
nicht wieder zu vergleichbarere Prosperität finden werden, wie zuvor. New Orleans hat auch 15 Jahre nach Cathrina noch nicht wieder die gleiche Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl wie zuvor. Man denke weiter an den Verlust des Amazonas-Regenwaldes, der ganz schnell die lokale Holzindustrie treffen kann, die Nahrungsmittelpreise explodieren und die Gesundheitskosten steigen lassen kann. Oder Präventionskosten durch die Verbreitung von ehemals "tropischen" Krankheiten. Die zunehmenden Hitzewellen werden die Sterblichkeitsrate beeinflussen - wie wirkt sich das aus? Dann die Folgen von Migration hervorgerufen durch Wasser- oder Nahrungsmittelknappheit. Die Kosten von Konflikten, die sich an der Verteilung knapper werdender Ressourcen ergeben. Der Verlust von Infrastruktur bei steigenden Meeresspiegel. Eine lange Liste um zu zeigen, dass die Prognosen in diesem eher an wirtschaftlichen Kenndaten ausgerichtetem Artikel sicherlich viel zu optimistisch sind.