Zum Welttierschutztag am 4. Oktober

Die Tierheiligen

votiv002leonhard.jpg

Der Heilige Leonhard, Schutzpatron der Pferde
Der Heilige Leonhard, Schutzpatron der Pferde

Wann immer die besondere Tierfreundlichkeit des Christentums und insbesondere der katholischen Kirche hervorgehoben werden soll, kommt über kurz oder lang die Rede auf die zahllosen "Tierheiligen", die sie in ihren Reihen führt.

Vorneweg der Heilige Leonhard, Schutzpatron der Pferde, Hunde und Katzen, dazu, mit je eigener Zuständigkeit, die Heiligen Eligius, Gangolf, Mauritius, Quirin und Stephan. Rinder stehen unter dem Schutz des Heiligen Cornelius, Kühe unter dem ganz besonderen der Heiligen Brigida. Schweine hingegen werden von der Heiligen Walburga beschützt, sonstiges Nutzvieh von den Heiligen Ägidius, Eustachius, Koloman, Lukas, Maginold, Oswald und Wolfgang. Weidevieh hat im Heiligen Wendelin einen höheren Fürsprecher, Federvieh dagegen in den Heiligen Vinzenz, Martin und Gallus. Haustiere werden beschützt durch die Heiligen Ambrosius, Erasmus, Jodok, Silvester und Vitus, nicht zu vergessen den Heiligen Antonius, den Beschützer der Esel und den Heiligen Johannes den Täufer, Schutzpatron der Schafe und Lämmer. Undsoweiterundsofort.

Was die einzelnen Heiligen zu ihrer Zuständigkeit für die jeweilige Tierart geführt hat, erschließt sich aus ihren Biographien beziehungsweise den daraus hergeleiteten oder auch frei dazuerfundenen Legenden nur in den seltensten Fällen. Und auch da nur über groteske Umwege. Der Heilige Martin etwa, geboren um 316 u.Z. und später verantwortlich erklärt für den Schutz von Hausgeflügel jeder Art, habe, wie das insofern maßgebende Lehrbuch "Leben der Väter und Märtyrer nebst anderen vorzüglichen Heiligen" von 1825 berichtet, die "Gabe der Weissagung (besessen) und war vieler Erscheinungen und Offenbarungen gewürdigt; seine außerordentliche Klugheit war die Frucht seiner tiefen Demut und seiner vollkommenen Herzensreinheit". Als er im Jahre 372 zum Bischof von Tours geweiht werden sollte, habe er sich aus Bescheidenheit und dem Gefühl, unwürdig zu sein für dieses hohe Amt, in einem Gänsestall versteckt. Daher seine Zuständigkeit für Federvieh, samt der Tradition des Martinsgansessens am 11. November, dem Tag, an dem er im Jahre 397 beigesetzt worden sein soll. Über die im Jahre 779 u.Z. verstorbene Äbtissin und spätere Schutzbeauftragte für Borstengetier, die Heilige Walburga, heißt es, es habe sich "von ihrem Leichnam ein himmlischer Wohlgeruch (verbreitet), den alle als ein Zeugnis ihrer inneren Reinigkeit und Heiligkeit erkannten." Daher die Zuständigkeit Walburgens für Schweine, denen seit je - und dies sehr zu Unrecht - wenig Sinn für Reinlichkeit zugesprochen wird.

Fischerstechen und Gänsereiten

Die Bezugnahme der katholischen Kirche auf ihre "Tierheiligen" ist, ebenso wie die stete Inszenierung von Tiermessen, Tiersegnungen und dergleichen, nichts denn zynische Farce. Nirgendwo geht es um Segnung, sprich: Schutz der Tiere um ihrer selbst willen, allenfalls sollen sie durch den Segen vor Krankheit und Unfall bewahrt werden, um umso besser ausgebeutet werden zu können. Auf eigenen Hubertusmessen werden die Jäger gesegnet, vor Walfangfahrten die Walschlächter, vor Stierkämpfen die Toreros. Keine Eröffnung eines Zoos oder Delphinariums, keine Zirkuspremiere, keine noch so abartige Tierquälerei im Gewande von Tradition oder Brauchtum - Fischerstechen, Gänsereiten, Widderstoßen und ähnliche Spektakel -, ohne dass nicht ein Priester seinen Weihwasserwedel schwänge.

Unmissverständlich erklärt der aktuell gültige Weltkatechismus der Katholischen Kirche, federführend herausgegeben im Jahre 1993 durch den seinerzeitigen Kurienkardinal und heutigen Expapst Joseph Ratzinger: "Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bilde geschaffen hat. Somit darf man sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen." Auch medizinische und wissenschaftliche Tierversuche seien "sittlich zulässig". Und weiter heißt es in Ratzingers katechetischem Edikt: "Es widerspricht der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu lassen und zu töten", was im Umkehrschluß nichts anderes bedeutet als: ist ihr Leiden und Tod dem Menschen zunutze, ist beides gerechtfertigt. Wie das alles zusammenpasst mit dem katechetischen Geschwurbele, Tiere seien wie der Mensch "Geschöpfe Gottes" und unterstünden insofern seiner "fürsorgenden Vorsehung", verstehe wer will.

Der Heilige Franziskus

Wichtigster unter den "Tierheiligen" ist der Heilige Franziskus, jener junge Mann aus dem mittelitalienischen Assisi, der mit den Tieren habe reden können. Tatsächlich weiß niemand, was dem 24jährigen Giovanni Battista Bernardone, so der bürgerliche Name des späteren Heiligen, im Frühsommer des Jahres 1206 widerfahren war, dass er seinem unbeschwerten Leben als Sohn und Erbe einer wohlhabenden Bürgerfamilie entsagte, sich den Schädel rasierte und hinfort als Franziskus der Wandermönch unterwegs war. Jedenfalls zerstritt er sich mit seiner Familie und lief von nun an bevorzugt nackt durch die Gegend. Er begründete den "Orden der Minderen Brüder", der sich, bettelnd und Buße predigend, ganz dem biblischen Vorbilde Jesu verschrieb. Schon zwei Jahre nach seinem Tod im Jahre 1226 wurde Franziskus von Papst Gregor IX. heiliggesprochen.

Der Heilige Franziskus zähmt den Wolf von Gubbio (Photo: 123RF - 7176706)

Der Heilige Franziskus zähmt den Wolf von Gubbio (Photo: 123RF - 7176706)

Mit einem Heiligen, der zu Lebzeiten auf jede irdische Habe verzichtet hatte, ließ sich gut die eigene Habgier und Verschwendungssucht kaschieren. Im Übrigen hatte schon Gregors Vorvorgänger Papst Innozenz III, der von 1198 bis 1216 auf dem "Stuhle Petri" saß, das "Apostolat der Armen" und damit das "Wanderpredigertum" ausdrücklich gefördert. Mit diesem Schachzug suchte er den häretischen Strömungen und Armutsbewegungen, die im 11. Jahrhundert als reformatorisches Gegengewicht zur immer reicher und mächtiger gewordenen Papstkirche hervorgetreten waren, gezielt den Nährboden zu entziehen. Zum Kampf gegen die für die Kirche höchst bedrohlichen Reformbewegungen installierte er die Dominikaner und letztlich auch die Franziskaner als päpstliche Inquisitionsorden. Franziskus selbst, zeit seines Lebens zutiefst autoritäts- und papsthörig, tat sich als williger Handlanger der Inquisition gegen die Waldenser und insbesondere die Katharer hervor (die, im Gegensatz zu ihm und seinem Orden, absoluten Gewaltverzicht gegen Mensch und Tier übten und konsequenterweise - bis auf den Verzehr von Fisch, der im Mittelalter als nicht "von Gott gezeugt" angesehen wurde und daher nicht als "lebende Kreatur" galt - streng vegan lebten).

In frühen Zeitzeugenberichten und Biographien über Franz von Assisi ist von besonderer Tierliebe, die ihn ausgezeichnet haben soll, nirgends die Rede, auch in seinen Schriften kommt besondere Hinwendung zum Tier nirgendwo vor. Seine legendäre Vogelpredigt, bei der er eine Schar Vögel mit frommen Worten ermahnt haben soll, Gott allezeit und allerorten zu loben, wurde erst sehr viel später hinzugedichtet; desgleichen seine berühmte Begegnung mit dem Wolf von Gubbio, den er allein mit dem Kreuzzeichen bzw. einer Hostie gezähmt haben soll.

Wahrung der Schöpfung?

Zum offiziellen "Tierschutzheiligen" stieg Franziskus erst in jüngster Zeit auf. Schon vor mehr als achzig Jahren zwar, im Jahre 1931, wurde sein Todestag, der 4. Oktober, zum "Welttierschutztag" ausgerufen, allerdings nicht von der katholischen Kirche, die sich entschieden dagegen aussprach, sondern von einem in Florenz veranstalteten Kongress, der mehr als 150 Tierschutzvereine aus 32 Ländern zusammenführte. (1924 schon hatte der Schriftsteller und Tierschützer Heinrich Zimmermann solchen Gedenktag gefordert, es dauerte aber noch weitere sieben Jahre, bis seine Idee umgesetzt wurde.) Die Kirche zog erst 50 Jahre später nach: erst 1980 wurde Franz von Assisi per päpstlichem Dekret zum Tierschutz- und Umweltheiligen ernannt. Mit einem Heiligen, der mit den Tieren sprach, ließ sich gut vom eigenen Komplettversagen in der "Wahrung der Schöpfung" ablenken. Noch Mitte des 19.Jahrhunderts war von Papst Pius IX die Errichtung einer Tierschutzeinrichtung in Rom ausdrücklich verboten worden: es sei ein "theologischer Irrtum zu glauben, der Mensch habe dem Tiere gegenüber irgendwelche Verpflichtungen". (Derselbe Pius IX verkündete 1870 auch das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit; im Jahr 2000 wurde er von Johannes Paul II. seliggesprochen.)

Der seit März 2013 als Franziskus I. amtierende Papst Bergoglio bezieht sich in seiner Namenswahl ausdrücklich auf den Heiligen Franz von Assisi, den er als Beispiel schlechthin lobt "für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie". Im Juni 2015 legte er eine eigene Öko-Enzyclica vor, in der er sich schwerpunktmäßig mit den Themenbereichen Umwelt- und Klimaschutz befasst. Der Titel der Enzyclica "Laudato si" ist der Anfang eines dem Heiligen Franz von Assisi zugeschriebenen Gebetes ("Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen"). Wie zu erwarten war, änderte die neue Rhetorik an der katechetischen Doktrin der katholischen Kirche zum Umgang mit der Natur überhaupt nichts; zum Umgang mit Tieren, die in "Laudato si" bis auf ein paar nebulöse Anmerkungen, dass die "Bibel keinen Anlass gibt für einen despotischen Anthropozentrismus", mit keinem Wort erwähnt werden, erst recht nichts.