BERLIN. (hpd) Recep Tayyip Erdoğan forderte die Zensur der NDR-Sendung "extra3". Diese hatte am 17. März ein satirisches Lied über den türkischen Präsidenten ausgestrahlt.
Nachdem das Satiremagazin "extra-3" einen zweiminütigen Song mit dem Titel "Erdowie, Erdowo, Erdogan" ausgestrahlt hatte, bestellte die Türkei den deutschen Botschafter ein, um die Weiterverbreitung der Erdoğan-Satire zu stoppen. Die Einberufung des Botschafters sorgte jedoch für eine noch größere Verbreitung und scharfe Reaktionen.
Erdoğans Intervention wurde mittlerweile mehrfach kommentiert. Andreas Cichowicz, NDR Chefredakteur Fernsehen, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel: "Dass die türkische Regierung wegen eines extra-3-Beitrags offenbar diplomatisch aktiv geworden ist, ist mit unserem Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit nicht vereinbar. In Deutschland ist politische Satire erfreulicherweise erlaubt."
Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, bezeichnete die Ereignisse als "sehr besorgniserregend", und auch Norbert Röttgen (CDU) sprach, laut Spiegel-Online, von einer "aussichtslosen Anmaßung", die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland einschüchtern zu wollen.
Die Redaktion von "extra 3" ließ sich indessen nicht in ihrem satirischen Kurs beirren und ernannte Erdoğan noch am Montagabend zum "Mitarbeiter des Monats":
An ihm kam einfach keiner vorbei. #Erdogan pic.twitter.com/2SRWSzgstA
— extra3 (@extra3) 28. März 2016
Erst vor wenigen Wochen kam es übrigens zu einem vergleichbaren Eklat beim Düsseldorfer Karnevalsumzug. Ein politischer Motivwagen von Wagenbauer Jacques Tilly zeigte den türkischen Präsidenten, wie er mit einem IS-Terroristen auf den blutigen Kampf gegen die Kurden anstößt. Umgehend schaltete sich die türkische Generalkonsulin, Şule Gürel, ein. Sie zeigte sich empört und verlangte, dass der Wagen entfernt wird. Das Düsseldorfer Karnevals-Komitee verteidigte den Wagen und verwies dabei auf die Meinungsfreiheit.
13 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
"Die Redaktion von "extra 3" ließ sich indessen nicht in ihrem satirischen Kurs beirren und ernannte Erdoğan noch am Montagabend zum "Mitarbeiter des Monats"
So und nicht anders. Allerdings diesen "Mut" bitteschön auch dann zeigen, wenn es ernsthaft wird (wie zB nicht geschehen bei den Mohammed Karrikaturen).
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Der Song wurde jetzt sogar mit türkischen und englischen Untertiteln ins Netz gestellt. Wenn Erdogan schon so viel Werbung fürs deutsche TV macht, dann sollen seine Landleute wenigstens wissen, warum.
Vielleicht lacht ja der eine oder andere auch mit, wenn er seine Micky Maus sieht (ich meine die linke). Der Song jedenfalls ist beste Satire, auf jeden Fall wahrer, als die Wahre Religion, der Erdogan so gerne ein Großreich widmen würde.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Offenbar ist es einem Herrn Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nicht eingängig, dass Meinungsfreiheit und Pressefreiheit ein Grundrecht demokratischer ist.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Eigentlich wollte ich diesen Sommer wieder in die Türkei reisen; werde das jetzt überdenken.
Jörg Troschke am Permanenter Link
....gut so! Das ist die richtige Reaktion! Geld regiert (leider) die Welt!
Kay Krause am Permanenter Link
Herr Trutnau, bei uns an der polnischen Ostseeküste kann man herrliche Ferien erleben.
m.f.G., K.K.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Werter K.K., ich bin keineswegs anonym. Es gibt weltweit nur EINEN Hans (-H.) Trutnau.
Aber ob ich deswegen in Polen Urlaub machen sollte?
MfG
Rainer Bolz am Permanenter Link
Das waren auch unsere Entscheidungen, dabei bedauern wir den wirtschaftlichen Verlust den viele liberale aufgeklärte Türkische Landsleute erfahren werden.
Pan am Permanenter Link
Genau so ist es, und derer (liberale Türken und Türkinnen, die von dem ganzen Erdoğan- und Super-Islam-Kult noch mehr als wir die Schnauze voll haben) gibt es gar nicht so wenig.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Pan, die Frage ist: WIE "nach vorne bringen könnte" - selbst wenn es die progressive Minderheit (allen voran: Celâl Şengör, der Türkische Richard Dawkins) möchte?
Aber immerhin gibt es diese (Noch-)Minderheit bereits.
Wolfgang am Permanenter Link
Wie versteht man noch, das Frau Merkel mit dem Erdogan zweifelhafte (alternativlose?) Geschäfte macht. Wer erscheint jetzt zweifelhafter?
MGS am Permanenter Link
Der Video-Clip ist doch harmlos, nicht einmal große Satire, er zeigt eher den ISt-Zustand in der Türkei unter dem Irrewahn.
Dass Irrewahn so reagiert, ist doppelt irre. Erstens das, zweitens, dass er wohl ernsthaft glaubt, dass wenn er dies seinem Kulturkreis entsprechende, doch furchtbar gruselige Beleidigtsein exhibitioniert, die deutschen Medien springen. Das ist Größenwahn. Auch das war klar.
Bedenklich finde ich, dass der Mann nicht hoch offiziell zurechtgewiesen und in seine Schranken verwiesen wird.
Kay Krause am Permanenter Link
Erdogan, ach Erdogan,
warum stellst Du Dich denn nur so an?
Wie weltweit alle Diktatoren
hast Du Watte in den Ohren,
wenn's um Meinungsfreiheit geht,
Selbstkritik, Satire sind Dir fremd,
Kabarett ist nicht Dein Hemd.
Deine Fahne ist Allah,die Religion,
das kennen wir seit tausend Jahren schon.
Götter werden von Despoten mit Entzücken
mißbraucht zum Menschen-Unterdrücken.
Humor, der paßt in dieses Muster nicht hinein.
Warum sollte das bei Dir denn anders sein?
Erdogan, ach Erdogan,
mach weiter so in Deinem Wahn!
Zum Glück gibt's außer Dir, Du strenger Mann,
noch and're Türken, die man lieben kann!