Ahmad Mansour: Klare Worte

Toleranz oder Rassismus?

BERLIN. (hpd) Ahmad Mansour, der Mann aus einem arabischen Dorf bei Tel Aviv, ist gläubiger Muslim, der gegen Islamismus, gegen Radikalisierung von Jugendlichen, gegen religiösen Fundamentalismus kämpft. Selbst zeitweilig Islamist, weiß er aus eigener Anschauung, worum es dabei geht und warum Jugendliche von salafistischen und anderen islamistischen Rattenfängern eingesammelt werden können.

Ahmad Mansour hat vor kurzem den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg für seinen außerordentlichen Einsatz für Demokratie, Toleranz und Integration erhalten.

Es ist nicht seine erste Auszeichnung, die er für seine unermüdliche Arbeit an vorderster Front gegen die Intoleranz bekommen hat. Von den einen geschätzt, von den anderen gehasst, bedroht – von Islamisten gewiss, aber mittlerweile auch von "biodeutschen" Rassisten. Nicht verwunderlich: wer einen differenzierten Blick auf die Situation hat, wer dem Geschrei der Wahrheitsinhaber von islamistisch bis rassistisch entgegentritt, ist nicht gut gelitten.

Er bringt Weltbilder durcheinander, es könnten Zweifel in die Köpfe der noch unaufgeklärten Nachläufer der Extremisten gesät werden. Und er spielt nicht die rechtspopulistische Leier, "der Islam, der Islam, der ist immer schlecht" mit. Die zudem von Biertisch-Atheisten erhobenen Vorwürfe, Mansour sei ein "Religiot", sind zwar nicht weniger gegen seine Menschenwürde verstoßend als die Angriffe der Islamisten und Rassisten, immerhin aber nicht lebensbedrohend. Es sieht aber alles danach aus, dass Mansour über solchen Dingen steht und sich von Verächtlichmachung, Häme und Drohungen von seinem auf Freiheit und Menschenwürde orientierten Kurs nicht abbringen lässt.

Kritik an Politik und islamischen Verbänden

Ahmad Mansour kritisiert die deutsche Politik, die den orthodox- konservativen Islam-Verbänden, die bekanntlich nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland repräsentieren, zu viel Macht einräume. Siehe "Staatsverträge". Siehe Einfluss auf islamischen Religionsunterricht, auf die Einstellung, aber auch bereits auf die Ausbildung von Religionslehrern. Siehe Einfluss auf die Besetzung der Stellen bei islamischer Theologie. Eine lange Liste.

So, wie Mansour Kritik übt, macht man sich bei den genannten Verbänden nicht beliebt – im Gegenteil; vor allem, wenn man dann noch eine Unabhängigkeit des Islams in Deutschland vom Ausland, von der Türkei, von Saudi-Arabien fordert.

Mansour, der Vorsitzender des im letzten Jahr gegründeten Muslimischen Forum Deutschlands ist, verlangt eine "differenzierte Islamdebatte in Deutschland", er wendet sich ebenso gegen die Verharmlosung eines dem konservativ-orthodoxen Islam innewohnenden Gewaltpotentials als auch gegen die Pauschalisierung ("der Islam"), wie sie gerade von den Rechtspopulisten (siehe die Debatten auf dem AfD-Parteitag) betrieben wird.

Islam und universelle Menschenrechte

Ohne Wenn und Aber müsse ein deutscher bzw. europäischer Islam hinter den Menschenrechten stehen, freilich hinter den universellen und nicht kulturalistisch relativierten Menschenrechten, diese Forderung lässt sich allen Äußerungen des MFD-Vorsitzenden entnehmen. Da sieht er auch Gefahren bei den konservativ-orthodoxen Verbänden, bei und von denen ein Islam gepredigt werde, der "nicht immer hinter Demokratie und Menschenrechten" stehe. In der letzten Woche hat er sich in einem Interview mit der Deutschen Welle so geäußert:

Das Islamverständnis, das sehr viele Menschen in diesem Land haben und das in vielen Moscheen vertreten wird, schafft in einer abgeschwächten Form schon die Basis, auf der die Radikalen ihre Ideologien aufbauen. Deshalb bin ich der Meinung, dass man da eine Reform braucht, um einen Islam zu präsentieren, der nichts mehr mit Radikalen gemein hat.

Eine solche Differenzierung wird Mansour wohl weiteren Ärger einbringen – mit den Multikulturalisten in Deutschland, die nicht nur jetzt, aber aktuell wieder stärker – mit Verweis auf die AfD – jegliche differenzierte Ansicht zum "Islam" verwerfe, weil dies den Rechtspopulisten in die Hände spielen würde. Man muss solche Verlautbarungen nicht verstehen, aber es zeigt sich, dass auch diese Kräfte nicht vollständig für ungeteilte Menschenrechte eintreten. Auch wenn sie lautstark anderes verkünden.

Mansour fordert Toleranz, was für ihn auch bedeutet, "unterschiedliche Menschen als Teil dieser Gesellschaft zu sehen und dementsprechend auf sie zu reagieren." Toleranz gegenüber "Fundamentalisten im Namen von Religion oder Meinungsfreiheit" lehnt er ab. Er will aber auch nicht tolerieren, dass Jugendliche aus muslimischen Familien aus religiösen Gründen in ihrer Entwicklung behindert werden: "Ich bin auch nicht der Meinung, dass ich als Lehrer oder als Politiker in Kauf nehme sollte, dass eine Schülerin mit muslimischem Hintergrund nicht am Schwimmunterricht teilnimmt. Das ist meiner Meinung nach keine Toleranz, sondern eine Art von Rassismus, weil ich in Kauf nehme, dass dieses Mädchen weniger lernt als ein nichtmuslimisches Mädchen." Ob die Multikulturalisten bereit sind, sich zu dieser Einsicht durchzuarbeiten und die Rechte und Menschenwürde von Mädchen mit muslimischen Hintergrund zu schützen? Bislang sieht es nicht danach aus.

Innerislamische Auseinandersetzung gefordert

Allein schon an der Person Ahmad Mansour wird deutlich, in welchem Maße jemand mit Migrationshintergrund, der für Menschenwürde, für Menschenrechte, für eine aufgeklärte Gesellschaft eintritt, auf Widerstand stößt. Wer sich in Deutschland, in Europa anschickt, "den Islam" zu reformieren, hat es nicht leicht, macht es sich nicht einfach.

Ahmad Mansour plädiert für eine innerislamische Auseinandersetzung. Recht hat, wenn er sagt, dies sei nicht Aufgabe von Union, SPD oder Grünen. Von den politischen Parteien muss aber verlangt werden, dass diese den Rahmen gestalten, innerhalb dessen eine innerislamische Auseinandersetzung stattfinden kann, und dass sie nicht die konservativ-orthodoxen Verbänden hofieren und stärken, die die Totengräber solcher Debatten sind.