Am vergangenen Wochenende beriet Die Linke über ihr Wahlprogramm. Bisher war es eigentlich eine Selbstverständlichkeit innerhalb der Partei, dass man die Kirchenstaatsverträge auflösen will. Doch nun beschloss der Parteitag, diese Auflösung nicht ins Parteiprogramm aufzunehmen. Ein Kommentar von Ralf Michalowsky.
Die Linke verbiegt sich gerade. Wenn es um "Religion - Ja oder Nein?" gegangen wäre, dann könnte man dem Abstimmungsergebnis etwas abgewinnen, aber die Rückholung des Beschlusses, der die Kündigung der Staatsleistungen an Kirchen zum Inhalt hatte, und die erneute Abstimmung mit gegenteiligem Ergebnis zerstört den bisherigen Konsens zur Trennung von Kirche und Staat. Aber dahinter steckt etwas anderes!
Es gibt Kräfte innerhalb der Linken, die wollen den nichtchristlichen und nichtjüdischen Glaubensgemeinschaften die gleichen Rechte einräumen wie den Kirchen. Jedenfalls so lange, wie die Kirchen ihrer Meinung nach bevorzugt werden. Wer sich dagegen wendet, wird schnell als Rassist bezeichnet. Vor vier Jahren, als ebenfalls das Wahlprogramm zur Bundestagswahl verabschiedet wurde, hat die religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz (MdB und Mitglied im Netzwerk M21), behauptet, dass man die Blasphemiegesetze nicht abschaffen dürfe, weil man sonst keine rechtliche Handhabe gegen die Schändung jüdischer Friedhöfe habe. Völlig albern war das vor 400 Delegierten vorgetragene Argument. Noch nie wurde bei Grabschändungen der Blasphemieparagraph herangezogen. Dafür gibt es die Straftatbestände "Störung der Totenruhe", "Sachbeschädigung" und "Volksverhetzung". Die sind ausnahmslos Verfahrensgrundlage.
Jetzt zog Buchholz auf dem Bundesparteitag der Linken in Hannover die Karte "Flüchtlinge", um den Kirchen weiterhin die unrechtmäßigen Staatsleistungen zukommen zu lassen. Nicht gesagt hat sie, dass die Kirchen so gut wie kein eigenes Geld in diese Arbeit stecken, sondern sich wie auf allen anderen Feldern vom Staat bezahlen lassen. Caritas und Diakonie bekommen für ihre Arbeit z.B. 55 Mrd. Euro in jedem Jahr und die Kirchen schießen nur rund 2 % dazu.
Tatsächlich geht es den Leuten aus dem Netzwerk M21 aber nicht um die Rettung der christlichen Kirchen. Sie wollen, dass muslimische Gemeinschaften die gleichen Rechte bekommen: Hochschuleinrichtungen, Religionsunterricht in Schulen, Staatsleistungen und Körperschaftsrechte seien hier genannt. Die Linke sollte daran denken, dass jeder Wähler ein Konglomerat aus Argumenten hat, die zu seiner Wahlentscheidung führen. Dabei werden bestimmte Themen im Kopf gewichtet. Menschen, die für die Trennung von Kirche und Staat sind, werden dies entsprechend gewichten - und das ist die Mehrheit der Bevölkerung.
22 Kommentare
Kommentare
andre am Permanenter Link
Ich sehe das ebenso skeptisch wie der Autor oben..
Roland am Permanenter Link
Dass die Linken einerseits nur die einzige Partei sind, bei der die Zuordnung "links" noch irgendwie passt, ist das eine. Was Michalowski anprangert hat sich schon lange angedeutet.
Irgendwann wird auch dem Letzten Linken dämmern, dass sich diese Anpassungsstrategie an die christlich-bürgerliche Gesellschaft, wie sie vor allem durch CDU, Grüne und SPD vertreten werden, auf lange Sicht als Verlust der Glaubwürdigkeit herausstellen wird. Bei Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod!
Der Kampf gegen Ausbeutung leibt so lange halbherzig, solange nicht die größten Ausbeuter "außen vor" bleiben. Es geht um Ethik, Wahrheit und gigantische Vermögen über die die Kirchen verfügen (Buch-Empfehlung: Carsten Frerk; Kirchenfinanzen)
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Jetzt auch noch Die Linke? Wie schaffen die Kirchen das?
Mark Keller am Permanenter Link
Das dürften dann die Kurdistan-Bewegten aus dem Westen sein, die oft alevitischen Glaubens sind, wie eben auch führende Köpfe wie Gysi, die sich auch eher wohlwollend zur Relgion äußern.
Kay Krause am Permanenter Link
Siehst Du - liebe LINKE: und das ist der Grund, warum ich Dich nicht mehr wählen werde.
So einfach ist das.
Hans am Permanenter Link
na dann wählt man halt hpd. von den etablierten parteien sind dann alle christlcih
Thomas Göring am Permanenter Link
soll Ihre angesäuerte Bemerkung ernstlich ein Sach-Argument sein, werter Hans?
Wolf Aßmus am Permanenter Link
Nein, werter Thomas Göring, es ist die für mich sehr gut nachvollziehbare Kapitulation eines Realisten vor dem Einknicken der letzten vermeintlich Vernunft begabten Partei durch die interne Mauschelei von Kräften, die
Ulrike Dahmen am Permanenter Link
Leider ist die Linke für mich jetzt nicht mehr wählbar!
Unechter Pole am Permanenter Link
Da gehen die Linken Hand in Hand mit den beiden christlichen Halbstaatskirchen.
Fredy Premm am Permanenter Link
Vielen Dank für diese Information,
ein guter Grund unter vielen, nicht Links zu WÄHLEN.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Laizisten - populärer "Säkulare" haben jetzt fast in jeder Partei einen Arbeitskreis. Zusammenschließen wäre das Gebot der Stunde. Gemeinsame Forderungen!
Und Humanisten wollen die Christen ja unbedingt auch sein. Und wir Diesseitigen - wollen ja gar keine Gegenkirche. Wir 38% arbeiten unorganisiert überall mit und dienen dem Staat wie die Christen, der unsere Steuergelder den Kirchen vorn und hinten hineinschiebt. Daher wollen gleiche grundlegende Rechte. Also was jetzt, liebe christliche Mitbürger? Wann akzeptiert Ihr angeblich Toleranten endlich den diesseitigen Humanismus ohne Kirchen (und gern auch ohne Gott)? Das ist überfällig. Wie lange noch....? Karin Resnikschek
Roland Sperling am Permanenter Link
Grabschändungen auf christlichen Friedhöfen sind in der regel nicht speziell antichristlich motiviert. Dagegen sind Grabschändungen auf jüdischen Friedhöfen meist explizit antisemitisch.
Im Übrigen müsste man aufgrund seiner Argumentation auch die staatliche Parteienfinanierung kippen, weil ja bekanntlich auch Parteien finanziert werden, die einem nicht genehm sind. Vergessen wir nicht, dass es u.a. gerade die Kirchen waren, die sich klar für eine offene Flüchtlingspolitik eingesetzt haben (jedenfalls in Deutschland. Aber um eine Bekämpfung der polnischen Kleriker geht es hier ja nicht). Dagegen immer die unbestreitbaren Untaten der Kirche aus früheren Jahrhunderten ins Feld zu führen, ist auf die Dauer wenig überzeugend und trifft nicht die Wahrnehmung der allermeisten Menschen in Deutschland was die Kirchen betrifft.
Rainer B. am Permanenter Link
Danke Herr Michalowsky für diese offene, ehrliche Einschätzung aus der Innenperspektive der LINKEN.
Ich bin mir deshalb gar nicht mehr sicher, ob die LINKE im BT heute auch noch gegen einen §1631 ("Beschneidung") stimmen würde. Sie war 2012 immerhin die einzige ablehnende Partei ganz im Gegensatz zu den GRÜNEN, die mit ihrer Zustimmung damals mein Vertrauen bis heute verloren haben.
Auch bzgl. Kritik des Neoliberalismus hat die LINKE ein Alleinstellungsmerkmal, programmatisch verkörpert durch Wagenknecht. Für mich stand meine Wahlentscheidung für September eigentlich fest. Und jetzt solch eine Rückwärtsrolle beim Thema Säkularität...! Schade, wirlich schade. Aber auch erschreckend. Denn eine Abstimmungswiederholung zur Herstellung eines dem Parteivorstand genehmeren Ergebnisses, wirft ein extrem schlechtes Licht auf den Zustand innerparteilicher Demokratie.
Mein Problem nun: Weder bin ich bereit solche Parteizustände, noch eine Kungelpolitik mit den Kirchen unter der falschen Flagge des Antirassismus mit meiner Wahlstimme zu honorieren.
Walter Otte am Permanenter Link
Nur um einer Legendenbildung oder -aufrechterhaltung vorzubeugen: Die Linke hat 2012 keineswegs als Fraktion gegen den Entwurf eines Beschneidungslegalisierungsgesetzes gestimmt.
https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung/?id=169
Rainer B. am Permanenter Link
Herr Otte, ich betreibe keine Legendenbildung.
Dieses fundamentale Versagen der angebl. Menschenrechtspartei die GRÜNEN können Sie daher mit ihrem Eintrag auch nicht relativieren und einfach ins Reich der Legenden verweisen. Ihr Versuch der Relativierung scheint eher davon zu zeugen, dass Sie sich der Außenwirkung dieser katastrophalen Entscheidung sehr wohl bewusst sind. Bei aller Hochachtung für Ihre Arbeit, aber vom Versagen der eigenen Partei durch den Vorwurf einer "Legendenbildung oder -aufrechterhaltung" ablenken zu wollen, ist einfach peinlich und infam. Denn Sie erwecken den Eindruck, bei meinem Eintrag würde es sich um eine Falschmeldung handeln. Womit wir dann auch schon bei einer der aktuellen Lieblingskeulen der politischen Debatte wären... Sie enttäuschen mich.
Walter Otte am Permanenter Link
Verehrter Herr Rainer B.,
es mag ja sein, dass Sie auf dem Gebiet der "Alternativen Fakten" unterwegs sind und sich damit in Gesellschaft von AFD und Präsident Trump befinden. Aber das will ich jetzt nicht vertiefen.
Sie hatten behauptet: " Sie (die Linke, W.O.) war 2012 immerhin die einzige ablehnende Partei ganz im Gegensatz zu den GRÜNEN, die mit ihrer Zustimmung damals mein Vertrauen bis heute verloren haben." Diese Aussage ist eindeutig eine Falschaussage, was sie jetzt zumindest indirekt zugeben (weder hat die Linke als Fraktion das Gesetz abgelehnt, noch die Grünen als Fraktion zugestimmt).
Dass Sie vorgeben, dies nicht erkennen zu kennen, ist schon verblüffend; entweder Sie wollen ihre Falschaussage relativieren oder es fehlt Ihnen an einem an Fakten orientierten Beurteilungsvermögen.
Bleiben Sie doch künftig einfach der Wahrheit!
Ihr Walter Otte
Rainer B. am Permanenter Link
Herr Otte, Sie enttäuschen mich immer mehr.
2. Außerdem, und hier wird es echt heftig von Ihrer Seite, versuchen Sie mich gleich noch in die Ecke von AfD und Trump zu stellen: "Es mag ja sein, dass Sie auf dem Gebiet der "Alternativen Fakten" unterwegs sind und sich damit in Gesellschaft von AFD und Präsident Trump befinden." Es widert mich mittlerweile an, wie sogenannte Progressive ganz mit Berechnung die Populismus-/ Fakes News-Keule gegen Kritiker schwingen. Ihre süffisant formulierte Äußerung geht ad hominem und unter die Gürtellinie. Aber bei den Grünen wundert mich dbzgl. nichts mehr, wenn ich mir nur das aktuelle Agieren des Hamburger Justizsenator Steffen betreffs Netzwerkdurchsetzungsgesetz ansehe. Von dessen Position sind Sie hier mit Ihren obigen Einträgen nicht allzuweit entfernt: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/netzwirtschaft/gesetzesvorhaben-zu-fake-news-ist-umstritten-15063982.html
Wolfgang am Permanenter Link
Nenne mir eine Partei, die sich nicht im Laufe ihres Bestehens verbiegt. Sie kriechen alle zu Kreuze, je nachdem es ihnen selbst am besten dient.
Glaube keinem Politiker oder Theologen,
von beiden wirst du nur stetig angelogen,
der Politiker verspricht dir ein schönes Leben im Diesseits,
der Theologe verspricht dir ein schönes Leben im Jenseits.
Andreas Härdter am Permanenter Link
Der einzige Gott, der in dieser Welt wirklich zu funktionieren scheint, ist Gott "Fiscus".
Gert Hantke am Permanenter Link
Als ob wir mit CDSU,SPD,FDP und Grünen nicht schon genug zu leiden hätten. Nach Mitwirkung der Linken am SterbehilfeverhinderungsG und dem BeschneidungslegalisierungsG nun dieses.
petra weber am Permanenter Link
Hallo Michael, dass große Problem, das hier besteht, ist doch dass sich viele kirchliche Einrichtungen an der Basis sehr sozial und menschlich engagieren.