Immer eine Schlagzeile wert: Christenverfolgung

Wieder einmal geistert die Mär von der Christenverfolgung in Deutschland durch die Medien. Ende letzter Woche informierte dpa, dass das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr 100 Angriffe auf Christen erfasst hat. Darunter seien ein mutmaßlicher Mord, neun Körperverletzungen und eine Brandstiftung. Der Großteil der Taten jedoch richtete sich gegen Kirchen und christliche Symbole.

Doch weder die dpa-Meldung noch die etwas ausführlicheren Berichte in diversen Medien gehen genauer auf die Taten ein. Die Welt berichtet, dass in mindestens 14 Fällen "christenfeindliche Straftaten" zwischen Asylbewerbern und Flüchtlingen begangen wurden.

Ob diese – oder auch der Mord, der momentan vor Gericht verhandelt wird – aus "religiösen" Gründen geschahen, kann nicht genau gesagt werden. Für Innenminister Thomas de Maizière (CDU) spielt das keine Rolle, er möchte nur nachweisen, dass es in Deutschland eine Christenverfolgung gibt. Es wundert auch nicht, wer ihm dafür, dass seit 2017 diese Straftaten extra erfasst werden, den lautesten Beifall spendet.

Die WAZ schreibt in dem den Medienrummel auslösenden Artikel: "Hinzu kommt, dass es generell nicht zwingend vorgeschrieben ist, die Religionszugehörigkeit von Opfern und Tatverdächtigen zu melden" und weist so auf die statistische Irrelevanz der Erfassung hin. Das hielt andere Medien aber nicht davon ab, von einer "Christenverfolgung" zu schreiben. Gegen jedes Maß und wider besseren Wissens. Der gesamte Artikel in der WAZ ist vorsichtig und eher abwartend geschrieben und gibt wieder, was bereits im September des vergangenen Jahres der Focus feststellte:

Gewalt gegen Christen, mitten in Deutschland – Meldungen wie diese verbreiten sich oftmals wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken. (…) Vor allem unter Lesern, die dem Islam ohnehin schon skeptisch gegenüber stehen, ist die Empörung groß. "Man bekommt so eine Mordswut, dass so etwas einen dermaßen beschäftigt, dass man nachts nicht mehr schlafen kann", kommentierte eine Userin unter dem Artikel.

Bei vielen Lesern und offenbar auch bei Innenministern entsteht beim Lesen solcher Meldungen der Eindruck, solche Angriffe seien ein Massenphänomen. Aber ist das richtig?

"Nein, gar nicht", erklärte eine Sprecherin der Berliner Polizei (…). "Das sind absolute Einzelfälle."

Und was fordert deshalb Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)? Richtig: Für ihn bedeutet Integration in Deutschland, "ohne Wenn und Aber" die christlich-abendländische Wertekultur zu tolerieren. Und, an Flüchtlinge gerichtet: "Wer hier leben will, muss sich zwingend von einer christenfeindlichen Gesinnung verabschieden." Meint er damit tatsächlich die 14 Straftaten zwischen Asylbewerbern und Flüchtlingen, über die das BKA informierte? Oder bedroht er unterschwellig nicht viel mehr alle, die seine "christlich-abendländische Wertekultur" nicht teilen mögen? Also viele derer, die sich von jeder Religion abgewandt haben?

Es kann ja sein, dass der Liste der "100 Straftaten" auch die (vergeblichen) Versuche zugerechnet werden, den "nackten Luther" den Kirchentagsbesuchern nahezubringen. Immerhin wurde in Berlin durch Polizei und Staatsschutz verhindert, dass die Kunstinstallation öffentlich gezeigt werden durfte; man teilte mit, dass Luther ein Volksverhetzer sei und daher den Kirchentagsbesuchern nicht zuzumuten.

Interessant ist auch, dass keiner der Kommentatoren in den diversen Medien, die über das BKA-Papier schrieben, auch nur ein Wort darüber verloren, dass es im vergangenen Jahr mehr Übergriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen gab als je zuvor. Bereits im Jahr zuvor, also 2016, stieg die Zahl der Delikte rechter Straftäter auf insgesamt 22.960 an. Sichtbare Konsequenzen haben die Innenminister bislang nicht gezogen.