Ärzte lassen Frau mit Fehlgeburt aus "Gewissensgründen" an Blutvergiftung sterbe

Katholischer Fundamentalismus in Italien

Für Empörung sorgt der Tod der 32jährigen Valentina Milluzzo am 16. Oktober 2016. Sie war im fünften Monat schwanger und wegen einer Fehlgeburt seit zwei Wochen im Krankenhaus in ihrer Heimat Sizilien gelegen. Dort verstarb sie an einer Blutvergiftung vor den Augen der Ärzte, die untätig blieben. "Aus Gewissensgründen" verweigerten sie der Frau die medizinisch notwendige Beendigung der Schwangerschaft weil beim Fötus noch ein Herzschlag wahrnehmbar war – obwohl der Fötus keinerlei Überlebenschance mehr hatte. "Meine Tochter schrie vor Schmerzen und der Arzt sagte, er könne nichts tun", sagt Valentinas Vater im Interview.

Mittelalterliche Zustände

Das italienische Gesetz erlaubt zwar ähnlich wie in Österreich und Deutschland die Abtreibung. Gleichzeitig wird den Ärzten aber freigestellt, diese aus "Gewissensgründen" abzulehnen, was rd. 70% aller Gynäkologen auch tun.

Dazu kommt, dass in Italien die allermeisten Geburtskliniken unter katholischem Einfluss stehen. In manchen Regionen Italiens beziehen sich daher sämtliche Ärzte auf den "Gewissensparagraph": "Umstände ähnlich jenen, die zum Tod von Valentina Milluzzo geführt haben, wiederholen sich fast täglich vor unseren Augen", sagt die italienische Gynäkologin Dr. Lisa Canitano. "Viele schwangere Frauen riskieren ihr Leben, wenn in der Schwangerschaft eine Komplikation auftritt. Aufgrund des 'religiösen Gewissens' der Ärzte konzentrieren sich diese ausschließlich auf den Fötus. – Das kann Frauen das Leben kosten."

Kein Einzelfall

Doch nicht nur in Italien ist dieser katholische Fundamentalismus verbreitet. Im Jahr 2012 starb in Irland Savita Halappanavar in der 17. Schwangerschaftswoche ebenfalls an einer Blutvergiftung, weil der Herzschlag beim sterbenden Fötus noch hörbar war. Auch damals machte die behandelnde Ärztin ihr "religiöses Gewissen" geltend und stellte dieses über das Lebensrecht der Frau. Sie wurde dafür nie strafrechtlich belangt.

"Damals dachten wir alle, es handle sich um einen tragischen Einzelfall aus einem Land in welchem die Abtreibung verboten ist", sagt der österreichische Gynäkologie DDr.Christian Fiala. "Aber anlässlich des Todes von Valentina Milluzzo müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass solche Fälle auch Ländern vorkommen, in denen die Abtreibung legal ist. Wir kennen weitere Fälle aus ganz Europa, in denen Frauen nur knapp überlebt haben. Das sind mittelalterliche Zustände, wenn die Gesundheit und das Leben von Frauen der katholischen Doktrin untergeordnet werden."

"Religion darf in der Gynäkologie keinen Platz haben", fordert er weiter. Fiala ist Vorstandsmitglied der Berufsvereinigung FIAPAC, Leiter des Gynmed Ambulatorium in Wien und Salzburg und hat an der Pressekonferenz am 22.11.16 zum Tod von Valentina Milluzzo in Rom teilgenommen.