Kolumne: Sitte & Anstand

Lang lebe der Völkermörder!

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Denkmal für Kaiser Wilhelm II. an der Hohenzollernbrücke in Köln
Denkmal für Kaiser Wilhelm II.

Überall auf der Welt werden Denkmäler von Rassisten gestürzt. Wilhelm II., unserem letzten Kaiser, geht das am kupfernen Prachtarsch vorbei.

Derzeit geht es vielen Denkmälern an den Kragen, und weltweit schauen die Menschen auf Youtube nicht ohne eine gewisse Befriedigung zu, wie etwa Christoph Kolumbus, der Vorbote von Kolonialisierung und Massenmord, hier und dort in den USA vom Sockel geholt, oder wie in Bristol das Abbild eines Sklavenhändlers erst gestürzt, dann umhergerollt und schließlich ins Wasser gestürzt wird, hurra! Über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ist es den Denkmälern gelungen, die von ihnen behauptete Unangreifbarkeit tatsächlich durchzusetzen. Zunächst waren sie noch Gegenstand der Verehrung, irgendwann später legten sie sich den Tarnmantel des Historischen um: Ach ja, sagten die Leute, da steht ja irgend so ein alter Held aus Kupfer, wie lauschig! Es ist gut, dass man sie nun wieder in den Blick nimmt als das, was sie sind – Verherrlichung einer bestimmten Geisteshaltung. Unhinterfragt wirken sie in die Welt hinaus, mit ihrer Pose und ihrem Prunk, mit ihrem Namen und, ja, grundsätzlich: mit der Übereinkunft, es gebe unfassbar großartige Menschen, die über ihre Mitmenschen wesenhaft hinausragten und die man daher als metallenes Abbild auf einen Sockel stellen sollte.

Denkmäler sind immer lächerlich, je größer und pompöser, desto alberner. Sie wollen uns zwingen, an die Idee der Erhabenheit zu glauben, und dieser Gedanke ist für sich genommen schon ein Ausdruck von Unreife, ein vager Nachhall von Religion. Man will einen Abglanz des Göttlichen produzieren – und kann froh sein, Popanzen wie Goethe oder dem brennenden Antisemiten Luther nie in persona begegnet zu sein. Von mir aus also könnten alle anthropomorphen Denkmäler ohne Ansehen der Person gerne abgeräumt werden, jedoch eher durch einen demokratisch gefassten Beschluss als durch pubertären Aktivismus, doch je nun, so sei es. Wie gut, dass wir in Deutschland keine Rassisten-Denkmäler haben! Oder haben wir?

Dass wir immer noch Kaiser und Könige, Gräfinnen und Grafen in der Gegend herumstehen lassen, Abbilder von Menschen also, die zuallererst für Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung standen, mag man für ein Kuriosum halten in einem demokratisch verfassten Staat. Wie aber erklärt man sich, dass selbst ein Menschheitsverbrecher wie Kaiser Wilhelm II. immer noch hier und dort seine Unantastbarkeit behaupten darf? Noch einmal kurz zur Erinnerung: Der Mann verantwortete den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, den unfassbar brutalen Vernichtungskrieg gegen die Herero und die Nama in Deutsch-Südwestafrika. Und wenn man den sogenannten "Ausbruch" des Ersten Weltkriegs an einer Person festmachen kann, dann ja wohl an ihm, der Millionen von Menschen in den Tod schickte, weil er meinte, mit seinen Cousins auf dem englischen und russischen Thron eine Rechnung offen zu haben: In Serbien war ein verbündeter Adliger einem nationalistischen Attentat zum Opfer gefallen, und Wilhelm Zwo überrollte als erstes Mal das neutrale Belgien mit der gigantischen deutschen Kriegsmaschinerie, ganz so als hätte man nur auf einen Anlass, egal welchen, gewartet. Es folgte die Hölle des Ersten Weltkriegs, an dessen Ende der Kaiser nach Holland desertierte, und aus der Hölle des Ersten Weltkriegs folgten dann recht bald Faschismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust, und niemand, der diese Zeilen jetzt liest, hat nicht bis heute unter den Folgen zu leiden: Über Generationen hinweg haben die Menschen Schaden genommen, Kaiser Wilhelm Zwei aber sitzt weiter wacker auf seinem Pferd, ganz nah am Prachtarsch, mit seinem affigen Adler auf dem Helm, mit seinem absurden Pickelhaubenbart, in Köln, in Wuppertal, und wer weiß wo noch alles. In Esbeck bei Elze bei Hildesheim, entdecke ich im Netz, haben sie einen monströsen Steinklumpatsch zusammengehäuft und eine Gedenkplatte dran befestigt. Weil Wilhelm Zwo von dieser Stelle aus mal ein Manöver beaufsichtigt hat. Wie ein völlig zugequollener, zugemüllter Darm sieht der Trumm aus, und so steht die Gesamtheit der Wilhelm-II.-Denkmäler also bis zum heutigen Tag für die deutschen Grundtugenden Anmaßung, schlechter Geschmack und Verstopfung. Alleine deswegen schon sollte man das alles allmählich mal demontieren, gerne mit Ratsbeschluss, damit auch im Vollzug die Demokratie über das Gewaltprinzip siegt.

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