Nach dem Willen der israelischen Regierung wird zukünftig zwischen 23 Uhr abends und 7 Uhr morgens kein Muezzin-Ruf per Lautsprecher mehr in Israel zu hören sein. Das Gesetz wurde in den vergangenen Monaten im Parlament und in den Medien stark diskutiert.
Wer je in der Altstadt von Jerusalem genächtigt hat, weiß, dass man dort keinen Wecker braucht. Pünktlich bei Sonnenaufgang erklingt der Gebetsruf der Muezzine von den Türmen der Moscheen. Zeitversetzt von Ost nach West dem Lauf der aufgehenden Sonne angepasst und Dank der Segnungen der modernen Technik lautsprecherverstärkt. Insgesamt fünfmal täglich ertönt der Ruf der Muezzine und fordert gläubige Muslime zu ihren vorgeschriebenen Tagesgebeten auf.
Was von den einen als Teil der eigenen Kultur verstanden wird, empfinden andere als Ruhestörung. So auch der Parlamentsabgeordnete Motti Yogev von der nationalreligiösen Partei HaBajit haJehudi. Er brachte deshalb im vergangenen November den Entwurf für ein Gesetz "zur Verhinderung von Lärm durch öffentliche Lautsprechersysteme in Gebetshäusern" ein.
Der Entwurf wurde scharf kritisiert. Obwohl im Gesetz von Gotteshäusern ganz allgemein die Rede ist, wird von Kritikern vermutet, dass es sich primär gegen Muezzin-Rufe richtet. Das Gesetz erhielt deshalb in Israel den Spitznamen "Muezzin-Gesetz". Muslimische Parlamentsabgeordnete warfen dem Gesetzentwurf rassistische Hetze gegen die muslimische Minderheit des Landes vor, die größtenteils aus Palästinensern besteht.
Kritik an dem Gesetzentwurf äußerten jedoch nicht nur muslimische Interessenvertreter, sondern auch Vertreter ultraorthodoxer jüdischer Parteien in der Regierungskoalition. Sie befürchteten, dass das Gesetz dazu genutzt werden könne, die Sabatt-Sirenen zu verbieten. Diese kündigen jeden Freitag jeweils fünfundzwanzig und fünf Minuten vor Sonnenuntergang den Beginn des Sabbats an.
Der Gesetzentwurf wurde überarbeitet und nach übereinstimmenden Medienberichten nun von der Regierung und dem Gesetzgebungsausschuss abgenickt. Laut der neuen Fassung des Gesetzes, das jetzt noch das Parlament passieren muss, ist es verboten, in Gotteshäusern zwischen 23 Uhr abends und 7 Uhr morgens Lautsprecher und Verstärker zu benutzen. Während die Sabbat-Sirene durch die zeitliche Eingrenzung nicht mehr von dem Verbot betroffen ist, werden Muslime zum Morgengebet vom Muezzin in Zukunft ohne Lautsprecherverstärkung gerufen werden müssen.
8 Kommentare
Kommentare
Gustav am Permanenter Link
naja, irgendwie geht das ja auch in Richtung Säkularisierung, aber das ist wohl nicht der grund warum das so sein soll
Rainer Bolz am Permanenter Link
Der Europäische Glockenterror ist ebenfalls nicht zu tolerieren.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ja, Glockenterror, das ist das richtige Wort. Bei uns fängt morgens um 6 Uhr an und hört nur um 22 Uhr auf.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Hallo Herr Schiemert,
Ein Kollege hat vor gut 15 Jahren einen Prozess gegen die Hamburger Kirche geführt. Kosten inklusive Lärmgutchten ca.12000.-
Mein Kollege hat sich dann ein neues Domizil gekauft, - denn, einen weiteren Prozess wollte die Rechtschutzversicherung dann auch nicht mehr unbedingt übernehmen.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Danke für die Info. Ich kann mir also jede Initiative gegen den Glockenterror ersparen. Traurig.
Friedemann am Permanenter Link
Die ständige Zwangsbeschallung durch Kirchengebimmel stellt für die Anwohner ein Gesundheitsrisiko dar und ist eine sehr merkwürdige Form 'christlicher Nächstenliebe'.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Danke für die Info. Mal sehen, was die Nachbarn sagen...
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Das hektische Rückzugsgefecht der Katholiken. Daneben wohnend, versteht man sein eigenes Wort nicht mehr. (Mark Twain hat sich - und uns - köstlich darüber amüsiert.)