Krieg in der Ukraine sorgt für Bruch unter russisch-orthodoxen Kirchengemeinden

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Die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau gilt als Hauptkirche der russischen Orthodoxie
Die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau

Dass die russisch-orthodoxe Kirche unter Kyrill I. den Krieg Russlands gegen die Ukraine massiv unterstützt, sorgt bei anderen russisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaften für großen Unmut. Weltweit sagten sich einige bereits explizit vom Moskauer Patriarchat los.

Der Patriarch von Moskau Kyrill I. und Russlands Präsident Wladimir Putin pflegen eine enge Verbindung. Diese wird auch durch den Krieg des Landes gegen die Ukraine nicht beeinträchtigt, im Gegenteil: Kyrill unterstützt Putin, indem er eine spirituelle Rechtfertigung für den Angriff liefert: Er sei "von me­taphysischer Bedeutung", denn es seien "böse Kräfte" am Werk, die Russland bedrohten. Der Kriegsdienst sei eine Bekundung von "Nächstenliebe nach dem Evangelium" und "ein Beispiel der Treue zu den hohen sittlichen Idealen des Wahren und Guten".

Diese Verklärung brutaler Gewalt, die sich vermehrt auch gegen Zivilisten richtet, zum "gerechten Krieg" wollen Ableger der russischen Orthodoxie in der ganzen Welt so nicht hinnehmen: So kündigte die russisch-orthodoxe Kirche in Amsterdam, eine der größten in den Niederlanden, bereits ihre Abspaltung vom Moskauer Patriarchat an, wie der Guardian berichtet. Besucht man die Website der "Gemeinde Sankt Nicholas von Myra" wird ein Hinweis eingeblendet: Es sei nicht länger möglich, innerhalb des Moskauer Patriarchats zu wirken und eine "spirituell sichere Umgebung" für die Gläubigen bereitzustellen. Die Geistlichen der Gemeinde hätten ihren Erzbischof um "kanonische Entlassung" gebeten und um Aufnahme in das ökumenische Patriarchat von Konstantinopel ersucht. Diese Entscheidung sei "extrem schmerzhaft und schwierig" gewesen. Die Gottesdienste sind derzeit ausgesetzt. Zuvor hatte man dort bereits damit aufgehört, den Namen von Moskaus Patriarchen in der Liturgie zu erwähnen, via Facebook hatte sich die Kirchengemeinde ausdrücklich von Kyrills Narrativ distanziert. Moskau beobachte ihre Aktionen genau, habe der Erzbischof sie im Anschluss daran gewarnt.

Die Amsterdamer Gemeinde ist nicht allein mit ihrer Ablehnung der klerikalen Unterstützung für Putins Angriffskrieg: Nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika kehrten russisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaften Patriarch Kyrill den Rücken, schreibt der ORF. Im WDR sagte der Professor für Ostkirchenkunde und Friedensforschung am Ökumenischen Institut der Universität Münster Thomas Bremer, Priester und Bischöfe betrachteten das Moskauer Kirchenoberhaupt nicht mehr als ihren Patriarchen; "die Kirche hat sich sehr klar und sehr eindeutig auf die ukrainische Seite gestellt." 286 internationale russisch-orthodoxe Priester und kirchliche Amtsträger haben außerdem einen Offenen Brief unterzeichnet, der die russische Invasion ablehnt und denjenigen "ewige Qualen" prophezeit, welche "mörderische Befehle" gäben, berichtet der Guardian weiter.

Somit trägt Kyrill zum genauen Gegenteil dessen bei, was er erreichen wollte: Er, der das geopolitische Narrativ der Zusammengehörigkeit von Belarus, Ukraine und Russland unterstützt und damit in Folge der Abspaltung der ukrainischen orthodoxen Kirche auch seine eigenen kirchlichen Machtinteressen verfolgt, hat durch seine Kriegsrhetorik weitere Schismen erzeugt, anstatt die gewünschte Einheit wiederherzustellen. Thomas Kremer, Professor für Theologie des Christlichen Ostens an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, bezeichnet die Haltung des Patriarchen von Moskau zum Krieg in der Ukraine bei katholisch.de als "moralischen Tiefpunkt in der Geschichte der Christenheit". Eine Zukunft habe die russisch-orthodoxe Kirche nur noch ohne Kyrill.

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