BERLIN. (hpd) Wieder einmal maßt sich ein Kirchenfürst an, darüber zu bestimmen, was richtig und was falsch sei. Kardinal Reinhard Marx spricht sich nicht nur gegen die Sterbehilfe aus. Er fordert, alle Sterbenden der Kirche zu überlassen.
Welch grauenhafter Gedanke!
Nicht genug damit, dass die große Mehrheit aller ambulanten Hospitz- und Palliativdienste christlich ausgerichtet und gar 96 Prozent der Menschen, die Sterbenden zur Seite stehen, katholische oder evangelische Seelsorger sind. Nun hat es Kardinal Marx wohl auf die verbliebenen 4 Prozent abgesehen. “Gebt uns die Sterbenden, denn wir sind ganz besonders für die Leidenden und Sterbenden da. Wir kümmern uns” sagte er laut der Frankfurter Allgemeinen.
Wir kümmern uns? So wie die selig gesprochene Mutter Teresa, die seelenruhig dabei zuschaute, wie sich die in ihrer Obhut Befindlichen quälten? Weil sie glaubte, dass durch das Leid der Kranken und Sterbenden diese “eine besondere Nähe zu Christus erfahren”, verweigerte sie die Ausgabe von (aus Spendengeldern bezahlten) Schmerzmitteln. Schmerzen, so Mutter Teresa, sind positiv zu bewerten.
Oder soll sich gar Opus Dei um die schmerzvoll leidenden Sterbenden kümmern? Diese Hardcore-Katholiken wissen nämlich genau, was Schmerzen sind. Nämlich etwas Wundervolles: “Gesegnet sei der Schmerz. - Geliebt sei der Schmerz. Geheiligt sei der Schmerz. Verherrlicht sei der Schmerz!” Nachzulesen in “Der Weg”, einem Buch, dass erst 1982 erschienen ist.
Doch nein, so hat er das ja nicht gemeint. “Wir tun alles, was in unserer Macht steht, dass Menschen nicht alleine und mit Schmerzen sterben.” Das kann man übersetzen mit: “Wir sind an der Seite der Sterbenden, die sich quälen und trösten sie mit dem Hinweis auf das Jenseits.” Denn etwas anderes ist kaum vorstellbar mit einer Religion im Hintergrund, die das Leid zum Credo des irdischen Daseins gemacht hat.
“Das ist unsere Botschaft. Und das sollte auch unser Angebot sein” sagte Marx weiter - ein Angebot, auf das wir gern verzichten wollen. Denn wir nehmen uns das Recht, so über unser Lebensende selbst zu entscheiden, wie wir uns das Recht nahmen, über unser Leben selbst zu bestimmen. Die Kirchen waren und sind dazu bis heute nicht bereit und wollen uns weiterhin ein Leben vorschreiben, dass bereits seit mehr als zweihundert Jahren nicht mehr “up to date” ist. Als Stichworte mögen Themen wie Sexualität, Familie oder auch die Bioethik dienen.
Es ist an der Zeit, 2.000 Jahre alte Zöpfe abzuschneiden und den Kardinälen endlich laut und deutlich mitzuteilen, dass ihre Arroganz, sich in das Leben und die Gesellschaft einmischen zu wollen bei Dingen, von denen sie so gar keine Ahnung haben, nicht mehr akzeptiert wird.
Es ist an der Zeit, klarzustellen, dass das, was Marx als “angeblich ‘menschenwürdiges Töten’” bezeichnet, ein Grundrecht des Menschen ist: das selbstbestimmte Sterben.
6 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Die Wiege-bis-Sarg-Rundum-Betreuung der Kirchen stammt aus Zeiten, als die Kirchen - ähnlich wie heute noch der Islam - die Lebenswirklichkeit, den Alltag bestimmten.
Heute gibt es Spezialisten, die die Kirche vollständig ersetzen: Psychologen sind die besseren Seelsorger und Ärzte die besseren Heiligen. Für dumme Sprüche von der Kanzel braucht es keinen Ersatz.
Um was soll sich die Kirche also kümmern? Darum, dass die Luxusbadewanne fein gefüllt ist? Dass der Lebensstandard "wertig" ist? Dass die Schlafliege in der 1. Klasse schön kuschelig ist? Oder dafür, dass die Samtkleider fein golddurchwirkt sind?
Die Kirchen haben nicht mitbekommen, dass sie nicht mehr nachgefragt werden von Wiege bis Bahre, dass sie höchstens zu Ostern oder Weihnachten einen "gewissen Rahmen" liefern, dass vieles noch getan wird, weil man es schon immer so getan hat. Das Jenseitsversprechen - das einzige, was Kirchen von säkularen Dienstleistungsalternativen unterscheidet - nimmt man ihr sowieso immer seltener ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass in 50 Jahren ein Mensch in der Hoffnung auf einen Platz im Paradies stirbt, tendiert gegen Null.
Kirchen sind nicht mehr die Profis in allen Lebens- und Sterbefragen, als die sie sich offenbar immer noch sehen. Sie sind mittlerweile unbelehrbare Dilettanten, die halsstarrig nur noch auf ihre Schäfchen schauen - nein, nicht die lebenden, sondern die im Trockenen...
Julian Estragon am Permanenter Link
Norbert Hoerster hatte recht, als er das Verbot der Sterbehilfe als "Residuum christlich-religiöser Bevormundung" bezeichnet hat.
Berthold Fritz am Permanenter Link
Ausreden! Es geht nur um die Anwendung des ausschließlich dafür erfundenen Spruchs " Eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, als daß ein Reicher in den Himmel kommt" .
Also wird dafür gesorgt, daß die Schwerkranken und Sterbenden noch schnell ihr Testament ändern. Die Kirche hat überall eigene Notare!
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
Schon in der Reimbibel steht geschrieben:
Von der Wiege bis zur Bahre:
Laberfürsten im Talare.
Bis zum Krematorium
machen sie Brimborium.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Kein Horrorfilm kann wiedergeben was ich bei dem Gedanken empfinde, diesen dunklen Männern in der Stunde meines Todes ausgeliefert zu sein.
Hilmar am Permanenter Link
Also den Hinweis auf Opus Dei finde ich besonders passend, dem diesem "Geheimorden höchst fragwürdiger Provenienz" hatte sicher schon Benedikt XVI. seine Karriere zu verdanken. Ich kenne jemand von O.D.