Initiativen gegen den Reformations-Feiertag in Norddeutschland

Ist Luther noch zu stoppen?

Das Landesparlament von Schleswig-Holstein hat am vergangenen Donnerstag beschlossen, den Reformationstag als neuen Feiertag einzuführen. Die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Bremen wollen folgen. Doch gegen die hiermit verbundene Ehrung des bekennenden Antisemiten Martin Luther sowie einen zusätzlichen religiösen Feiertag in Zeiten sinkender Religionszugehörigkeiten regt sich vielfältiger Protest. Nun gesellt sich auch Martin Luther selbst zu den Kritikern.

Er ist rund drei Meter groß, splitternackt und macht in dieser Woche eine Tour durch Norddeutschland: Der "Nackte Luther" der religionskritischen Aktionsgruppe Das 11. Gebot. Bereits während des zurückliegenden Reformationsjahres hatte die Aktionsgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) mit der Luther-Figur die Öffentlichkeit auf den immer wieder verschwiegenen oder relativierten Antisemitismus des Reformators aufmerksam gemacht. Dass es deshalb auch keine gute Idee ist, Martin Luther zu ehren, indem man den Reformationstag in Norddeutschland zum Feiertag erhebt, darüber möchte die Aktionsgruppe nun die Politiker in Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein aufklären.

Doch wie kam es überhaupt zu der Diskussion um den Reformationstag? In einigen norddeutschen Bundesländern gibt es weniger Feiertage als im Rest der Republik. Kein Wunder also, dass die Politik im hohen Norden sich für wenigstens einen zusätzlichen Feiertag stark macht. Obwohl mehrere Vorschläge für nicht-religiöse Feiertage vorlagen, fokussierte sich die Diskussion schnell darauf, den 31. Oktober zum Feiertag zu machen. An diesem Tag feiern evangelische Christen den Reformationstag. In den fünf ostdeutschen Bundesländern ist er bereits ein gesetzlicher Feiertag. Der Legende nach soll an diesem Tag im Jahr 1517 Martin Luther 95 kritische Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg genagelt haben, die zu einer Reformation der Kirche führen sollten. Ein Ereignis, das nach Ansicht der meisten Historiker höchstwahrscheinlich niemals stattgefunden hat.

Das jedoch hielt die Abgeordneten des Parlaments von Schleswig-Holstein am vergangenen Donnerstag nicht davon ab, den Reformationstag in ihrem Bundesland zum neuen Feiertag zu machen. In der Debatte sprachen sich vor allem Abgeordnete von CDU und AfD klar für den Reformationstag als Feiertag aus. Redner von SPD, Grünen, FDP und dem Südschleswigschen Wählerverband SSW machten zwar deutlich, dass sie einen säkularen Feiertag, wie zum Beispiel den Tag des Grundgesetzes oder den Weltfrauentag, vorziehen würden, in der anschließenden Abstimmung votierten sie jedoch mehrheitlich für den Reformationstag. Lediglich vier Enthaltungen gab es (3xSSW, 1xSPD).

Die politischen Führungsetagen in Hamburg, Bremen und Niedersachen haben bereits bekundet, so bald wie möglich dem Vorbild Schleswig-Holsteins folgen zu wollen. In der Bremischen Bürgerschaft fand vergangene Woche eine Art Probeabstimmung statt, in der 57 Abgeordnete in erster Lesung für den Pro-Reformationstag-Antrag der oppositionellen CDU stimmten. 24 stimmten dagegen. Die endgültige Entscheidung in Bremen soll in zweiter Lesung in einigen Wochen fallen.

Die nächste entscheidende Abstimmung findet voraussichtlich am 28. Februar in Hamburg statt. Auch in der Hamburgischen Bürgerschaft zeichnet sich derzeit eine große Mehrheit für den Reformationstag ab. Was erstaunlich ist, da in Hamburg bereits beim Zensus 2011 die Konfessionslosen mit 52% die Bevölkerungsmehrheit gestellt hatten. Die Zahl der Protestanten lag bei 30%.

Am längsten wird die Entscheidung wahrscheinlich in Niedersachsen auf sich warten lassen, da die dortige rot-schwarze Landesregierung zunächst eine sechswöchige Anhörung unterschiedlicher Verbände abwarten will.

Die Kritiker einer Einführung des Reformationstags als Feiertag sind derweil nicht untätig. Kritik am Reformationstag kommt hierbei vor allem von säkularer Seite.  

Der Humanistische Verband (HVD) Bremen, die Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) Bremen sowie der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) Bremen fordern gemeinsam die Einführung eines weltlichen gesetzlichen Feiertages: "Da Luther und die sich auf ihn begründende Reformation inhaltlich dem Ziel einer weltoffenen Stadt Bremen diametral entgegenstehen, ist die Einführung des Reformationstags als gesetzlicher Feiertag nicht zu vertreten. Zudem möchten wir darauf verweisen, dass die evangelische Kirche in Bremen nur noch eine Minderheit von 32 Prozent der Bevölkerung vertritt. Gerade noch 18 Prozent der Geborenen des Jahrgangs 2016 wurden getauft. Fast 60 Prozent der Bremerinnen und Bremer gehören keiner christlichen Glaubensgemeinschaft an. Dies deutet darauf hin, dass die Einführung eines kirchlichen Feiertages nicht den Intentionen der Mehrheit der Bremerinnen und Bremer entspricht (Statistisches Jahrbuch 2017 des statistischen Landesamtes)."

In Niedersachsen wandte sich der Präsident des Humanistischen Verbandes (HVD) Niedersachsen, Guido Wiesner, mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit, in dem er dafür wirbt, vor einer Abstimmung über ein konkretes Datum eine Grundsatzentscheidung durchzuführen, "ob es ein kirchlicher Feiertag für wenige oder ein weltlicher Feiertag für alle werden soll".

Auch in Hamburg schweigen die Säkularen nicht. Dort haben das Säkulare Forum Hamburg, Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. sowie die Partei der Humanisten das "Hamburger Bündnis für einen weltlichen Feiertag" gegründet, dem inzwischen weitere Organisationen beigetreten sind. Das Bündnis kritisiert, dass sich bei einer Entscheidung für den Reformationstag mit Privilegierung der evangelisch-lutherischen Kirche die Mitglieder anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften einseitig und ungerecht übergangen fühlen würden: "Statt eines Feiertags, der nur zur weiteren Spaltung der Gesellschaft führen kann, fordert dieses Hamburger Bündnis die Einführung eines offiziellen Gedenktages, der eher geeignet ist die Menschen zusammenzuführen und zu vereinen."

Wie Recht das Hamburger Bündnis mit seiner Einschätzung hat, zeigt sich unter anderem daran, dass sowohl die katholische Kirche als auch jüdische Gemeinden Kritik an der Einführung des Reformationstages als Feiertag übten. Während aus katholischen Kreisen Stimmen für den Buß- und Bettag sowie den Dreikönigtag als Feiertag zu hören waren, weil ein neuer Feiertag zwar religiös, aber nicht zu sehr abhängig von Konfessionen sein solle, kritisierten Vertreter jüdischer Gemeinden vor allem, dass durch die Feier des Reformationstag der glühende Antisemit Martin Luther geehrt würde.

Um auf diesen und andere problematische Züge an der historischen Person Martin Luthers aufmerksam zu machen und für einen säkularen Feiertag zu werben, wird der Reformator diese Woche höchstpersönlich die Politik und Bevölkerung der vier reformationsfreudigen norddeutschen Bundesländer besuchen:

27.02. Hamburg (Rathausmarkt)
28.02. Kiel (Rathausmarkt und Holstenstraße/Holstenplatz)
01.03. Bremen (Marktplatz)
02.03. Hannover (Marktkirche und Kröpcke)