Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz hat eine Plakataktion gestartet. Saudische Gäste werden darauf gebeten, sich in ihrem Heimatland für den saudischen Dissidenten Raif Badawi einzusetzen. Der Gemeinderat der Stadt Interlaken stellt sich jedoch quer. Die Freidenker haben gegen die städtische Zensur rechtliche Schritte angekündigt.
Seit Jahren setzt sich die Freidenker-Vereinigung der Schweiz für den saudischen Dissidenten Raif Badawi ein, der 2013 zu 1.000 Peitschenhieben, zehn Jahren Haft und anschließenden zehn Jahren Ausreiseverbot verurteilt worden war – weil er auf seinem Blog humanistische Prinzipien vertreten hatte, welche saudische Richter als "Beleidigung des Islam" bewertet hatten.
In diesem Frühjahr wurde Badawi endlich aus der Haft entlassen, doch das saudische Regime verweigert ihm die Ausreise zu seiner Familie, die nach Kanada emigrieren konnte. Die Freidenker entwarfen deshalb ein Plakat, das sich an die saudischen Touristen in der Schweiz richtet. Dreisprachig steht darauf: "Willkommen, liebe saudische Gäste – Schön, könnt Ihr Eure Reisefreiheit geniessen. Setzt Euch bitte zu Hause dafür ein, dass Raif Badawi das auch kann."
Seit gestern hängen die Plakate in Interlaken. Auf die Stadt hat sich die Freidenker-Vereinigung konzentriert, weil hier ein Großteil der saudischen Touristen Halt macht. Allerdings dürfen die Grußbotschaften dort nicht überall hängen. Während "BLS" und "Postauto AG" das Sujet problemlos akzeptierten, hat der Gemeinderat Interlaken den Aushang an gemeindeeigenen Plakatstellen, die über die APG/SGA vermarktet werden, verhindert, weil das Plakat "als Provokation aufgefasst" werden könne und sich der Gemeinderat grundsätzlich nicht an religiöser oder politischer Werbung beteilige.
"Wir betrachten das als Behördenwillkür, da der Entscheid wohl auf keinerlei Rechtsgrundlage fusst", sagt Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung. Auf diesen Umstand wies Kyriacou die Gemeinde Interlaken gestern denn auch umgehend in einem Schreiben hin. "Wir betrachten diese Zensur als klar rechtswidrig", heißt es darin, "denn die rechtliche Ausgangslage ist aufgrund des Bundesgerichtsentscheids BGE 138 I 274 seit zehn Jahren eindeutig. Die Meinungsäusserungsfreiheit geht vor." Da das Plakat offensichtlich nicht gegen irgendwelche Gesetze verstoße, müsse es für die Bewilligung auch ohne Belang bleiben, ob es von dem Gremium oder Einzelpersonen darin als provokativ eingeordnet werde. "Es sei dennoch angemerkt, dass wir das Plakat nicht als Provokation, sondern als Einladung zum Dialog ansehen", heißt es in dem Schreiben.
Die Freidenker-Vereinigung fordert den Gemeinderat Interlaken deshalb auf, seinen Beschluss über die Ablehnung der Plakate umgehend zurückzunehmen. Solle er dies nicht vorhaben, so bitte man um Zustellung einer beschwerdefähigen Verfügung, um rechtliche Schritte einleiten zu können.
12 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Sehr gute Aktion, könnte allerdings dem Verkauf von Kuckucksuhren schaden.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Free Raif Badawi !
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Die Angst geht um. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis ganz Europa vor den Auswüchsen des Islam, aus dem der Islamismus hervorgeht, kniet?
Johannes Reiter am Permanenter Link
Wer mit dem Islam ein so grundsätzliches Problem hat, Frau Wedekind, müsste sich eigentlich gegen das Plakat aussprechen.
David Z am Permanenter Link
Was konstruieren Sie hier für einen wirren Zusammenhang? Religionskritik darf Muslime nicht ansprechen, weil das Ansprechen selbstständiges Denken unterstellt und damit die Kritik überflüssig ist?
David Z am Permanenter Link
Was mich so bestürzt an der Sache: In gewissser Weise hat der Islam bereits gewonnen, wenn Menschen aufgrund von Befürchtungen nicht mehr frei entscheiden. Klarer Teilsieg für diese Religion.
Der Islam hat sogar in beiden möglichen Fällen gewonnen: wenn die "Ungläubigen" sich einschränken und er hat auch gewonnen, wenn die "Ungläubigen" das nicht machen und sich Muslime daraufhin "beleidigt" fühlen und Gegendruck aufbauen.
Johannes Reiter am Permanenter Link
Die religiösen Extremisten haben vor allem dann gewonnen, wenn man - wie Sie, Herr Z - Europa in einem Kulturkampf sieht und gar nicht mehr von Menschen, sondern nur noch von Religionen spricht.
David Z am Permanenter Link
Selbstverständlich kritisiere ich die Religion, das hat Religions- bzw Ideologiekritik nun mal so an sich.
Dass wir uns in einem gewissen Kulturkampf befinden, wird an Ihrem Kommentar, deutlich, der nahelegt, dass Sie keinen Zusammemhang zwischen bestimmten Ideen (hier Religion) und bestimmtem Handlungen (hier Muslime) erkennen wollen. Vertreter dieser merkwürdigen Ansicht sind die Steigbügelhalter der Extremisten, die mit ihrer üblichen Devise ins exakt gleiche Horn blasen: "Das hat alles nichts mit dem Islam zu tun!"
Sehen Sie auch keinen Zusammehang zwischen der Ideologie des Rassismus und rassistischem Handeln? Kein Zusammemhang zwischen Marxismus und den Handlungen jener, die ihn umgesetzt haben? Kein Zusammemhang zwischen dem christlichen Ehegelübte und der Diskriminierung von Geschiedenen in kirchlichen Einrichtungen? Usw usw.
Sie sehen, Ihre Position ist nicht progressiv wie Sie vermutlich glauben, sie ist vielmehr regressiv. Sie behandelt Muslime wie unmündige Bürger, die man vor Kritik beschützen muss. Sie blockiert das Aufbrechen überkommener Strukturen und damit einen humanistischen Fortschritt.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Sagen Sie das Bitte Herrn Salman Rushdie! ob er dies jetzt genau so sieht.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Dank" der Religion des Friedens wird er das jetzt wohl nur noch mit einem Auge sehen können. Aber selbst damit sieht er schärfer als mancher Kulturrelativist...
Andreas Kyriacou am Permanenter Link
Wer Schweizer Dialekt versteht, kann hier Lisa Arnold von den FreidenkerInnen und dem Gemeindepräsidenten von Interlaken, Philippe Ritschard, zuhören:
Beide haben ihr bestes für die Kampagne gegeben ;-)
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Und das in einem demokratischen Land wie die Schweiz, die doch als Synonym für Freiheit gilt. Hat der Islam seine Drohungen schon in dieses Land getragen, dass die dortigen