Allensbach-Studie

Das deutsche Christentums-Paradox

Passend zum Weihnachtsfest hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Studie zur Verwurzelung des Christentums in Deutschland in Auftrag gegeben. Die vom Institut für Demoskopie in Allensbach durchgeführte Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass die Bedeutung des Christentums in der Gesellschaft abnimmt. Paradoxerweise steigt gleichzeitig die Zahl derjenigen, die meinen, Deutschland sei durch christliche Werte geprägt.

Dass die Mitgliederzahl der christlichen Kirchen in Deutschland derzeit rasant auf Talfahrt ist, wird durch viele statistische Erhebungen bestätigt. Die aktuelle Allensbach-Studie im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geht davon aus, dass derzeit nur 55 Prozent der Deutschen der evangelischen oder katholischen Kirche angehören. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es mehr als 90 Prozent. Hinzu kommt, dass laut Allensbach-Studie nur noch 32 Prozent der heutigen Kirchenmitglieder wenigstens ab und zu in die Kirche gehen – das jedenfalls gaben sie in der Umfrage an. Im Gegensatz hierzu waren in den 1960er Jahren rund 60 Prozent der Kirchenmitglieder regelmäßige Kirchgänger.

Offensichtlich wollen also immer wenige Deutsche etwas mit dem Christentum zu tun haben. Erstaunlicherweise kommt die Allensbach-Studie jedoch zu dem scheinbar paradoxen Ergebnis, dass eine wachsende Zahl von Deutschen die Auffassung vertritt, Deutschland sei stark durch das Christentum sowie christliche Werte geprägt. 63 Prozent der Befragten gaben an, dieser Meinung zu sein – und das, obwohl nur 55 Prozent der Befragten Mitglied einer christlichen Kirche sind und sogar nur rund 18 Prozent der Befragten Menschen, die wenigstens ab und zu in die Kirche gehen. Bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach vor fünf Jahren hatten nur 48 Prozent der Aussage zugestimmt, dass Deutschland durch das Christentum sowie christliche Werte geprägt sei. 56 Prozent der Befragten finden laut der aktuellen Studie überdies, dass Deutschland auch in der Öffentlichkeit deutlich zeigen solle, dass es ein christliches Land sei. 85 Prozent der Befragten sind ferner dagegen, einen christlichen Feiertag zu streichen und hierfür einen islamischen Feiertag einzuführen.

Die Ergebnisse der Umfrage könnten darauf hinweisen, dass eine Art entkerntes Christentum als emotionales Bollwerk gegen eine gefühlte Islamisierung der Gesellschaft genutzt wird. Ein in einigen Bevölkerungskreisen weit verbreitetes Gefühl, das angesichts des tatsächlichen Anteils der Muslime an der Bevölkerung erstaunlich ist, da dieser bei nur 6 Prozent liegt.

Erstaunlich ist auch, dass obwohl die Zustimmung zu zentralen christlichen Glaubenssätzen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist, der prozentuale Anteil derer, die an die Existenz einer überirdischen Macht glauben, fast unverändert geblieben ist. Bei einer Umfrage des Instituts vor 31 Jahren waren es 49 Prozent, die an eine überirdische Macht glaubten, bei der jüngsten Umfrage waren es 48 Prozent.

Und noch eine weitere Kuriosität hält die Allensbach-Studie bereit, denn auch nach dem Glauben an Engel und Wunder wurde gefragt. An die Existenz von Engeln glaubten laut Allensbach-Institut vor 31 Jahren 22 Prozent der Befragten, laut der aktuellen Studie sind es 30 Prozent. An Wunder glaubten 1986 33 Prozent der Befragten, heute sind es 51 Prozent.

Insbesondere eine weiterführende Untersuchung der letztgenannten Ergebnisse der Allensbach-Studie könnte sich als interessant erweisen. Besonders wenn man parallel einige Entwicklungen innerhalb der Popkultur während des genannten Zeitraums betrachtet: Die seit einigen Jahrzehnten üblich gewordene Allgegenwart von Kitsch-Engeln bereits im Kleinkindalter, sowie der rasante Aufschwung des Fantasy-Genres, in dem es von Engeln, Dämonen und Wundern üblicherweise nur so wimmelt.