Eine Spurensuche:

Steve Bannons "jüdisch-christliche Gladiatorenschule" in Italien

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Certosa di Trisulti, Provinz Frosinone, Latium
Certosa di Trisulti, Provinz Frosinone, Latium

Ein Gespenst geht um in Italien. Es ist das Gespenst des Nationalismus, in Gestalt des ehemaligen Beraters des US-Präsidenten: Steve Bannon. Ihm zur Seite steht Benjamin Harnwell, Kopf des katholisch-konservativen Think Tank Dignitatis Humanae Institute. Seit letztem Jahr streitet sich das Institut mit der italienischen Verwaltung um eine Klosterruine, die Kartause Trisulti, 100 Kilometer von Rom. Die italienische Verwaltung hatte den Pachtvertrag im Oktober 2019 widerrufen, nachdem Details zur dort geplanten "Gladiatorenschule des jüdisch-christlichen Westens" bekannt geworden waren.

Nun darf man sich fragen: Was hat Steve Bannon in Europa zu suchen?

Im Februar 2019 spricht Bannon in einem Interview mit CBS News offen über seine Visionen für das historische Bauwerk in Trisulti. Die politische Zukunft, so Bannon, sei der Populismus, "ob das den Globalisten gefällt oder nicht". Für diese Aufgabe wolle man die Menschen ausbilden; Bannon selbst will an der Akademie einen Kurs in "Medienbeziehungen" geben.

Als Pächter der Kartause fungiert indessen das Dignitatis Humanae Institute ("Institut für die Würde des Menschen" (DHI), benannt nach der gleichnamigen päpstlichen Erklärung von 1965) unter Leitung des Briten Benjamin Harnwell. Das DHI hatte im Frühjahr 2018 den Zuschlag für einen 19-jährigen Pachtvertrag erhalten, die Kartause wird im Impressum als Geschäftssitz geführt.

Auch Harnwell spricht im Interview mit CBS über seine Motivation: Während seiner Zeit als ranghöchster Mitarbeiter eines britischen Mitglieds des EU-Parlaments sei ihm klar geworden, dass die EU "zuvorderst die Interessen derer vertritt, die für sie arbeiten, und weniger die der Menschen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten". Aus dieser Desillusionierung heraus sei das DHI entstanden. Harnwell zufolge sei der Funke bei einer Ansprache Bannons im Jahr 2014 übergesprungen, bei der dieser die "immense Säkularisierung des Westens" als hauptsächlichen Grund für die Erosion jüdisch-christlicher Werte ausmachte. Er bestätigt gegenüber CBS die politische Marschroute der Lehreinrichtung: "Wir sind nicht hier, um des Lernens Willen zu lernen. Wir sind hier, um die Anwendung von Wissen im Hinblick auf Kulturkriege ["culture wars", sic!] zu vermitteln."

"Culture Wars": Das klingt nach einem mit Special Effects gespickten Blockbuster, in dem bunt blinkende Superhelden mit Flaggen um den Bauch gegen menschenfressende Aliens kämpfen. Die Realität jedoch ist viel profaner: Der vermeintliche "Krieg", um den es hier geht, ist eine von Steve Bannon erfundene rhetorische Figur, die das nationalistische Element seiner Agenda stärken soll. Der Versuch, einen solchen unüberbrückbaren Graben zwischen dem "jüdisch-christlichen Westen" und dem Rest der Welt herbeizureden, scheitert an der simplen Frage: "Was sind diese ominösen jüdisch-christlichen Werte denn eigentlich?"

Ein Blick auf die Selbstbeschreibung des DHI gibt Aufschluss. Bereits mit dem ersten Satz ist das Feld abgesteckt: Das Menschenbild des DHI basiere "auf der anthropologischen Wahrheit, dass der Mensch in Gottes Ebenbild erschaffen wurde." Als "Manifest" führt das Institut auf seiner Website eine Charta namens "The Universal Declaration of Human Dignity" – eine religiöse Persiflage auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Englisch: Universal Declaration of Human Rights). In dieser Erklärung findet sich die heilige Dreifaltigkeit des Wertekodex: Eins, der Mensch sei Gottes Ebenbild; zwei, dies gelte, ohne Ausnahme, ab der Zeugung; und drei, um dies zu propagieren, habe der christliche Glaube wieder aggressiver in der Öffentlichkeit aufzutreten. Eine offensichtliche Rekursion auf Steve Bannons populistische Umtriebe.

Doch selbst dem Katholizismus stößt der radikale Kurs des Instituts sauer auf: Politico veröffentlichte einen auf den 28. Januar 2019 datierten Brief von Kardinal Renato Raffaele Martino, zum damaligen Zeitpunkt noch Ehrenpräsident des DHI, an Benjamin Harnwell, in dem er den Vorsitzenden dazu ermahnt, "keine Verzerrungen oder Veränderungen" an den ursprünglichen Plänen vorzunehmen. Martino drohte in dem Brief offen mit seinem Rücktritt als Ehrenpräsident. Nur einen Tag später, zeitgleich mit der Übergabe der Kartause Trisulti, verließ er das Institut tatsächlich – ob ein Zusammenhang besteht, ist unklar. Sein Nachfolger, der seit 2013 im Beraterstab des DHI tätige US-amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke, hielt sich kein halbes Jahr im Amt des Ehrenpräsidenten. Grund für seinen Rücktritt sei das Engagement Bannons, wie Independent Catholic News berichtete. Kardinal Burke habe Harnwell mehrfach vergeblich aufgefordert, das Institut auf seinen ursprünglichen Kurs, mit apolitischem Fokus auf die Menschenwürde, zurückzubringen. Diese Aussagen der Kardinäle Martino und Burke legen nahe, dass Harnwell und Bannon nicht, wie behauptet, von Anfang an mit offenen Karten spielten.

Zurück nach Trisulti: Nach lautstarken Protesten sowohl von Anwohner*innen als auch der lokalen Presse wurde im Oktober 2019 der Pachtvertrag aufgehoben. Nun entschied jedoch das höchste italienische Verwaltungsgericht, dass kein rechtskräftiger Grund für eine Widerrufung des Vertrags vorliegt. Die Anschuldigung der Verwaltung, die Kartause sei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gepachtet worden, sei vor einem Strafgericht zu klären. Wie The Art Newspaper berichtet, hat die Generalstaatsanwaltschaft in Rom daraufhin bereits Strafanzeige gegen das DHI gestellt. Der Kampf um die Kartause geht in die nächste Runde.

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