BERLIN. (hpd) Das Bundesministerium der Verteidigung veranstaltet Jahr um Jahr das Ritual eines "Feierlichen Rekruten-Gelöbnisses". Verankert ist das im Soldatengesetz. Danach bekennen sich mit diesem Gelöbnis "Soldaten, die freiwilligen Wehrdienst nach § 58b oder Wehrdienst nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes leisten, zu ihren Pflichten". In Berlin wurde auch "Gott" angerufen.
Die Bundeswehr selbst nennt den Vorgang schlicht "das Gelöbnis", dessen "Ablauf überall gleich" sei. Mit anderen Worten: Die Zeremonie findet in ganz Deutschland im gleichen Reglement statt. Ihr stellen sich ca. sechs Wochen nach dem Beginn ihres Wehrdienstes die Rekruten aller deutschen Streitkräfte, d. h. Heer, Luft und Marine.
In der Regel spricht ein Kommandeur die Gelöbnis-Formel vor, die Soldaten und Soldatinnen sprechen diese nach und geloben entsprechend Soldatengesetz § 9 (2): "… der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." 1
Ein Blick nach Berlin-Tiergarten, Bendlerblock, 20. Juli 2016: Zu dem Gelöbnis, das am 72. Jahrestag des Gedenkens der Widerstandskämpfer nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler stattfindet. Angetreten waren rund 400 Rekrutinnen und Rekruten aus sieben verschiedenen Bataillonen aus Berlin, Burg, Beelitz, Storkow, Parnow, Germersheim und Rennerod.
Ehrengäste und Militär-Attachés, "Angehörige und Freunde, Vorgesetzte und Kameraden" füllten die Tribünen und die Ehrentribüne. Der Fernsehsender Phönix berichtete live. Die Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen, hatte ihre Rede bereits gehalten und darin die SoldatInnen aufgerufen, politisch zu denken. Auch der evangelische Theologe Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hauptredner des Gelöbnisses, hatte wieder Platz genommen.
Danach führte der Kommandeur des Wachkommandos die sechs stellvertretend aus den Bataillonen ausgewählten RekrutInnen in der Mitte des Platzes zusammen. Der Kommandeur verlas das Gelöbnis und fügte hinzu: "… so wahr mir Gott helfe." Die Soldaten und Soldatinnen an der Fahne und in den Reihen sprachen auch das nach.
Wir haben bereits bei den Streitkräften angefragt, weshalb die Gottesformel dem Schwur hinzugefügt wurde. Eine Antwort stand bei Redaktionsschluss noch aus.
- § 9 Eid und feierliches Gelöbnis
(1) Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit haben folgenden Diensteid zu leisten:
"Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe."
Der Eid kann auch ohne die Worte "so wahr mir Gott helfe" geleistet werden. Gestattet ein Bundesgesetz den Mitgliedern einer Religionsgesellschaft, an Stelle der Worte "ich schwöre" andere Beteuerungsformeln zu gebrauchen, so kann das Mitglied einer solchen Religionsgesellschaft diese Beteuerungsformel sprechen.
(2) Soldaten, die freiwilligen Wehrdienst nach § 58b oder Wehrdienst nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes leisten, bekennen sich zu ihren Pflichten durch das folgende feierliche Gelöbnis:
"Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen."
- Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz - SG) ↩
17 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Gottseidank war ich nie bei der Bundeswehr. Mich hat ein Gott davor verschont. Schön ist es, Atheist zu sein! Danke.
Petra Pausch am Permanenter Link
Abgesehen davon, dass die Rekruten "Gott" ihre Treue schwören sollten: weshalb ist Wolfgang Huber der Hauptredner? Was hat ein Ex-Kirchenfürst mit einer die Demokratie verteidigenden Bundeswehr zu tun?
Alexander von d... am Permanenter Link
... ja, das habe ich mich auch gefragt - was hat Herr Huber dort zu suchen? Erstaunlich nur, dass nicht auch noch ein kath. Vertreter aufgetaucht ist - oder war der nur beim anschließenden Buffet dabei?
Kay Krause am Permanenter Link
Ganz einfach: weil Kirche immer dabei war, dabei ist und dabei sein wird!
Merlwürdig, dass das kaum einer merkt.
Mark Keller am Permanenter Link
Was Herr Huber da zu suchen hat?
Der bedankt sich für die Zusammenarbeit, denn die Militärseelsorge und die Gehälter werden vom Verteidungsministerium bezahlt.
Michael Paschko am Permanenter Link
Vielleicht ist der Grund einfach der, dass es sich um Berufssoldaten handelte. Gibt es überhaupt noch "freiwilligen Wehrdienst" nachdem die Wehrplficht doch abgeschafft ist?
Das wirklich Seltsame ist doch, dass laut Gesetz Berufssoldaten standardmäßig mit Gott schwören, Wehrpflichtige und freiwillig Wehrdienst Leistende dagegen nicht, es sogar nicht einmal dürfen.
René am Permanenter Link
Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft sondern ausgesetzt worden. "Wehrpflichtige" werden zur Zeit nicht gegen ihren Willen eingezogen.
Michael Paschko am Permanenter Link
Danke für die Klarstellung.
So gibt es nun zwei Möglichkeiten:
Wenn es korrekt gelaufen ist, hat man sich für die Zeremonie speziell Berufssoldaten ausgesucht, die der Verwendung der Zusatzformel nicht widersprochen haben.
Handelte es sich dagegen um freiwillig Wehrdienst Leistende, war es ein Gesetzesverstoß.
Bleibt aber immer noch die Frage: Warum meint der Gesetzgeber, hier Berfussoldeten und Wehrplfichtige bzw. freiwillig Wehrdienst Leistende anders behandeln zu müssen? Und ist das überhaupt verfassungsmäßig (Gleichbehandlungsgrundsatz)?
F. Rahnfeld am Permanenter Link
Ich war fünf Jahre Ausbilder. Bei uns wurde das Ding immer mit Gottesformel gesprochen. Auch wenn wir das Gelöbnis "vorgeübt" haben, wurde den Rekruten die Formel einmal vorgesprochen.
Ich nahm mir dann irgendwann die Freiheit heraus, sie darauf hinzuweisen, dass der Gottesbezug freiwillig sei. Darauf fing ich mir einen bösen Anschiss vom Chef ein. Das könne ich doch nicht so einfach sagen. Wie klingt denn das, wenn die Gelöbnisformel von allen mitgesprochen würde, aber dann bei den letzten fünf Worten nur noch die Hälfte. Das wäre doch nicht mehr "einheitlich" (Einheitlichkeit = todsicheres Argument, wenn dir als Vorgesetzter sonst nix mehr einfällt)
Ich meinte daraufhin, das klinge dann, als wären es "Staatsbürger in Uniform" oder ein "Abbild der Gesellschaft" (alles Schlagworte aus der Politik um die Bundeswehr zu beschreiben), und man würde genau das hören, was Fakt sei: 33% Nichtchristen in Deutschland, Dunkelziffer höher.
Für die schnippische Antwort bekam ich den nächsten Anschiss und den Befehl, das in Zukunft zu unterlassen. Habe ich auch getan, Befehl ist Befehl (ich hätte sicherlich rechtliche Mittel einlegen können, aber das ist ein Fass das man ungern aufmacht). Für ein Quartal hab ich den Befehl befolgt, dann war der Chef weg - und mit dem nächsten hatte ich die gleiche Diskussion mit demselben Ausgang.
Aber in allen Fällen habe ich mein Ziel erreicht: Zumindest einige wenige Rekruten haben drüber nachgedacht. Es waren nie viele, nicht mal die Mehrheit, aber es war hörbar, dass sich beim Gottesbezug ein Teil geweigert hat, mitzusprechen. Und es war mir stets ein Genuss.
David am Permanenter Link
Interessante Anekdote. Das Thema ist auch in der US armee immer wieder aktuell, zumal dort ja sogar noch zusammen gebetet wird. Ich stelle mir das als Atheist ziemlich gruselig vor.
Mark Keller am Permanenter Link
Ich kann da nur berichten, wie es in den 90er in meiner Zeit als Wehrpflichtiger war.
Da wurde schon kommuniziert, dass das "Gott-Addendum" auf freiwilliger Basis sei.
Sebastian Schmitt am Permanenter Link
Es ist doch immer wieder putzig: Diese Phrase "So wahr mir ..." ist doch die perfekte Methode sich legal davon zu schleichen.
Michael Paschko am Permanenter Link
Ich habe das noch nie verstanden, denn egal, wie man nun zur Existenz Gottes steht, dieser Zusatz ist doch keine Bekräftigung, sondern eine Einschränkung des Eides, da seine Gültigkeit von der Hilfe Gottes abhängig ge
Mein Vater, ein sehr frommer Mann und überzeugter Christ hat dementsprechend mal als Zeuge vor Gericht diesen Zusatz verweigert mit dem Hinweis darauf, dass Gott damit, ob er die Wahrheit sage, nichts zu tun habe. Dafür sei schließlich nur er allein verantwortlich.
Gerhard Lein am Permanenter Link
Dreist! Für die Säkularen müsste jetzt der Eid wiederholt werden, denn die Rekruten sind ja durch ihre Vorgesetzten kujoniert worden. Hoffentlich bleibt ihr am Ball!
Noncredist am Permanenter Link
>> Auch der evangelische Theologe (...), Hauptredner des Gelöbnisses, hatte wieder Platz genommen. <<
Ein Berufsinterpretierer einer ausgedachten nahöstlichen Himmelsfigur, in dessen Geschichte die Ermordung und Verstümmelung unzähliger Menschen in seinem Willen geschah, ist der Hauptredner des Gelöbnisses.
Wenn der nächste Kanzler / die nächste Kanzlerin gewählt wird, erwarte ich wenigstens ein paar Berufsinterpretierer von 1001 Nacht, Herr der Ringe und Star Wars. Von mir aus auch einen Ketzer über die moralischen Werte von Star Trek :)
Was dies tranzendente Alles mit dem Beruf des Soldaten zu tun hat, weiss wohl nur die heilige Nudeligkeit ;)
Wolfgang am Permanenter Link
Dieses "So wahr mir Gott helfe!" ist doch ein Schwindel. Hat jemals ein Gott in der Vergangenheit irgend einem Menschen oder Tier geholfen?
Franziska am Permanenter Link
Ich selbst habe vor mittlerweile drei Jahren gelobt und vor knapp anderhalb Jahren den Eid abgelegt.Außerdem habe mehrere Vereidigungen besucht.
Meines Wissens nach ist die Eides-/Gelöbnisformel auch für alle gleich, der einzige Unterschied ist, dass es für die freiwllig Wehrdienstleistenden "Ich gelobe..." heisst.
Was mir eher aufstösst sind die Geistlichen im Einsatz oder im lebenskundlichen Unterricht, die dort die Aufgaben von Seelsorgen übernehmen und dabei leider nur im besseren Fall ihren Jesus aussen vor lassen können.